Morgan - Rache und Liebe

Kapitel 8

Zum Glück hatte Santos seinen Halbbruder bei sich Zuhause abgeladen. Scheinbar waren sie nicht einkaufen, weil sie zusammen essen wollten, sondern weil Bens Wagen den Geist aufgegeben hatte und Santos der Einzige war, der gerade Zeit hatte. Ich für meinen Teil war froh, dass ich mit diesem Idioten keine Zeit mehr verbringen musste, aber dafür hatte ich jetzt Santos an der Backe, der mich zu seinem Haus fuhr.

Und wenn ich Haus sagte, meinte ich damit eigentlich Villa. Genau wie seine Brüder, wohnte Santos in so einem unnötig grossem und luxuriösem Haus, damit jeder sehen konnte, dass er Geld hatte. Scheinbar wurde sein Haus vor ein paar Monaten komplett renoviert, was auch erklärte, wieso es hier wie neu aussah.

„Das was ich gesagt habe tut mir wirklich leid, Morgan. Ich möchte dich kennenlernen, aber das geht nicht, wenn du mir nichts über dich erzählst.“ wir sassen zusammen draussen auf der Terrasse, weil es heute wieder einer dieser warmen Tage war. „Wenn ich dir etwas erzähle, wirst du mich sofort aus deinem Haus werfen.“ sofort schüttelte er seinen Kopf. „Es gibt keinen Grund dich raus zu werfen.“ das würden wir ja gleich sehen.

„Mein Nachname ist Street.“ verwirrt runzelte Santos seine Stirn, bis er den Namen wohl eingeordnet hatte und wütend wurde. Doch anstatt mich gleich rauszuwerfen, so wie ich gedacht hatte, lehnte er sich im Stuhl nach hinten und sah mich einfach nur an. Wahrscheinlich ging er gedanklich gerade jedes einzelne Mitglied von uns durch auf der Suche nach einer Morgan.

„Du gehörst nicht zu den Streets.“ sagte er schliesslich nach einigen Sekunden. „Woher willst du das wissen?“ „Dann wärst du nicht hier.“ schmunzelnd hob ich meine Augenbrauen. Wenn er wüsste, dass ich genau deshalb hier war. „Die G.A. und die Streets stehen seit fünf Jahren auf Kriegsfuss.“ ich ballte meine Hände unter dem Tisch zu Fäusten, liess mir meine Wut aber sonst nicht ansehen. „Wieso?“ fragte ich gespielt neugierig, obwohl ich es sehr wohl wusste.

„Es gab einen kleinen Zwischenfall bei einem Deal. Die Streets sind auf uns losgegangen.“ das war eine Lüge, aber es war mir klar, dass Santos die G.A. als die Guten darstellen wollte. „Unsere Männer wurden damals in einen Hinterhalt gelockt und umgebracht. Die Streets sind mit den Waffen abgehauen.“ „Das tut mir leid.“ sagte ich, obwohl ich es nicht so meinte. Von mir aus konnte jedes einzelne Mitglied ausradiert werden.

„Naja, wie auch immer. Du trägst den Namen Street, bist aber kein Mitglied davon.“ wortlos nickte ich. „Den Namen gibt es auch mehr als genug in Amerika. Darf ich fragen, was mit deiner Familie ist?“ augenblicklich spannte sich mein gesamter Körper an, was Santos nicht zu entgehen schien. „Es tut mir leid. Ich möchte dir wirklich nicht zu nahe treten, aber ich möchte dich auch kennenlernen. Mit all deinen guten und schlechten Seiten.“ unbehaglich richtete ich mich im Stuhl auf und umfasste mit meinen Händen das Glas auf dem Tisch.

„Meine Mutter starb bei meiner Geburt und mein Vater bei einem Verkehrsunfall.“ „Das tut mir unglaublich leid. Ich hatte keine Ahnung.“ schwach lächelnd zuckte ich mit den Schultern. „Auch wenn es vielleicht hart klingt, ist mir der Tod meiner Mutter egal.“ „Weil du sie nicht kanntest.“ schlussfolgerte Santos, worauf ich nickte. „Wie soll man jemanden vermissen oder dieser Person hinterher trauern, wenn man sie noch nie gesehen hat? Klar, sie hat mich auf die Welt gebracht und dafür bin ich ihr auch dankbar, aber das ändert nichts daran, dass ich sie nicht gekannt habe.“ zwar hatte ich mir oft vorgestellt, wie es wäre eine Mutter zu haben, aber in dieser Vorstellung blieb mein Leben genau gleich beschissen, also hatte ich irgendwann keinen Gedanken mehr daran verschwendet.

„Hast du keine Geschwister?“ ein sehr ungünstiges Thema. „Doch, aber.“ unschlüssig sah ich Santos an. Es war mir zuwider über meine Familie zu reden, aber wenn ich mit meinem Plan weiterkommen wollte, blieb mir keine andere Wahl. Wenn er wusste, dass ich ihm vertraute, würde er auch mir vertrauen und irgendwann mehr über die G.A. preisgeben.