Kapitel 11

203 11 0
                                    

!TW: Tod, Verlust eines geliebten Menschen!

Jack

„Was bereust du am meisten in deinem Leben?" Als Leona mich das fragt, versteinere ich mich sofort.

Ohne einmal darüber nachzudenken, schießt mir der schlimmste Tag meines Lebens in den Kopf. Das schlimmste was ich jemals getan habe. Die Sache, die ich am meisten bereue, je in meinem Leben getan zu haben.

Vor meinem geistigen Auge taucht sofort das ganze Blut auf. Der Schrei liegt mir direkt in den Ohren. Das Szenario, wie er auf den Boden gesackt ist, spielt sich wieder in meinem Kopf ab.

Den Anblick seines leblosen Körpers werde ich nie vergessen. Den Anblick meines toten Großvaters. Der damals liebste Mensch in meinem Leben. Und ich bin schuld an seinem Tod.

Leonas stimme, welche meinen Namen sagt, dringt nur gedämpft zu mir durch. Ich nehme sie nicht richtig wahr.

Alles woran ich denken kann, ist mein toter Großvater, welchen ich erschossen und umgebracht habe.

„Jack!" Ich muss dreimal blinzeln, um in die Realität zurückzukehren. Es hat sich angefühlt, als wäre ich wieder an den Tag des Geschehens zurückgekehrt. Dabei ist es Jahre her.

„Ist alles in Ordnung?", fragt Leona fürsorglich. Ich kann Sorge in ihren Augen erkennen. Sie sollte nicht so nett zu mir sein. Wir sind immer noch Feinde. Doch ich kann nicht daran denken, als ich meinen Kopf schüttele.

Es ist nichts inordnung und das Zeige ich ihr. Ich weiß selber nicht warum. Wir sind Feinde und kennen uns kaum. Doch ich habe in den letzten Tagen angefangen sie zu mögen und mich bei ihr wohl zu fühlen.

Also fange ich an, ihr die Geschichte zu erzählen. Sogar unaufgefordert. Ich denke ich kann ihr vertrauen. Das hat sie mir eigentlich schon gezeigt, als sie mich von den Handschellen befreit hat. Sie ist ein guter Mensch und würde mich nicht verletzen wollen, nichtmal obwohl wir Feinde sind.

„Damals, als ich acht Jahre alt war, war ich zu Besuch bei meinem Großvater.", beginne ich. Leona hört mir aufmerksam zu. Die Sonne ist mittlerweile untergegangen und ich schaue hinauf in den
Sternenhimmel.

„Wir waren alleine bei ihm zuhause. Er wollte nur schnell etwas Einkaufen gehen, um uns Pancakes machen zu können. Besser gesagt mir, denn ich wollte unbedingt welche. Also konnte ich ihn überreden mir welche zu machen. Er wollte mir nie einen Wunsch abschlagen.", erzähle ich weiter. Bei dieser Erinnerung rollt mir eine Träne über die Wange.

„Ungefähr fünf Minuten, nachdem er gegangen war, ist jemand in das Haus hereingekommen. Ich habe mich zuerst gewundert, weil ich wusste, dass mein Großvater noch nicht zurück sein konnte. Als ich nachschauen wollte, habe ich nur einen maskierten Mann gesehen, welcher etwas gesucht hat." Bis heute habe ich keine Ahnung was er gesucht hat.

„Weil er mich nicht bemerkt hat, bin ich schnell nach oben in das Schlafzimmer meiner Großeltern gerannt. Dort habe ich mir die Waffe genommen, welche immer versteckt in der Kommode lag." Meine Großeltern hatten nie etwas mit der Mafia zutun, aber besaßen immer eine Waffe zur Sicherheit.

„Mit der Waffe in der Hand habe ich mich in die Ecke des Zimmers gesetzt. Kurze Zeit später ist die Tür aufgegangen. Ich rechnete mit dem Maskierten Mann, aber es war mein Großvater." Tief muss ich durchatmen.

„Ich habe es aber zu spät bemerkt und aus Reflex auf ihn geschossen. Direkt in sein Herz." Meine Stimme bricht zum Ende hin.

„Er ist kurze Zeit später gestorben. Ich habe noch den Krankenwagen gerufen, aber es war zu spät." Weine ich.

Ich kann mich noch erinnern, wie ich weinend zu ihm gerannt bin. Wie ich mich tausend mal entschuldigt und Opa gerufen habe. Und wie ich mich auf ihn drauf gelegt habe, um ihn zu umarmen.

Das schlimmste daran war, dass ich gespürt habe, wie sein Brustkorb aufgehört hat sich zu bewegen, als er aufgehört hat zu atmen. Er hat es nicht mal mehr geschafft letzte Worte von sich zu geben, dazu hat ihm die Kraft gefehlt.

Wortlos nimmt Leona mich in den Arm, als ich immer stärker anfange zu weinen. „Es tut mir so leid." Mir auch. Mir tut es auch leid, dass ich sowas getan habe.

„Du warst noch ein kleines Kind, du wolltest dich nur verteidigen. Ich weiß das macht es nicht besser, aber du warst zu jung, um zu wissen, was du tun solltest."

Ja, ich war jung. Aber ich hätte nicht direkt schießen sollen. Er ist grundlos wegen mir gestorben. Es war damals schon das schlimmste Gefühl für mich das zu wissen, und das ist es auch noch heute.

Nach so vielen Jahren bin ich immer noch nicht darüber hinweg und das werde ich auch nie sein. Ich habe ihn viel zu sehr geliebt, um es jemals vergessen zu können.

An diesem Tag habe ich das erste mal einen Menschen getötet und dazu auch noch den wichtigsten in meinem Leben. Jedesmal, wenn ich daran denke, verfluche ich mich selber. Wie konnte ich nur? Das hätte niemals passieren dürfen. Ich hätte besser nachdenken sollen.

Jedesmal wünsche ich mir, ich wäre an seiner Stelle gestorben. Ich hätte es mehr verdient. Er nicht. Niemals hätte er das verdient. Er war der liebste Mensch den ich kannte. Und ich weiß, dass er nichtmal wütend auf mich wäre. Er würde mich immer noch so sehr lieben wie früher.

Ich kann mich noch an die verweinten Gesichter meiner Großmutter und Mutter erinnern. Sie waren am Boden zerstört. Trotzdem konnten sie mich verstehen und waren nicht wütend. Sie meinten auch immer, dass ich viel zu jung war.

Ich bin ihnen wirklich dankbar dafür. Aber das wird niemals etwas an meinem schlechten Gewissen ändern. Daran wird nie jemand etwas ändern können.

Auch Leona bin ich dankbar. Sie hält mich immer noch in ihren Armen. Kein einziges Mal hat sie mich verurteilt für das was ich getan habe, oder ausgelacht weil ich weine.

Sie versucht wirklich mich zu trösten. Es war kein Fehler, es ihr zu erzählen. Aber das wusste ich von Anfang an.

So verweile ich in den Armen meiner Feindin, wo ich mich so wohl fühle, wie ich es schon lange nicht mehr getan habe.

Verloren in SpanienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt