Das Klackern meiner Schuhe hallte durch den langen und schmalen Flur. Ich lief an den hochragenden, beigen Marmorsäulen vorbei, deren Kapitelle mit Ranken geschmückt waren und den Anschein erweckten, als kämpften sie sich empor, um die Last zu stützen, die die Mauern seit Jahren trugen. Eine Last, die nicht nur auf dem Gebäude, sondern auch auf den Schülerinnen und Schüler lastete.
Die hohen Mauern der Cardell Academy ragten heraus und sorgten für Aufsehen im gesamten Bezirk. Sie bewiesen ihre Macht als exklusive Privatschule, die ihrem prestigeträchtigen Ruf gerecht wurde.
Das Internat erstreckte sich großflächig über ein Landareal, das von der Stadt entfernt lag. Es war beinahe eine eigene Welt, abgeschlossen vor jeglichen Störungen von außen. Nur die Torstäbe am Eingang erlaubten Außenstehenden einen begrenzten Blick auf das Gelände zu erhaschen.
Innerhalb des Hofs erstreckte sich ein offener Garten und tränkte den Raum in den satten Rot und Gelbtönen des Herbstes. Die Blätter der Bäume stimmten sich auf die beigen und bräunlichen Töne des Schulgeländes ein.
Die Cardell Academy sieht im Herbst am schönsten aus – zumindest dachte ich das.
Ich schüttelte den Gedanken von meinen Schultern und stolzierte mit festem Blick auf die Bibliothek zu. Das Gebäude war durch einen Verbindungsgang mit den anderen schulinternen Räumen verbunden.
Je näher ich der Bibliothek kam, desto stärker spürte ich ihre Präsenz. Sie war von einer Welle der Weisheit und Macht umgeben, die nur durch die Zeit zu erklären war.
Mit jedem Schritt kam ich der riesigen braunen Doppeltür näher, bis ich vor ihr stehen blieb. Mit der linken Hand strich ich über einen Sensor und die Tür glitt ohne einen Laut auf. Dahinter enthüllte sich eine Schar von antiquarischen Bücherregalen, Arbeitsplätzen, Ausstellungsvitrinen, Kunstwerken und Sitzbereichen, die zur Verfügung gestellt wurden.
Alles war mit dunklem Massivholz möbliert. Bankerlampen beleuchteten die Tische, an denen auch heute die Schülerinnen und Schüler der Cardell Academy lernten.
Als ich die ruhige Bibliothek betrat, hoben die Lernenden ihre Köpfe. Kurz darauf senkten sie sie wieder und begannen zu tuscheln. Sie warfen schnelle Blicke auf mich und hörten nicht mit ihrem Flüstern auf. Einige starrten mich förmlich an.
Ich konnte mir nur vorstellen, worüber sie sprachen. Sicherlich tuschelten sie über meine aktuellen Aktivitäten und mein Aussehen.
Meine Erscheinung war eine meiner Stärken und verlieh mir ein gewisses Selbstbewusstsein, auch wenn einiges davon nur gespielt war. Trotzdem konnte ich hin und wieder davon profitieren, auch wenn manchmal lästig wurde, Verehrern Abfuhren zu erteilen. Anscheinend wollte man immer das, was man nicht haben konnte.
Ohne mich von den Blicken der Lernenden beeinflussen zu lassen, ging ich weiter. Dabei konnte ich spüren, wie ihre Augen mir folgten. Gleichzeitig fühlte ich die Reife der Bibliothek auf mich niederprasseln. Wie eine Decke legte es sich über mich und verdeutlichte mir, wie wenig ich noch wusste und wie viel ich noch über das Leben lernen musste.
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More Than You - Cardell Academy I (German)
Teen Fiction»Ja, eine Bitch bin ich... irgendwie. Damit kann ich leben«, zupfte ich an meinem schwarzen Schulblazer und fuhr fort, »dafür habe ich mich offensichtlich bekannt gemacht... aber was bedeutet es schon, wenn ich das über mir selbst sage.« -•-•-•-•-•...