Reflexartig hob ich meinen Arm, winkelte ihn an und schlug damit so fest nach unten, dass seine Hand von meinem Hals verschwand. In der gleichen Sekunde wie er mich losliess, drehte ich mich um und schlug ihm dabei meinen Ellbogen ins Gesicht. Normalerweise war so ein Schlag effektiv, aber leider nicht bei diesem Kasten von einem Mann.
Ich hörte die Jungs hinter mir schreien, aber meine ganze Aufmerksamkeit lag auf dem breit gebauten Mann vor mir, der mich mit einem Blick purer Wut ansah, bevor er seinen Fuss hob und ihn mir mit voller Wucht gegen den Brustkorb schlug. Noch während ich nach hinten flog, sah ich Carlos und Brody an mir vorbei rennen. Schnell waren aber auch sie vergessen, als ich unsanft auf dem Boden aufkam.
Ich hatte das Gefühl, als wäre ein Bulldozer über mich gefahren und am liebsten hätte ich vor Schmerzen geschrien, aber ich zeigte es nicht. Stattdessen liess ich mir von Ben auf die Füsse helfen und stand auch gleich Santos gegenüber, der seine Hände auf meine Arme legte und mich besorgt ansah. „Was wird das?“ irritiert wich ich etwas nach hinten, aber dadurch, dass er mich festhielt, folgte er mir gleich.
„Wir bringen ihn nach unten.“ sagte Carlos an Santos gerichtet, während er mit Brody und dem Mann an mir vorbei ging und auch gleich hinter der Tür verschwand. Santos schien das aber nicht einmal mitzukriegen, denn er sah mich weiter mit diesem besorgten Blick an, der mich mehr als nur verwirrte. Ich war doch nur verletzt, also wieso verhielt er sich dann so?
„Fahr sie zum Check ins Krankenhaus. Wir regeln den Rest. Gute Besserung, Verrückte.“ schwach lächelte mich Ben an, ehe er seinem Bruder folgte und keine Ahnung wohin ging. Es würde mich wirklich brennend interessieren, wohin diese Tür führte und ob sie da vielleicht auch noch etwas anderes als nur den Hintereingang hatten. Wenn ich es richtig anstellen würde, dann würde mich Santos irgendwann bestimmt dahin bringen.
„Kannst du laufen?“ „Kannst du aufhören mich so anzusehen? Ich habe nur einen Tritt abbekommen.“ spöttisch hob Santos eine Augenbraue, runzelte aber gleich seine Stirn, als er meine Worte wohl registriert hatte. „Wieso siehst du das so locker?“ „Weil es nur eine Verletzung ist. Kein Grund mich so anzusehen, wie du es gerade tust.“ „Du bist mir wirklich ein Rätsel.“ murmelte er kopfschüttelnd. In der nächsten Sekunde nahm er aber meine Hand und zog mich hinter sich her die Treppe nach unten.
Erst als wir bei seinem Wagen ankamen, hatte ich die Möglichkeit mich von ihm zu lösen. „Ich brauche kein Krankenhaus.“ „Er hat dich getreten, Morgan.“ „Na und?“ ich verstand wirklich nicht, wieso er mich deshalb in ein Krankenhaus bringen wollte. „Es geht mir aber gut. Du brauchst mich also nicht so besorgt anzusehen. Es war nur ein Tritt. Fahr mich bitte einfach nur nach Hause.“ ich sah schon, dass Santos von meiner Bitte alles andere als begeistert war, aber er hatte meinen Wunsch zu akzeptieren und mich nicht gegen meinen Willen zum Arzt zu bringen. „Von mir aus. Steig ein.“ dankend sah ich in an und stieg in den Wagen, worauf er es mir gleichtat und sofort losfuhr.
„Kann ich dich etwas fragen?“ durchbrach Santos die Stille nach einigen Minuten. „Nur zu.“ „Wieso bist du so?“ verwundert drehte ich meinen Kopf zur Seite um ihn anzusehen. „Was meinst du?“ „Naja, so...ich weiss nicht einmal wie ich das erklären soll.“ dafür war mir jetzt klar, was er damit meine und dieses Thema gefiel mir ganz und gar nicht.
„Erst fragst du mich, wieso ich mir von Frauen nicht nehme was ich möchte und jetzt verstehst du nicht, wieso ich mir Sorgen um dich mache, weil du verletzt wurdest. Irgendwie kommt es mir so vor, als hätte man dir etwas falsches Beigebracht oder dich falsch erzogen. Ach, ich weiss doch auch nicht wie ich es erklären soll. Meine Frage ist einfach, wieso du so bist, wie du bist.“ ich würde sagen, dass er mit dem falsch Beibringen ziemlich richtig lag.
„Das ist völlig egal. Fahr mich bitte einfach nach Hause.“ ich wollte nicht über die Erziehung meines Vaters reden und auch nicht, was ich in meiner Vergangenheit durchgemacht hatte. Ausserdem ging es niemanden etwas an, was bei den Streets abging und was für Werte sie hatten. Wenn Santos genau hinsehen würde, dann konnte er an mir erkennen, was die Streets aus einem Menschen machten, besser gesagt meine Familie.
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Morgan - Rache und Liebe
RomantizmTeil 6 der Everett-Reihe Morgan hatte eine einfache Aufgabe: Sie sollte sich an Santos ran machen und Informationen über die G.A. sammeln. Nachdem die G.A. ihre Familie vor fünf Jahren zerstört hat, sinnt sie nach Rache. Fest entschlossen diese auc...