Leona
Nachdem Jack und ich unser Frühstück in dem Café aufgegessen haben, sind wir direkt wieder gegangen. Dieser Ort war zwar wunderschön und am liebsten wäre ich noch Stunden dort geblieben, aber es war eine reine Sackgasse. Es wäre viel zu gefährlich gewesen, dort zu bleiben, denn wir hätten keine Fluchtmöglichkeit gehabt. Zwar ist es eher unwahrscheinlich, dass Antonio diesen kleinen Ort gestürmt hätte, doch sicher ist sicher. Für uns ist es sowieso besser, so viel in Bewegung zu sein, wie möglich.
Einige Minuten lang, sind wir kreuz und quer durch die Stadt gegangen. Haben andauernd die Straßenseite gewechselt und sind einige Male um die Ecke gebogen. Nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern auch weil wir nicht wussten wo wir lang gehen sollen.
Schließlich sind wir bei einem Glücksbrunnen gelandet, vor welchem wir in diesem Moment stehen. In dessen Mitte steht eine sandfarbene Skulptur, welche einen sitzenden Mann abbildet. Um diese Skulptur steigen Wasserfontänen in die Höhe und geben ein rauschenden Geräusch von sich, sowie ein plätscherndes bei dem Aufprall von Wasser auf Wasser. Auf dem Grund des Brunnens schimmern unzählige Münzen.
„Glaubst du, es wäre verwerflich, die Münzen aus dem Brunnen zu fischen und einzustecken?" Mit hochgezogen Augenbrauen drehe ich meinen Kopf zu dem Blondschopf neben mir. „Definitiv wäre das falsch.", erwidere ich mit einem eindringlichen Blick in sein Gesicht. Es wäre gelogen zu sagen, dass mir dieselbe Idee nicht auch schon gekommen ist, so verführerisch wie die Münzen vor uns liegen. Doch es wäre mehr als nur falsch, Geld anderer Menschen, aus einem Glücksbrunnen zu stehlen. Vorfallen mit dem Wissen, dass diese Menschen vielleicht wirklich daran glauben, dass ihnen mit dieser Gestik etwas gutes widerfährt. Zudem würde das Glück mit Sicherheit nicht auf unserer Seite sein, wenn wir das wirklich tun sollten. „Außerdem ist dort sowieso nur Kleingeld drinnen.", füge ich hinzu. Auch wenn der Gedanke daran, wie Jack in diesem Brunnen hockt und Geld sammelt, wirklich lustig ist.
„Vielleicht sollten wir auch Geld reinwerfen, damit uns etwas gutes widerfährt.", überlege ich leise murmelnd, doch sofort kommt ein Einwand von meiner rechten. „Nein, das können wir uns nicht leisten. Schon schlimm genug, dass du diesem unnötigen Magneten gekauft hast." Ich schnaube. „Darüber werde ich nicht mehr mit dir diskutieren."
Überlegend schaue ich mich in der Gegend um und daraufhin suchend auf dem Boden. Als ich einen grauen Stein entdecke gehe ich zu diesem hin und beuge mich vor, um ihn aufheben zu können. Mit zwei Fingern halte ich ihn vor Jacks Gesicht, woraufhin dieser mich fragend ansieht. „Dann werfen wir halt einem Stein rein." „Es ist nur ein bedeutungsloser Stein." Ich zucke mit den Schultern. „Es ist die Gestik die zählt. Wünsch dir was." „Ich glaube nicht an so einen Schwachsinn. Nichtmal wenn es Geld wäre." „Dann ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt ,um damit anzufangen." Daraufhin werfe ich den Stein in den Brunnen. Schlagartig muss ich an den Tag denken, an welchem Jack und ich das Steinspiel mit den Fragen gespielt haben. Damals war das Glück auch auf unserer Seite. Anders kann ich mir nicht erklären, wie wir sonst auf diesem Campingplatz hatten landen können, anstatt in einem ganz normalen Wald. Es war die perfekte Unterkunft. Günstig und versteckt.
Ich habe momentan wahrscheinlich hunderte von Wüschen. Dass es meiner Familie gut geht, dass Jack und ich nicht nochmal von Antonio gefunden werden und flüchten müssen, dass wir so bald wie möglich von hier wegkommen, dass wir so gut wie möglich hier durch kommen und uns nichts passiert. Ich wünsche mir, dass Jack und ich die nächste Zeit weder hungern noch auf der Straße schlafen müssen.
Augenblicklich wünsche ich mir, dass das niemand muss. Keinem sollte es so schlecht gehen, ein Leben in Armut führen zu müssen. Gerade Kinder, welche absolut nichts für ihre Lebenssituationen können, sollten so aufwachsen müssen. Meinen Vorsatz Geld zu spenden sobald ich wieder zuhause bin, welchen ich mir damals gedanklich im Casino gemacht habe, habe ich noch nicht vergessen und ich werde mich an diesen halten. Ich habe die Mittel dazu und möchte sie nutzen, um anderen zu helfen und ihnen etwas gutes zu tun. Vor allem die unschuldigen Seelen haben es verdient.
Diese ganzen Wünsche schwirren mir auf einmal kreuz und quer in meinem Kopf umher, sodass ich mich garnicht auf einen einzelnen konzentrieren kann. So sehr ich es auch möchte und viel selbstloser denken will, kann ich es nicht. Es sind zu viele Empfindungen, die mir durch den Kopf gehen, welche mit unserem Aufenthalt in Spanien zutun haben.
Ich will einfach nur, dass sich alles zum Guten wendet.
Diesen Wunsch flüstere ich so leise vor mich her, dass niemand ihn verstehen kann, damit er auch in Erfüllung geht. Ein Blick nach rechts zeigt mit, dass Jack noch auf den Stein starrt, welchen ich in den Brunnen geworfen habe und welcher nun auf dem Grund liegt. Vielleicht wünscht er sich auch etwas. Vielleicht schwirren gerade tausende Gedanken durch seinen Kopf. Ich weiß es nicht. Man kann nie zu hundert Prozent wissen, was in den Köpfen anderer Personen vor sich geht. Aber das ist auch gut so. Manche Dinge sind so privat, dass sie niemals jemand zu erfahren braucht. Deshalb sollte man andere Menschen auch nie dazu zwingen, all ihre Gedanken und Empfindungen preiszugeben.
Viele wünschen sich zwar, alles über eine Person zu wissen, doch nur man selbst kann entscheiden, wie viel man über sich erzählt. Manchmal ist das schwer zu akzeptieren, oder auch verletzend, doch Druck auf eine andere Person auszuüben ist für diese genauso belastend. Oftmals möchte man der Person einfach nur helfen und sie besser verstehen können, aber man kann nunmal nicht immer die höchsten Erwartungen haben. Manchmal erfordert es Geduld, manchmal Akzeptanz. Jeder Mensch ist individuell und daran wird sich nie etwas ändern. Doch das sollte sich auch nicht ändern, immerhin wäre es langweilig, wenn jeder Mensch gleich ist. Jeder Mensch ist einzigartig.
„Lass uns noch etwas die Stadt erkunden." Ich werde aus meinen Gedanken gerissen und blinzle drei mal um wieder vollkommen bei Bewusstsein zu sein. Nach und nach verarbeite und realisiere ich, was Jack zu mir gesagt hat, bis ich einmal zustimmend nicke und wir uns gemeinsam auf den Weg machen.
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Verloren in Spanien
RomanceWie jedes Jahr befindet sich Leona auf einem Ball, organisiert für sämtliche Mafias aus allen Ländern. Womit sie nicht gerechnet hätte ist, dass dieser Angegriffen wird und sie auch noch zum Opfer wird. Noch weniger rechnet sie damit, von New York n...