Kapitel 1

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Ivy

Die Sonnenstrahlen fielen auf ihr braunweiß gestreiftes Fell und sie streckte sich genüsslich unter der warmen Sonne. Wie lange das wohl anhalten wird? Wenigstens auf den sonnengewärmten Felsen war der Schnee geschmolzen.

Ivy gähnte und blickte sich mit halbgeschlossenen Augen in ihrem Rudel um. Außer ein paar Wildwölfen, die sich ebenfalls sonnten, war die Lichtung ziemlich leer. Sonst waren dort nur ein paar Welpen, welche sich im Spiel rauften und zwei Wildwölfe, die sich ihre Beute teilten. Ich bin froh, dass Alpha sich gegen einen Angriff auf die Nichtwölfe entschieden hat. Eigentlich sind sie sogar ganz nett. Oder sind nur Aiden und Flora so?

Ivy hatte seit dem geplanten Angriff öfter mal Flora und Aiden dabei beobachtet, wie sie Destiny abholten. Während sich Flora allerdings auch manchmal im Lager aufhielt, kam Aiden meistens nur kurz vorbei. Da Flora ein Halbblut ist, kann sie sich immerhin verwandeln und wirkt deshalb auf viele nicht ganz so fremd, obwohl einige immer noch misstrauisch sind. Aiden dagegen ist durch und durch ein Nichtwolf.

Auch jetzt schob sich Flora gerade durch die verschneiten Dornbüsche auf die Lichtung. Die hellbraune Wölfin schüttelte den Pelz, um ihn von den Schneeflocken zu befreien. Einige der anwesenden Wildwölfe hoben kurz alarmiert den Kopf, entspannten sich aber wieder einigermaßen, als sie Flora erkannten. Jedoch behielten diese sie trotzdem wachsam im Blick und Ivy tat es ihnen gleich. Nicht, weil sie Flora nicht traute, sondern vielmehr aus Neugier.

Die Werwölfin spitzte nun die Ohren und eine weiße Wölfin trat aus den Schatten der Felsen. Destiny spannte kurz die Läufe an und sprang von dem Felsen herunter, auf dem sie eine Sekunde vorher noch gestanden hatte. Bei Flora angekommen drückte sie kurz zur Begrüßung die Schnauze an das Gesicht der hellbraunen Wölfin und sagte dann etwas zu ihr.

Die Neugier hatte Ivy nun gepackt und sie spitze die Ohren und strengte sich an, um die Wölfe zu verstehen. Enttäuscht musste sie jedoch feststellen, dass sie nicht einmal die Hälfte mitbekam, denn die beiden Wölfe waren viel zu weit entfernt. Das Rauschen des Windes und das Knarzen der Äste sowie die leisen Gespräche ihrer Rudelgefährten machten es auch nicht besser. Ivy seufzte. Dann muss ich mich wahrscheinlich mit einem Blick von weitem zufrieden geben.

Sie beobachtete die Wölfe, die sich immer noch angeregt unterhielten und spürte ihre eigene Unzufriedenheit. Ich könnte sicher auch einfach hingehen, aber dann müsste ich erklären warum mich deren Gespräche so sehr interessieren. Und wenn mich Alpha dann hört, reißt er mir den Kopf ab. Was soll ich auch sagen? Etwa ‚oh, ich wollte die Beiden gar nicht stören, ich wollte nur schon immer wissen, wie es so ist ein Nichtwolf zu sein'?

Ivy verdrehte genervt die Augen. Wieso hielt der Alpha auch gleich jedem, der auch nur darüber nachdachte einen Nichtwolf zu treffen, eine Standpauke?

Wie es wohl war, wenn man nicht in seiner Wolfsform war? Ihr Bruder hatte ihr einmal erzählt, dass die Nichtwölfe tatsächlich aufrecht auf zwei Pfoten gingen und Ivy hatte damals nur lachen können. Daraufhin hatte sie nicht schlecht gestaunt, als sie sich das erste Mal verwandelt hatten.

Doch jetzt konnte sich Ivy kaum noch an all das erinnern. Eigentlich war das sehr schade, doch ihre letzte Verwandlung war schon Ewigkeiten her. Jeder Wildwolf wurde als Welpe in die Stadt gebracht, um das nötigste zu lernen. Manchmal fragte Ivy sich allerdings, ob das wirklich etwas gebracht hatte, denn außer an die Geräusche und Lichter konnte sie sich sowieso an nichts mehr von dort erinnern und auch die Stadt aus der Ferne zu betrachten half nicht. Ivy sehnte sich danach endlich die Stadt kennenzulernen, so wie Destiny.

Manchmal wünschte ich, ich wäre ein Nichtwolf! Dann könnte ich so viel sehen und würde nicht immer mit meinem Rudel in dem selben bekannten Revier festsitzen.

Mate of my heart - ...and the end! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt