„Sollten wir nicht schon lange beim Wagen sein?“ „Wir sind gleich da.“ zweifelnd sah ich Santos neben mir an, aber er mied den Blick zu mir und lief stur weiter. Für den Weg zum See liefen wir zwanzig Minuten und jetzt waren wir schon fast vierzig Minuten unterwegs. So langsam hatte ich das Gefühl, dass wir uns verlaufen hatten und die einbrechende Dunkelheit machte das alles auch nicht besser.
Bei einer Gabelung blieb Santos stehen und sah in die drei Richtungen. „Vorhin sind wir hier nicht langgelaufen.“ seufzend fuhr er sich mit den Händen durch die Haare. „Ich weiss. Ich glaube, dass wir hier lang müssen.“ er wollte nach links gehen, aber ich hielt ihn gleich an seiner Hand auf. „Wenn du dir nicht sicher bist, dann sag es einfach. Gib zu, dass wir uns verlaufen haben.“ „Haben wir nicht.“ stritt er das offensichtliche ab. Jetzt hatte ich keine Geduld mehr.
„Santos!“ wütend hielt ich ihn erneut an seiner Hand auf. „Was?!“ fuhr er mich nun genau so wütend an. „Willst du hören, dass ich dumm bin und den falschen Weg genommen habe oder doch, dass ich zu stolz bin um es zuzugeben, weil ich vor dir nicht als Trottel dastehen möchte?“ diese Situation machte mich unheimlich wütend, aber seine Worte beruhigten mich wieder. Ich wusste nicht, ob es wirklich seine Worte waren oder sein Blick, der mir deutlich zeigte, wie unangenehm es ihm war uns in diese Situation gebracht zu haben.
„Du stehst wenn als Trottel da, wenn du mir nicht die Wahrheit sagst. Haben wir uns verlaufen?“ tief durchatmend schloss er seine Augen, ehe er sie wieder öffnete und mich entschuldigend ansah. „Für etwas haben wir doch Handys.“ noch während ich es sagte, nahm ich mein Handy aus meiner Tasche. Schnell verflog meine Ruhe aber, als ich sah, dass ich hier kein Netz hatte. Wir hatten uns tatsächlich in einem Wald verlaufen, aus dem wir so schnell nicht rauskamen, weil wir keinen verdammten Empfang hatten.
„Ich rege mich nicht auf.“ gab ich ruhig von mir. „Es tut mir leid, ich-“ Santos stoppte, als ich meine Hand hob. „Wir gehen jetzt erst einmal den selben Weg zurück.“ das war doch eine logische Idee, oder? Ich wartete seine Reaktion gar nicht ab, drehte mich um und ging den selben Weg wieder zurück. Santos sagte nichts, weil er genau wusste, dass ich dann wohl komplett ausrasten würde.
Minutenlang liefen wir schweigend nebeneinander, bis wir erneut an einer Gabelung ankamen. Stumm sah ich nach links und rechts, aber in diesem Wald sah einfach alles genau gleich aus, so dass ich keine Ahnung hatten von wo wir kamen, noch wo wir hin mussten. „Wir haben uns verlaufen.“ auch wenn ich es nicht zugeben wollte, kam langsam aber sicher doch die Verzweiflung in mir auf.
Santos entging es natürlich nicht, weil er unbedingt so ein aufmerksamer Mensch sein musste und legte gleich seine Hände in meinen Nacken. „Wir kommen hier raus, okay?“ zweifelnd sah ich in seine grünen Augen. „Ich verspreche es dir. Ich bringe dich sicher nach Hause.“ dabei sah er mich so eindringlich an, dass ich es ihm auch noch glaubte, obwohl ich genau wusste, dass er mich hier nicht raus führen konnte.
Unsicher nickte ich, worauf er meine Hand in seine nahm und mich zum linken Weg führte. „Es dämmert bereits.“ sagte ich nach einigen Minuten. „Ich weiss, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“ auch wenn ich selten Angst hatte, beunruhigte mich nur schon die Vorstellung im Dunkeln in diesem Wald zu sein. Ich wollte nicht einmal wissen was für Tiere sich hier aufhielten.
Immer wieder warf ich ein Blick auf mein Handy, um nachzusehen, ob wir doch Empfang hatten, aber es tat sich nichts. Mit jeder Minute, die wir hier draussen verbrachten, wurde es um uns herum nicht nur dunkler, sondern auch unheimlicher. Santos schien das alles aber nicht so mitzunehmen wie mich, denn er war weiter die Ruhe in Person und führte uns immer wieder auf einen anderen Weg.
„Ich muss pinkeln solange ich noch etwas sehen kann.“ als ob ich mich hinter einem Baum erleichtern würde, wenn es stockdunkel war. „Nicht gucken.“ warnend sah ich Santos an, ehe ich den weg verliess und einige Schritte in den Wald ging. „Alles okay?“ „Mehr oder weniger.“ rief ich, während ich meine Hose samt Slip nach unten zog und in die Hocke ging. „Wehe du guckst.“ „Mache ich nicht.“ versprach er mir und drehte mir gleich den Rücken zu.
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Morgan - Rache und Liebe
RomansaTeil 6 der Everett-Reihe Morgan hatte eine einfache Aufgabe: Sie sollte sich an Santos ran machen und Informationen über die G.A. sammeln. Nachdem die G.A. ihre Familie vor fünf Jahren zerstört hat, sinnt sie nach Rache. Fest entschlossen diese auc...