Kapitel 6

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Leona

Ich werde von lauten Stimmen wach. Langsam öffne ich meine Augen und blicke in die Dunkelheit, was bedeutet es muss noch Nachts sein. Ich schaue neben mich zu Jack, welcher noch tief schläft. Geschockt reiße ich die Augen auf und bin hell wach, denn das bedeutet die Stimmen können nicht von ihm kommen. Panik breitet sich in mir aus.

Langsam blicke ich runter in die Scheune, wo das Licht einer einzigen kleinen Lampe leuchtet. Doch als ich die zwei Männer dort unten erblicke, weiche ich sofort wieder zurück. Verdammt! Sie dürfen uns unter keinen Umständen entdecken. Das würde wahrscheinlich nicht gut für uns enden.

Vorsichtig rüttle ich an Jacks Schulter, um ihn zu wecken. Er öffnet die Augen und gerade, als er sich beschweren will, Presse ich meine Hand auf seinen Mund. Verwirrt schaut er mich an, doch als die Stimmen wieder anfangen zu reden, weiten sich seine Augen. Langsam nehme ich meine Hand wieder weg.

„Vermassel es bloß nicht. Wenn du sie morgen gefangen bekommen hast, bringst du sie direkt hier her. Halt dich an den Plan. Wehe du machst etwas falsch.", ertönt eine tiefe Stimme. „Ja, Boss.", ertönt eine weitere tiefe, jedoch eingeschüchterte Stimme.

Ich schätze mal, es handelt sich bei ihrem Gespräch, um eine Entführung. Man kann Schritte hören, welche sich immer weiter entfernen. Wer auch immer die Männer waren, Jack und ich müssen morgen Früh hier weg. Zum Glück haben sie uns nicht bemerkt. Ich hätte nicht gedacht, dass jemand in diese verlassene alte Scheune kommt.

Jack ist die ganze Nacht wach geblieben und hat mich geweckt, sobald die Sonne aufgegangen ist. Daraufhin haben wir uns umgezogen und die Scheune verlassen. Nun befinden wir uns wieder in einem Bus, welcher uns in die entgegengesetzte Richtung fährt, aus welcher wir gestern gekommen sind. Es ist irgendwie aufregend, weil wir nie wissen, wo wir als nächstes hinkommen.

Ungefähr 30 Minuten später, steigen wir in einem Stadtteil aus. Das erste was wir machen, ist ein Restaurant anzupeilen. Auf dem Weg dahin laufen wir an einer wunderschönen Kirche und einem Brunnen vorbei.

Wir scheinen in einer etwas größeren Stadt zu sein, doch ich habe absolut keine Ahnung wo. Auf dem Weg hierher habe ich auf keine Schilder oder sonstiges geachtet. Jeder andere würde das wahrscheinlich tun, doch es würde mir sowieso nichts bringen, zu wissen wo wir uns befinden.

Ich kenne mich in Spanien nicht aus, nichtmal einbisschen. Weder war ich je hier, noch habe ich mich je über das Land informiert. Außerdem denke ich, dass es mich noch mehr deprimieren würde zu wissen, wo wir sind.

Denn auch wenn ich es manchmal verdränge, sind wir immer noch auf einem anderen Kontinent, komplett hilflos. Ich versuche das beste in dieser Situation zu sehen, um nicht den Verstand zu verlieren, doch es gibt eigentlich nichts gutes an ihr.

Und wenn ich mir Ortsschilder oder andere Hinweise auf unseren Aufenthaltsort anschauen würde, würde es nur noch realer für mich werden. Es würde mir nochmal bewusster machen, was passiert ist und davor fürchte ich mich.

Unser Geld wird immer weniger, aber wir können nicht ohne essen und trinken leben. Ein Mensch kann ungefähr dreißig Tage oder länger ohne essen, und drei Tage ohne Trinken überleben.

Doch ich sehe es nicht als Option, auch nur einen Tag ohne beides auszukommen. Im Notfall natürlich schon, doch ich möchte keine körperlichen Beschwerden riskieren. Denn auch, wenn man solange ohne Nahrung überleben kann, ist es nicht gut für den Körper.

Gerade essen Jack und ich jeweils ein Sandwich und trinken ein Glas Wasser, in diesem Restaurant. Es war das günstigste, was es gab. Und wir wissen nicht ob es das einzige für heute sein wird, denn mehr können wir uns nicht leisten.

Zwar haben wir das Geld, um mehr zu kaufen, doch wir brauchen es auch für andere Zwecke. Wenn das Geld erstmal weg ist, haben wir nämlich ein großes Problem. Gut, das haben wir auch jetzt schon, doch man muss es ja nicht verschlimmern.

Jack und ich reden während des Essens nicht. Vielleicht ist er genauso in seinen Gedanken versunken, wie ich. Vielleicht denkt er sogar über das selbe nach wie ich. Vielleicht auch über seine Familie. Vermisst er sie? Ich denke schon, dass er es tut, doch er zeigt es nicht. Kein einziges Mal hat er gezeigt, dass er traurig ist oder sich sorgen macht.

Denn er kann ebenfalls nicht wissen, ob seine Familie unversehrt davon gekommen ist. Unseren Familien könnte schlimmes zugestoßen sein. Doch Jack hat in dieser Hinsicht noch keine Gefühle gezeigt. Aber er muss sicher darüber nachgedacht haben, denn das würde wahrscheinlich jeder tun.

Jeder würde an unserer Stelle an seine Familie denken, wenn er ein gutes Verhältnis zu ihr hat. Ich weiß zwar kaum etwas über seine Familie, doch sie erschienen mir immer glücklich, wenn ich sie gesehen habe. Ich denke nicht, dass es spurlos an Jack vorbei geht. Ich denke, er möchte seine Gefühle nicht zeigen.

Doch wer würde das an seiner Stelle auch wollen. Am Ende des Tages bin ich schließlich immer noch seine Feindin, sowie er mein Feind ist. Eine Tatsache, die ich seit wir hier zusammen in Spanien sind, erstaunlich leicht vergesse.

Verloren in SpanienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt