Gebannt sah ich dabei zu, wie die Sonne langsam aufging. Ich sass oben auf einer Klippe und hatte in den letzten Stunden den Wellen dabei zugehört, wie sie gegen die Felswand schlugen, während meine Gedanken verrückt spielten.
Es war eine Sache von Santos abgewiesen zu werden, aber eine völlig andere, wie er es getan hatte. Ich verstand ja, dass er meinen betrunkenen Zustand nicht ausnutzen wollte und war ihm auch dankbar dafür, aber er hätte mich nicht so grob behandeln und mich dabei auch noch anschreien müssen.
In dem Moment, als er mich gepackt hatte und auf das Bett stiess, hatte ich das erste Mal angst vor ihm. Das bei dem Mann zu spüren, der mir mein Herz gestohlen hatte, war einfach nur ein beschissenes Gefühl. Er war seit langem der erste Mensch, dem ich so richtig vertraute und dann behandelte er mich genau so, wie Mason es immer tat. Vielleicht hätte ich nicht gleich aus der Villa verschwinden müssen, aber ich wollte einfach nicht im selben Gebäude sein wie er und verliess es deshalb.
Die Frage war doch auch, wie es jetzt weitergehen sollte. Ich konnte zurück gehen und so tun, als wäre ich nicht weg gewesen, weil Santos meine Flucht bestimmt noch nicht mitbekommen hatte. Wenn ich ihn aber sah, dann würde er sich für sein Verhalten entschuldigen und ich würde die Entschuldigung annehmen, obwohl ich nicht bereit dafür war. Santos wusste wahrscheinlich nicht einmal, was für einen innerlichen Schmerz er mir damit zugefügt hatte.
Die andere Möglichkeit war einfach hier zu bleiben. Nie wieder zurück in die Villa zu gehen und einfach den Rest meines Lebens hier oben, zwischen den zwei Büschen auf der Klippe, zu verbringen. Diese Idee war aber vollkommen lächerlich. Ich konnte nicht ewig vor meinen Problemen davon laufen und musste mich früher oder später nicht nur Santos stellen, sondern auch Mason.
Nur schon an meinen Bruder zu denken liess die Angst in mir zum Vorschein bringen. Sobald ich wieder in Orlando war, würde er mich finden und gnadenlos umbringen. Wie also sollte ich weitermachen, wenn ich immer daran denken musste, dass mein Bruder hinter mir her war? Das konnte und wollte ich nicht. Mir blieb also keine andere Wahl als mich ihm zu stellen und zuzugeben, dass ich versagt hatte. Das ich mich nicht nur in Santos verliebt hatte, sondern seine ganze Familie mehr mochte, als ich es je bei meiner Familie getan hatte.
Auch wenn ich mir immer wieder in Erinnerung rief, dass diese Familie meinen Vater und Bruder kaltblütig umgebracht hatte, konnte ich nicht verhindern, dass ich sie in mein Herz geschlossen hatte. Sonderlich schwer war es für sie auch nicht, immerhin behandelten sie mich besser als es meine Familie mein gesamtes Leben getan hatten. Sie alle zeigten mir, wie es war, wenn man jemanden hatte, dem man etwas bedeutete. Wie es war, wenn man jemanden hatte, der hinter einem Stand und alles für ihn tun würde. Alles, was mir meine Familie nie gezeigt hatte.
Verzweifelt über diese ganze Situation, stand ich vom Boden auf und ging den selben Weg zurück, den ich vor ein paar Stunden in der Dunkelheit genommen hatte. Natürlich war ich dieses Mal schneller, weil ich etwas sehen konnte. Vielleicht war es doch nicht schlecht, wenn ich zurück zur Villa gehen würde. Niemand hatte mein Verschwinden bemerkt, also konnte ich einfach wieder rein, mich neben Santos legen und so tun, als hätte ich die ganze Zeit geschlafen.
Leider kam es nicht soweit.
Als ich den kleinen Wald verliess und den Kiesplatz betrat, musste ich schmerzlich feststellen, dass die G.A. nicht nur in Orlando ihre Feinde hatte, sondern auch in Miami. Bei meinen Recherchen hatte ich nicht nur herausgefunden, dass Elly mehr als einmal entführt wurde, sondern auch KC und Nathalie. Sie wurden Opfer feindlicher Gangs, weil man dachte, etwas aus ihnen herausbekommen zu können, weil sie mit den Brüdern zusammen und in Ellys Fall verwandt waren.
Nichts ahnend lief ich über den Kiesplatz und an den schrottreifen Autos vorbei, die hier vereinzelt standen, bis ein Mann hinter einem verrosteten weissen Van hervor trat. Ich konnte gar nicht reagieren, da traf etwas hartes meine Rippen und liess mich mit einem Schrei auf den Boden fallen. „Noch eine, die zu den Everetts gehört.“ kam ein anderer Mann dazu und trat mit seinem Fuss in meine Rippen, so dass ich mich gleich auf die Seite rollte und mich vor Schmerzen krümmte.
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Morgan - Rache und Liebe
Roman d'amourTeil 6 der Everett-Reihe Morgan hatte eine einfache Aufgabe: Sie sollte sich an Santos ran machen und Informationen über die G.A. sammeln. Nachdem die G.A. ihre Familie vor fünf Jahren zerstört hat, sinnt sie nach Rache. Fest entschlossen diese auc...