»Entschuldigen Sie, könnte ich Sie für einen Moment stören?«, fragte eine tiefe Stimme mit leichtem Akzent. Ich drehte mich um und dort stand ein Junge mit einem pfirsichfarbenen Hautton und dichtem schwarzen Haar. Er war groß, aber nicht so riesig wie Blaze und Hayden. Seine grünen Augen bildeten einen Kontrast zu seinem dunklen Haar. Sie schmeichelten seine markanten Gesichtszüge. Er war attraktiv und schien etwas älter als ich zu sein.
»›Sie‹?«, fragte ich, weil ich nicht mit dieser geschwollenen Redensart gerechnet hatte. »Es tut mir leid, wäre es Ihnen genehm, wenn ich Sie duze? Dafür würde ich mich aber gerne vorstellen. Mein Name ist Bastien Lapointe. Ich bin einer der Gastschüler«, klärte der mir Fremde mich auf. Lapointe. Also ein Franzose.
Ich musterte ihn schief, weil er mir merkwürdig vorkam. Dieses förmliche Gerede war immer nur der Anfang. Aber weil mir langweilig war und ich sowieso nichts Besseres zu tun hatte, ließ ich mich auf das Gespräch ein.
»Aella Taysten. Was soll diese aufgesetzte Art?« Ich ging direkt aufs ganze. Manchmal musste man hoch pokern und natürlich funktionierte es, denn er grinste so, als wäre er erwischt worden.
»Ich ging davon aus, dass ich höflich beginnen muss. Es war mir nicht klar, dass es dir nicht gefällt.« ›Mir nicht gefallen‹ äffte ich in meinem Kopf nach. Ich schnaubte abfällig und schüttelte den Kopf. »Komm zum Punkt, was willst du?«, hakte ich schroff nach. Meine Verhaltensart schien ihn nicht abzuwimmeln.
»Ich habe noch keine Tanzpartnerin.« Mit fragendem Blick überkreuzte ich demonstrativ meine Arme. »Ist das ein Versuch, mich etwas zu fragen?«, wollte ich wissen. Irgendwie war er seltsam und schwer einzuschätzen. Eine gute Möglichkeit, um Zeit totzuschlagen.
»Ganz schön selbstüberzeugt«, bemerkte Bastien glucksend und spannte seine Schultern an. »Komm auf den Punkt, du kostest mich Zeit«, blaffte ich zurück. Er musste schief grinsen und ein Grübchen kam zum Vorschein. »Ich will nicht lügen, du bist attraktiv. Obendrein bist du intelligent, was man von anderen nicht behaupten kann. Aber der einzige Grund, warum ich dich angesprochen habe, ist, dass du alleine bist.« Endlich begründete er seine Anwesenheit.
Ich neigte meinen Kopf. »Nimmst du damit an, dass ich leicht zu haben bin?«, warf ich kühl ein. Auf meine Frage wirkte er relativ nüchtern. »Keineswegs. Ich würde eher das Gegenteil behaupten.«
Irgendwie konnte ich seine Denkweise nicht verstehen. Warum kam er zu mir? Ich bohrte nach.
»Ist das ein Fetisch?« Bastien musste lachend aufpusten. »Nein, du bist wirklich faszinierend. Echt. Du musst wissen, ich habe schon bei meiner Ankunft von dir gehört.« Also doch.
Ich zuckte unbeeindruckt mit den Mund. »Nichts Gutes nehme ich an«, bemerkte ich und betrachtete desinteressiert meine sauberen Nägel. Er schüttelte nur den Kopf und bestätigte es.
»Und trotzdem stehst du hier«, murmelte ich und warf ihm einen zweifelnden Blick zu. Seine Entscheidungen erschienen mir sonderbar. »Stimmt, und trotzdem bin ich hier«, wiederholte er meine Worte mit rauchiger Stimme. Es wurde langsam nervig.
»Ist das eine kranke Challenge?« Er verneinte mit einem leichten Kopfschütteln. »Nein, eigentlich nicht. Ich dachte nur, wir tun uns beiden einen Gefallen und bringen jeweils den Tanz hinter uns. Immerhin ist er verpflichtend. Ansonsten wirst du wahllos jemanden zugeteilt werden und es ist vielleicht besser, die Qual mit jemandem durchzumachen, der den Mut hatte, dich überhaupt anzusprechen«, erläuterte er plausibel. Jetzt wird es interessant.
»Nur der Tanz?« Bastien setzte ein Lächeln auf, und eine Andeutung seines Grübchens kam zum Vorschein. »Nur der eine Tanz«, bestätigte er. Durch seinen französischen Akzent hatte seine Stimme etwas Melodisches.
»Um ehrlich zu sein, vertraue ich dir nicht. Du bist im Vorteil, da du scheinbar mehr über mich weißt als ich über dich.« Er nickte nur wissend, dass ich auf das anspielte, was über mich in der Schule erzählt wurde.
»Das ist verständlich. Ich kann dir sagen, dass ich auch nicht unschuldig bin«, gestand Bastien und deutete mit einer Kopfbewegung auf eine Gruppe Mädchen, die untereinander tuschelten. »Also bist du ein was... ein Womanizer?« Er schaute mich amüsiert mit seinen grünen Augen an, die im Licht wie Frühlingsblätter schienen. »Wer weiß, vielleicht bin ich das genaue Gegenteil«, erwiderte er gelassen.
Meine Augen wurden schmal. »Im Grunde sagt das aber nicht viel über dich aus.« Dass er noch mit mir sprach, anstatt genervt abzuziehen, war mir ein Rätsel. Stattdessen schien meine Eigenart ihn zu ermuntern. Ein schräger Typ.
»Du lässt echt nicht locker. Wenn du willst, kannst du weitere Fragen stellen und mich kennenlernen«, meinte er mit einem Lächeln in seinem durchaus ansehnlichen Gesicht. Ich zuckte mit den Schultern. »Und das soll mich überzeugen?« Noch immer gab er nicht nach. Bastien war wohl einer von der hartnäckigen Sorte, aber auf eine gewitzte Art. Interessant.
»Gar nicht, ich dachte nur, zwei Leute mit fragwürdigem Repertoire können sich sicherlich aushelfen, indem sie schnell tanzen und sich danach trennen«, stellte er klar. Irgendwie hörte sich das wie ein plausibles Angebot an. Ein Mittel zum Zweck. Und er schien keine üble Partie zu sein.
Beim genauen Betrachten fiel mir sein Ring auf. Es handelte sich um einen Familienring mit einem Smaragd. Ich stimmte nur wegen des Rings zu. Mir war langweilig und die Herstellung des Rings erregte meine Aufmerksamkeit. Ich fühlte mich wie eine Elster.
»Ein Tanz und das wars'.« Bastien grinste und reichte mir seine Hand. »Du bist wirklich anstrengend«, sagte er schelmisch grinsend. Ich verdrehte die Augen. »Sag mir, dass ich ein Parasit bin und ich verfalle dir«, spielte ich Ohnmacht vor. Die Bemerkung schien ihn zu amüsieren, denn etwas blitzte in seinen Augen auf.
Ein wenig zögernd legte ich meine Hand in seine. Am liebsten hätte ich sie wieder zurückgezogen, aber die Musik begann bereits und ich wollte den Abend einfach hinter mich bringen.
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More Than You - Cardell Academy I (German)
Teen Fiction»Ja, eine Bitch bin ich... irgendwie. Damit kann ich leben«, zupfte ich an meinem schwarzen Schulblazer und fuhr fort, »dafür habe ich mich offensichtlich bekannt gemacht... aber was bedeutet es schon, wenn ich das über mir selbst sage.« -•-•-•-•-•...