Rose - Gegenwart
»NEINNNNN, das hat er nicht getan«, keuchte Brea auf. Ich hatte ihre Anwesenheit beinahe vergessen, da sie so klein und zierlich war wie eine Grundschülerin. Neben ihr wirkte ihre dunkelhaarige Freundin mit dem belustigen Grinsen im Gesicht wie der Dämon, der sie zum Unartigsein anstiftete. Ich hatte jedoch schnell gelernt, dass der erste Eindruck auch täuschen konnte.
Beide hatten einen Knacks. Und anscheinend war auch ich nicht ganz unbefleckt.
»Doch, das hat er. Nachdem Aella gegangen ist, hat James die ganze Zeit geschmollt und darüber geredet, dass er seine Zeit mit ihr verpatzt hat. Dabei konnte er nichts sagen, außer dass du schön bist und... im Grunde war das alles«, erzählte ich nüchtern.
»Und was hat er dann gemacht? Also habe ich ihn unnötigerweise zuhören müssen, während er über Basketball gequasselt hat. Ich dachte, er wäre in Ordnung. Das Einzige, was er kommentieren kann, ist mein Aussehen«, brummte Aella und verdrehte ihre verschiedenfarbigen Augen.
»Es ist halt schwer für andere, mehr zu wissen als das, was man sieht. Von außen kriegt man nicht viel mit«, bemerkte Anna ganz tapfer.
Brea und Aella schauten sie dabei an. Sie grinsten zuerst und fingen dann an, aneinander ziehend zu lachen.
»Das stimmt, aber dann könnt ihr doch etwas Anderes dazu sagen. Davor würde ich aber gerne hören, wie es mit Janson weiterging«, meinte Aella amüsiert mit funkelnden Augen.
Ich nippte an meinem Orangensaft. Dass wir ausgerechnet in Annas Zimmer saßen und so etwas wie einen Kaffeeklatsch hielten, war so absurd und dennoch wahr. Von allem, was man sich vorstellen konnte, war dies die eine Sache in meinem Leben, auf die ich nie gekommen wäre.
»James hat danach erst zu mir geschaut oder eher auf meinen Ausschnitt. Selbst wenn er versucht hat, ein Gespräch mit mir zu führen, habe ich seinen Blick immer auf meinen Brüsten gespürt«, ergänzte ich und pausierte kurz, weil Brea einen Kommentar abgeben musste. Sie ist wirklich lustig.
»Deine Brüste sind aber auch wirklich prall. Wenn ich solche hätte, würde ich sie jedem unter die Nase halten. Leider wurde ich mit zwei winzigen Kiwis verflucht.« Sie strich über ihre kaum merkliche Oberweite. »Schaut mal, ein Brett.«
Aus irgendeinem Grund musste ich laut auflachen, und dabei spritzte mir der Orangensaft brennend aus der Nase. Dadurch fingen die anderen an, laut zu kichern. Vielleicht hatte das schon vorher angefangen. Ich denke schon, denn ich hatte vorher schon etwas gehört, wenn auch nicht so laut.
Aella reichte mir ein Taschentuch, und ich wischte mir die Nase ab.
»Das war echt nicht abzusehen. Brea, du solltest dich wirklich mit deinem Humor zurückhalten. Nicht dass hier noch überall Flecken sind«, kicherte die dunkelhaarige, welche mich eigentlich an James Janson abgeschoben hatte.
Ich hätte deswegen sauer auf sie sein müssen, aber letztendlich wurde er nur durch sie auf mich aufmerksam. Traurig, wenn man bedachte, dass er mich schon seit der neunten Klasse kennen müsste. Nur hatte sich mein Brustumfang erst später entwickelt, womit ich sein anfänglich fehlendes Interesse begründete.
Ich fand nicht, dass dieses Merkmal das war, was mich ausmachte.
»Ich finde nicht, dass wir uns auf unser Aussehen limitieren lassen sollten. Ich werde bald Oberste Richterin sein und nicht die vollbusige Rose. Und ich bezweifle, dass du ausschließlich die geile Bitch bist, wie einige Arschlöcher hinter deinem Rücken sagen«, bekannte ich mich besonders gegenüber Aella.
Ihre Mundwinkel zuckten vor Freude. Anna schenkte uns Wasser in Bechern ein.
»Ich muss zugeben, dass du schlagfertig bist und ich finde das echt... soll ich ‚toll' sagen? Nein... das hört sich nicht besonders an. Wie wäre es mit ›Es ist doch nicht so schlimm, wenn man mal böse ist‹, nicht wahr? Ich denke, du hast Recht, und Brea kann dir bestimmt ein Lied darüber singen, wie gerne sie dem Sexismus in den Arsch treten würde.«
Solche Worte aus Aellas Mund zu hören, waren für mich eine Bestätigung, eine Gemeinsamkeit, die mich schockierte. Waren wir uns alle ähnlicher, als ich gedacht habe?
Brea hob ihr Glas. »Auf den Club der ewig währenden Single-Frauen, denen Enttäuschungen von Männern nichts ausmachen.« Alle hoben ihre Gläser und wir stießen wortlos an.
»Nur so nebenbei, ich habe nicht vor, für immer Single zu bleiben. Also gebe ich die Hoffnung nicht ganz auf«, kicherte Anna und bekam Beifall. »Hört mal auf die Frau, wer hat dich um den Finger gewickelt«, versuchte Brea aus ihr herauszukitzeln.
Ich musste lachen und das hörte sich in meinen Ohren so befremdlich an, dass ich mich fragte, ob ich jemals zuvor in meinem Leben so ausgelassen und ehrlich glücklich war, trotz all der verdrehten Personen und Umstände.
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More Than You - Cardell Academy I (German)
Novela Juvenil»Ja, eine Bitch bin ich... irgendwie. Damit kann ich leben«, zupfte ich an meinem schwarzen Schulblazer und fuhr fort, »dafür habe ich mich offensichtlich bekannt gemacht... aber was bedeutet es schon, wenn ich das über mir selbst sage.« -•-•-•-•-•...