Kapitel 23

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Jack

Durch ein hohes Gekreische werde ich aus meinem friedlichen Schlaf geweckt und öffne die Augen, wobei mich direkt die hochstehende Sonne blendet. Als ich realisiere, dass es ein Schrei war, setzte ich mich direkt auf der Strandliege auf und scanne meine Umgebung ab.

Da Leona und ich für diese Nacht keine Unterkunft hatten, haben wir auf den Strandliegen übernachtet. Nicht die beste Idee, allerdings hatten wir keine andere Wahl. Dafür darf ich jetzt Rückenschmerzen zu spüren bekommen.

Mein Blick gleitet nach links neben mich auf die Liege, auf welcher Leona sich langsam aufsetzt und über die Augen reibt. Zum Glück kam der Schrei nicht von ihr, aber von wem dann?

„Ich will aber ein Eis!", schreit eine kindliche schrille Stimme. Meiner und Leonas Blicks geht nach recht, woher diese nervige Stimme kam.

Dort steht ein kleines, ungefähr fünf Jahre altes Mädchen und guckt böse eine blonde Frau an. Diese ist schätzungsweise etwas älter als Leona und ich und mit hoher Wahrscheinlichkeit die Mutter des Kindes. Abgesehen von den blonden Haaren, welche beide haben, haben sie auch ähnliche Gesichtszüge.

Trotzig verschränkt das kleine Kind die Arme vor ihrem Körper und stampft zur Krönung noch mit ihren Fuß auf den Boden. Was die Frau vor ihr sagt, kann ich nicht verstehen, doch sie bleibt relativ ruhig.

Irgendwie bewundernswert. Wenn mein Kind mich so anschreien würde, könnte ich wahrscheinlich niemals so ruhig bleiben. Kleine Kinder können manchmal unfassbar anstrengend sein und dieses Mädchen scheint eines von diesen zu sein. Und das wegen einem Eis.

„EIS!" Es tut schon fast in den Ohren weh und kurz überlege ich einfach zurück zu schreien, wende mich dann aber lieber an die Frau neben mir. Diese schüttelt nur belustigt ihren Kopf. „Kinder.", murmelt sie leise vor sich hin, wobei mein Blick auf ihren Lippen landet.

Sofort muss ich an gestern Abend denken. An den Kuss. Was uns dazu geritten hat weiß ich nicht so ganz, aber es war ein wunderschöner Kuss. Niemals hätte ich gedacht, dass es dazu kommt, doch bereuen tue ich es keineswegs. Ich denke ich würde es sogar gerne wiederholen.

„Was denkst du wie spät es ist?", reißt mich ihre Stimme aus meinen Gedanken, sodass ich meinen Blick einmal um mich herumwandern lasse. Der Strand füllt sich nach und nach mit mehr Menschen.

Einmal zucke ich mit meinen Schultern. „Vielleicht so elf Uhr.", schätze ich, habe jedoch absolut keine Ahnung. Mein Zeitgefühl ist seit wir in Spanien sind sowieso komplett für die Tonne. Aber immerhin gibt es noch die Sonne, welche wenigstens ein bisschen bei der Zeiteinschätzung hilft.

„Guck mal in deinem Rucksack nach, ob vielleicht etwas geklaut wurde.", weist mich der Rotschopf an. „Weil es bei uns ja auch etwas zu stehlen gibt.", kommt es mir leicht spöttisch über die Lippen. Böse ist das natürlich nicht gemeint, es nervt mich nur, dass wir gefühlt nichts besitzen.

Aber Leona hat recht damit, dass wir nachschauen sollten. Also öffne ich den Reißverschluss meines Rucksackes, genauso wie sie und durchwühle alle meine Sachen. Nachdem ich festgestellt habe, dass nichts von meinen Sachen fehlt, schließe ich den Rucksack wieder.

„Wir haben wirklich Glück gehabt, dass uns nichts passiert ist. An einem öffentlichen Strand zu schlafen sollten wir vielleicht nicht wiederholen." Heute Morgen scheint Leona ja richtig gesprächig drauf zu sein, dabei sind wir gerade mal vor ein paar Minuten aufgewacht. Aus diesem Grund stimme ich ihr auch nur knapp zu, denn bei mir ist die Müdigkeit noch nicht komplett verschwunden.

Offensichtlich hat sie nicht vor den Kuss von letzter Nacht anzusprechen und verhält sich ganz normal, sowie sonst auch immer. Ehrlich gesagt ist mir das nur allzu recht, denn ich möchte auch nicht darüber reden.

Nicht weil ich es bereue oder vergessen möchte, keineswegs. Ich will auch nicht so tun als wäre er niemals geschehen. Aber unangenehm möchte ich die Situation für uns beide auch nicht machen. Wir sollten so weiter machen wie zuvor auch, denn das ist denke ich das beste für uns beide. Und wenn es dann nochmal zu einem Kuss oder sonstigem kommen sollte, dann ist das so.

Außerdem wüsste ich auch garnicht was wir über den Kuss zu besprechen hätten. Denn eine Beziehung möchte ich momentan nicht mit ihr eingehen. Schließlich kennen wir uns kaum. Abgesehen von der Highschool wo wir nie wirklich miteinander gesprochen haben, verbringen wir gerade mal ein paar Tage miteinander.

Zwar haben wir diese Tage ununterbrochen zusammen verbracht, doch Gefühle welche stark genug für eine Beziehung sind, können nicht so schnell entstehen. Das ist jedenfalls meine Meinung und Empfindung.

Meine Gefühle kann ich noch nicht ganz einordnen, weshalb ich nichts zu dem Kuss zu sagen hätte. Ich möchte Leona immerhin auch nicht unnötig verletzen.

Eine Reise zurück nachhause ist gerade sowieso nicht in Sicht. In der Zeit, die wir noch miteinander verbringen müssen, kann viel passieren. Und irgendwann werde ich zu einem Entschluss kommen. Leona hoffentlich genauso, denn ich wette ihr geht es ähnlich.

Durch einen schnipsenden Finger vor meinem Gesicht, werde ich aus meinen Gedanken gerissen und zurück in die Realität geholt.

In die Realität wo Leona mich verwirrt und fragend zugleich ansieht. „Ist alles in Ordnung? Woran hast du gedacht? Du warst voll weg. Ich dachte schon, dass du-" „Ja, alles bestens.", schneide ich ihr hastig das Wort ab. Jetzt schaut sie nur noch verwirrter und zieht die Augenbrauen immer weiter zusammen.

„Ich habe nur darüber nachgedacht äh.." Überlegend kratze ich mich am Kopf, ahnungslos was ich sagen soll. Von meinen Gedanken muss sie keinen Wind bekommen, da ist es mir lieber sie anzulügen. „Darüber nachgedacht wo wir uns jetzt frisch machen können.", Lüge ich. Obwohl das wirklich eine wichtige Frage ist.

Mit ihrem Zeigefinger deutet Leona zu einer etwas weiter entfernten Stelle, wo ein kleines mit Graffiti besprühtes Häuschen steht. „Dort sind Strandtoiletten.", antwortet sie mir skeptisch und analysiert meine Gesichtszüge.

„Ist sicher alles okay?" Mein Veralten gerade war vielleicht etwas komisch, aber deshalb muss sie doch jetzt nicht so übertreiben.

„Ja. Das habe ich doch gerade gesagt.", entfährt es mir etwas schroffer als beabsichtigt, weshalb ich direkt ein „sorry" hinterher schiebe.

Meinen Ausrutscher nimmt sie mir glücklicherweise nicht übel, sondern lächelt mich nun leicht an. „Schon gut. Ich würde sagen wir treffen uns, wenn wir fertig sind, beim Strandeingang." Damit ist das Thema auch beendet.

Verloren in SpanienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt