Kapitel 18

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Charlie

„Hast du sie gefunden?" Aiden schüttelte müde den Kopf. Sie suchten schon den ganzen Nachmittag nach Ivy und so langsam taten den Jugendlichen ihre Beine weh.

Flora war bereits zurück bei Charlie und saß mit übereinander geschlagenen Beinen auf einer Bank. Genau wie Charlie hatte sie auf Aidens Rückkehr gewartet. Nur daran, dass sie ihre Finger knetete, merkte man, wie angespannt sie war. Bei Aidens Anblick war sie aufgesprungen, hatte jedoch genau wie Charlie sofort gesehen, dass er Ivy nicht dabei hatte. Der Hoffnungsschimmer verschwand aus ihrem Gesicht und Aiden legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter.

„Ivy kann nicht so weit gekommen sein. Wir finden sie schon." Anstatt beruhigt zu sein wirbelte Flora mit vor Wut funkelnden Augen zu Charlie herum.

„Das ist alles deine Schuld! Wieso lässt du sie auch alleine, du weißt genau, dass sie keine Ahnung von den Menschen hat!"

„Aber ich musste doch zum Unterricht..." Charlie verstummte inmitten seiner Worte, wohlwissend dass dies nur ein schwaches Argument war. Und wenn ich ganz ehrlich bin, mache ich mir auch riesige Vorwürfe.

Er dachte an die Wildwölfin, wie sie ganz alleine durch die Gassen der Stadt irrte, völlig verängstigt und verlassen. Der Gedanke daran schnürte ihm die Kehle zu. Was wenn wir sie nun nie wiedersehen, wenn ich sie nie wiedersehe?

„Wir werden sie finden." Diesmal waren Aidens Worte an Charlie gerichtet.

„Alles wäre viel einfacher in meiner Wolfsform, dann könnte ich einfach ihrer Geruchsspur folgen." Die beiden Jungen fuhren zu Flora herum und starrten sie aus großen Augen an. Natürlich, warum bin ich da nicht selbst drauf gekommen? Aiden blickte sie ungeduldig an. Worauf wartest du dann noch? Flora sah ungläubig zurück.

„Hast du ne Schraube locker? Ich bin doch nicht bescheuert! Hier sind überall Menschen, was meinst du, würden die sagen, wenn ich mich einfach in einen Wolf verwandele?" Charlie blickte sie enttäuscht an.

„Aber wir müssen doch Ivy finden!"

„Sucht ihr das Wildwolfmädchen? Hab mich schon gewundert, dass sich eine Wildwölfin ganz alleine hier rumtreibt." Ein alter Mann mit einem hölzernen Gehstock war stehen geblieben und blickte zu den Jugendlichen. Flora und Charlie tauschten einen Blick aus.

„Sie haben sie gesehen? Wo ist sie hingegangen?" Charlies Stimme überschlug sich vor Aufregung. Er wollte liebsten sofort los sprinten und sie suchen. Stattdessen wurde er von Flora beiseite geschoben, welche den alten Mann misstrauisch ansah.

„Moment, woher wissen sie, dass Ivy ein Wildwolf ist und vor allem, dass wir eine Wildwölfin suchen?" Der alte Mann schüttelte lachend den Kopf. Es klang ein wenig eingerostet, aber aufrichtig.

„Ob Wildwolf, Werwolf oder Mensch, ich erkenne einen, wenn ich ihn sehe. Wenn du so lange auf der Welt wärest wie ich, könntest du das auch. Ich kenne hier Alles und Jeden. Wenn jemand neues hier auftaucht kommt das nicht an mir vorbei."

Flora und Charlie starrten den alten Mann verblüfft an. Ob er wohl ein Werwolf ist? Hat er die Leute wirklich so lange beobachtet, dass er auf den ersten Blick sagen kann, um welches Wesen es sich handelt? Aiden war der Einzige, dem es nicht die Sprache verschlagen hatte.

„Wissen Sie, wo Ivy hingegangen ist?" Der Mann nickte langsam und verlagerte sein Gewischt auf den andern Fuß, den Gehstock hatte er immer noch fest in beiden Händen.

„Das Mädchen ist die Straße runtergegangen, in Richtung der unbewohnteren Straßen." Charlie blickte dorthin, wo der alte Mann hinzeigte. Sein Blut gefror in den Adern. Sie ist zum alten Haus gegangen?

Er bekam kaum mit, wie sich Flora flüchtig bei dem alten Mann bedankte, seine Füße trugen ihn fast von selbst in die Richtung. Er wurde immer schneller, während ihm Millionen von Gedanken durch den Kopf schossen, doch er konnte nur einen fassen. Was ist mit dem Mörder?

Selbst als Charlie direkt vor dem alten Haus stand, wurde er nicht langsamer. Er wollte gerade durch das zersplitterte Fenster ins Haus stürzen, als er von Jemandem runter gerissen wurde.

Aiden packte ihn an der Schulter und drückte ihn auf die Erde, sodass er Schnee und Dreck schmecken konnte. Charlie wollte gerade protestieren, als Aiden ihm die Hand gegen den Mund drückte. Als Aiden sich offenbar sicher war, dass Charlie nicht wie wild losstürmen würde, ließ er langsam seine Schulter los. Aiden deutete leise auf das Fenster und bedeutete Charlie still zu sein.

Als dieser Aidens Blick folgte setzte sein Herz einen Moment aus. Er konnte direkt durch die offenen Türen in das verfallene Wohnzimmer des Hauses blicken. Und obwohl dieses durch die zugenagelten und verwachsenen Fenster abgedunkelt war, konnte er sie ohne Probleme erkennen.

Ivy!

Mate of my heart - ...and the end! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt