Kapitel 21

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Leona

Nach Luft schnappend wache ich aus meinem Schlaf auf und setze mich Kerzengerade hin.

Wie automatisch legt sich meine rechte Hand auf mein Herz, wo ich es förmlich rasen spüren kann.

Die Realisation trifft mich mit einem Schlag. Es war nur ein Traum. Antonio hat uns nicht gefunden, er war nie hier. Ich wurde nicht gefangen. Aber es hat sie so real angefühlt. Wie kann sich ein Traum so anfühlen, als würde man ihn wirklich erleben?

Mein Blick gleitet nach rechts, wo ich genau neben mir, Jack friedlich schlafen sehen kann. Ich habe ihn nicht aufgeweckt.

War es vielleicht ein Zeichen, dass ich dies geträumt habe? Sollten wir so schnell wie möglich verschwinden, bevor es zu spät ist?

Nein. Das war sicher nur meine Angst, welche für diesen Traum gesorgt hat. Wir sind hier sicher. Wie sollten sie uns hier, inmitten auf einem Bauernhof finden? Welche Spur sollte schon hierher führen?

Mit einem beruhigten Herzschlag lege ich mich wieder hin und versuche einzuschlafen. Ein paar mal wälze ich mich im Bett hin und her, in der Hoffnung nicht meinen Nebenmann zu wecken, bis ich in einen diesmal friedlichen Schlaf falle.

Durch ein Klopfen werde ich am Morgen geweckt und öffne träge meine Augen. Mein Blick gleitet zur Tür, wo Julia ihren Kopf hindurchgesteckt hat und sanft lächelt.

„Guten Morgen. Ich wollte Bescheid geben, dass das Frühstück in einer Viertelstunde fertig ist." Mit einem leichten Lächeln und Nicken bedanke ich mich bei ihr, woraufhin sie wieder verschwindet.

Kurz Gähne und Strecke ich mich, ehe ich meinen Kopf zu dem Mann neben mir drehe. Ich bewundere seinen festen Schlaf. Letzte Nacht ist er nicht wach geworden, so wie jetzt, obwohl direkt neben ihm eine Unterhaltung geführt wurde.

Wenn er schläft sieht er so friedlich aus. Eine seiner blonden Wellen hängt ihm in sein Gesicht und sein Mund ist ganz leicht geöffnet.

Sanft rüttle ich an seiner Schulter, bis er mit halbgeöffneten Lidern zu mir hinaufschaut. „In einer Viertelstunde müssen wir Frühstücken gehen.", informiere ich ihn. Seinerseits kommt nur ein Brummen, aber er ist wach, was heißt, dass ich mich fertig machen kann.

Also laufe ich mit ein paar Sachen in das Badezimmer, welches nebenan ist und schließe die Tür ab.

Zuerst entledige ich mich meiner Kleidung und gehe duschen. Das warme Wasser prasselt angenehm auf meine Haut, aber als mir mein Traum von letzter Nacht in den Sinn kommt, durchfährt mich direkt ein kalter Schauer.

Es hat sich so real angefühlt, das habe ich noch nie erlebt. In der Vergangenheit hatte ich zwar manchmal Träume, welche ich am nächsten Tag nicht ganz von der Realität unterscheiden konnte, aber der letzte Nacht war ganz anders. Als hätte ich ihn wirklich erlebt.

Doch das Schlimme an dem Traum ist, dass es wirklich hätte passieren können. Er hätte wirklich echt sein können. Es hätte nicht nur ein Traum sein müssen.

Kopfschüttelnd trete ich aus der Dusche und wickle ein Handtuch um mich. Juan und Julia meinten Ausdrücklich, dass wir uns wie zuhause fühlen sollen und alles benutzen dürfen.

Vor dem Spiegel stehend wische ich einmal über ihn, da er beschlagen ist und beginne anschließend meine Zähne zu putzen. Danach ziehe ich noch meine Kleidung an, welche aus einer normalen Jeansshorts und einem weißen Top besteht. Zuletzt kämme ich meine Haare und schließe die Tür wieder auf.

Aus dem Zimmer tretend sehe ich Jack, angelehnt an die Wand, neben der Tür stehen. Wortlos laufe ich an ihm vorbei und bringe meine Sachen zurück in das Gästezimmer.

Ohne Jack laufe ich die hölzerne Treppe hinunter und halte Ausschau nach den Besitzern oder einem gedeckten Tisch. Da ich mich in diesem Haus nicht auskenne, folge ich dem Geruch nach Essen. In der Küche stoße ich auf Julia, welche irgendwas am Herd macht.

Wie immer lächelnd, dreht sie sich mit einem Pfannenwender in der Hand, zu mir um. „Du kannst dich nach draußen setzen, dorthin wo wir auch gestern gegessen haben." „Okay, danke."

Juan sitzt mit einer Zeitung in der einen Hand und einer Tasse in der anderen Hand, auf dem selben Stuhl wie gestern, am gedeckten Tisch und scheint vertieft in die Zeilen. Auch ich setzte mich auf den selben Platz wie gestern, was ihn dazu bringt über den Rand der Zeitung zu mir zuschauen.

„Guten Morgen liebe Leona, hast du gut geschlafen." „Fabelhaft, und sie?", Lüge ich. Diese Frage ist sicherlich sowieso nicht ernst gemeint, sondern eine reine Höflichkeit, weshalb ich ihm nichts von meiner schlechten Nacht erzählen werde. „Auch, danke der Nachfrage." Sollte er ebenfalls eine schlechte Nacht gehabt haben, würde er es mir ebenfalls nie erzählen. Warum sollte er auch? Wir kennen uns nicht, sondern sind Fremde.

Viel zu oft Fragen Menschen solche Fragen aus reiner Höflichkeit, ohne einen Funken Ernsthaftigkeit dahinter. Wie oft ich schon die Frage ‚Wie geht es dir?' gestellt bekommen habe, von einer Fremden Person, welche es garnicht interessiert. Dies ist auch der Grund weshalb alle dabei lügen und niemals erzählen würden, wie es ihnen in Wirklichkeit geht. Und jeder weiß das.

Mit einem Teller voll Omeletts und einem anderen voll mit Pancakes stößt Julia zu uns, gefolgt von Jack mit einer Packung Saft und einer Kanne Kaffee. Auf dem Tisch stellen sie es ab und nehmen Platz auf den übrigen Stühlen.

Als alle Sitzen nehme ich mir einen der Pancakes auf meinen Teller, da ich süßes zum Frühstück lieber mag als Herzhaftes. Jack hingegen nimmt sich eines der Omeletts.

„Was habt ihr nun vor? Wisst ihr schon wie ihr den Weg zurück findet?" Stimmt, wir hatten ja erzählt gehabt, dass wir uns verlaufen haben.

Planlos schauen Jack und ich uns an. Das Ehepaar lacht leicht auf. „Wenn ihr möchtet könnt ihr auch noch eine Nacht bleiben.", bieten sie uns an.

„Vielen Dank, das ist wirklich nett, aber wir werden schon einen Weg finden. Sie haben schon zu viel für uns getan, dass ich garnicht weiß, wie wir ihnen das zurück geben sollen." So nett das Angebot und die beiden sind, und so gerne ich hier bin, würde es uns nicht weiterbringen weiterhin hier zu bleiben. So finden wir nie zurück nachhause.

Gleichzeitig machen sie eine abwinkende Handbewegung. „Garnicht, das haben wir gerne gemacht. Aber schickt uns doch gerne mal eine Postkarte, wir geben euch unsere Adresse." „Ja das wäre wundervoll.", stimmt Juan seiner Ehefrau zu. „Natürlich.", antwortet Jack mit einem ehrlichen Lächeln. Ich nicke zustimmend.

Sobald ich wieder zuhause bin, werde ich mir etwas einfallen lassen, um ihnen etwas zurückzugeben. Ich bin wirklich unendlich dankbar, dass sie uns so liebevoll aufgenommen haben. Wir durften hier übernachten und essen, ohne auch nur einen Finger rühren zu müssen. Die beiden sind wirklich Herzensgute Menschen.

Später verabschieden wir uns von ihnen. Natürlich nicht ohne uns noch mehrmals bedankt zu haben.

„Dann wünschen wir euch noch eine schöne Reise." Mit einem letzten Winker verlassen Jack und ich den schönen Bauernhof.

Ich bin mir sicher, wir haben noch eine ereignisreiche Reise vor uns.

Verloren in SpanienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt