Kapitel 16

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Jack

Perplex schaue ich Leona an. Mit dieser Antwort habe ich nicht gerechnet. Ich weiß nicht was ich erwartet habe, aber das auf keinen Fall.

Sie sieht mich im Moment nicht als ihren Feind.

Aber genau das sind wir doch. Wir sind Feinde.

Irgendwie hat sich diese Tatsache aber auch geändert.

Verübeln kann ich es ihr keineswegs. Ich bin die einzige Person, welche sie im Moment hat. Sie hatte die Wahl auf sich allein gestellt zu sein, oder mit mir zusammen diese Situation zu bewältigen. Und in dem Moment, wo sie mich von den Handschellen befreit hat, hat sie sich für mich entscheiden.

Genau das selbe habe ich auch getan. Ich habe mich dazu entschieden, mit ihr zusammen, quer durch dieses Land zu reisen.

Man kann uns eigentlich nicht mehr als Feinde bezeichnen. Jedenfalls nicht, solange wir zusammen in Spanien feststecken. Was danach ist, können wir nicht wissen.

Doch in diesem Moment, im hier und jetzt, teile ich Ihre Meinung. Beziehungsweise versuche ich es.

Ich sehe sie Momentan nicht als Feindin an. Doch den Gedanken, dass sie es ist, kann ich nicht verdrängen. Er schleicht immer in den Hintergrund meiner Gedanken, während sie anscheinend viel leichter drüber hinweg sehen kann.

Diese ganzen Gedanken gehen mir durch den Kopf, doch mir fällt keine einzige Antwort ein, welche ich Leona geben könnte. Leona bemerkt meine Ahnungslosigkeit. „Du musst nichts dazu sagen.", lächelt sie und beißt einmal von ihrem Toast ab. Damit scheint unsere Unterhaltung beendet zu sein und wir essen in schweigen unser Frühstück.

Nachdem wir damit fertig waren, war Leona so nett und hat all das benutze Geschirr abgewaschen. Warum kann ich mir nicht erklären. Sie meinte es wäre unhöflich es nicht zu tun und es dreckig zu hinterlassen.

Spätestens wenn die Besitzer dieses Gartens in die Schränke gucken, würden sie doch bemerken, dass hier eingebrochen wurde. Wir haben uns so gut wie alles an Essen eingesteckt. Auch haben wir ein paar andere Sachen aus diesem Häuschen mitgehen lassen, welche wir gut gebrauchen können.

Mühevoll konnte ich Leona noch davon abhalten einen Brief an die Bewohner zu schreiben. Einen Brief, wo sie sich darüber entschuldigt, dass wir hier waren.

Auch jetzt kann ich nur den Kopf darüber schütteln. Ich kann einfach nicht glauben, dass sie aus einer Mafia Familie kommt und dann solche Nettigkeiten erledigt. Ich bin mir sicher, so etwas wurde ihr nicht als Kind beigebracht. Wovon sie diese Charaktereigenschaft hat, kann ich mir also beim besten Willen nicht erklären.

Warum das Tor gestern offen stand, kann weder ich noch Leona erklären. Es macht keinen Sinn, denn anscheinend war die letzten Tage oder Wochen keiner hier. Hauptsache die Polizei kommt uns nicht auf die Spur, der Rest ist mir egal.

Gemeinsam machen wir uns auf den Weg nach draußen und laufen durch das Holztor. Ich lasse Leona den Vortritt und laufen dann ebenfalls hindurch. Das Tor lasse ich offen, immerhin war es das vorher auch schon.

Zusammen laufen wir irgendeinen Weg entlang, ohne zu wissen, wohin wir eigentlich laufen. So wie wir es die letzten Tage auch immer gemacht haben. Wir wüssten schließlich auch nicht, wohin wir überhaupt sollten.

Nach keine Ahnung wie langer Zeit kommen wir in einem Park an.

Das ist etwas, was mich seit dem wir hier sind ankotzt. Wir wissen nie welche Uhrzeit es ist. Mein Zeitgefühl habe ich komplett verloren. Ich weiß nichtmal welchen Tag wir haben. Leona genau so wenig.

Da es uns nichts bringt in diesem Park gelandet zu sein, laufen wir einfach weiter.

Vorbei an den ganzen Blockhäusern.

Irgendwann vorbei an Einfamilienhäusern.

Dann an einer Straße entlanglaufend.

Nur um wieder in ein Dorf zu gelangen.

Verzweiflung. Das ist das einzige Wort, welches mich gerade beschreibt. Ich weiß einfach nicht mehr weiter.

Wir sind Verloren in Spanien.

Was sollen wir in diesem Dorf? Was sollen wir überhaupt machen? Jeden Tag ist es die gleiche Frage, welche mir durch den Kopf schwirrt und nie finde ich eine Antwort darauf.

Es fühlt sich von Tag zu Tag schlimmer an hier zu sein.

Das einzige was mir noch Hoffnung gibt ist Leona, die trotz allem irgendwie positiv bleibt.

„Ein Bauernhof!", ruft Leona Freudig aus. Ich drehe meinen Kopf zu ihr und mit dem breitesten Lächeln auf dem Gesicht, welches ich jemals gesehen habe, zeigt sie mit dem Finger auf den sogenannten Bauernhof.

Einerseits frage ich mich, wie sie so glücklich sein kann. Andererseits erfreut es mich auch, denn das ist das einzige was mich gerade irgendwie vom durchdrehen abhält.

Schneller als ich gucken kann, greift sie nach meinem Arm, um mich zu diesem Bauernhof zu ziehen. „Hast du denn noch nie Tiere gesehen oder warum freust du dich so sehr?"

„Falls du es wissen willst, ich war noch nie auf einem Bauernhof." Ich auch nicht, aber bis jetzt hatte ich auch noch keine Interesse daran.

Durch das riesige Tor zieht sie mich hindurch und schon stehen wir auf dem riesigen Grundstück. Es wimmelt nur so von Schweinen, Pferden, Kühen und wahrscheinlich noch viel mehr Tieren.

„HALLO!", schreit Leona schon nach irgendeiner Person. Zurückzuckend schaue ich zu ihr und sehe wie sie die Hände um ihren Mund hält. Ich wusste nicht, dass sie so laut schreien kann, aber ich habe schon Angst um meine Ohren.

Ein ungefähr fünfzig jähriger Mann, mit Latzhose, Shirt und Gummistiefeln, kommt gut gelaunt und winkend auf uns zu. Natürlich winkt Leona zurück. Manchmal kann sie wirklich wie ein Kind sein.

„Hola. Qué puedo hacer por vosotros?" Fragend schauen Leona und ich ihn an. Natürlich spricht er Spanisch, wir sind immerhin in Spanien.

„Englisch?", frage ich ihn also, simpel und einfach.

„Ja, ja natürlich. Was kann ich für euch tun?", fragt er diesmal auf englisch.

Leona kommt mir zuvor. „Wir würden uns gerne den Bauernhof und die Tiere ansehen, wenn wir dürfen.", spricht sie in einen fragenden Ton. Mit wir meint sie wohl sich selber, aber da wir eh keine Ahnung haben wohin mit uns, möchte ich ihr nicht widersprechen.

„Es wäre mir eine Freude euch hier alles zu zeigen. Kommt weiter rein." Mit einer einladenden Geste, signalisiert er uns weiterzulaufen.

Leona klatscht dreimal freudig in ihre Hände, springt einmal auf und ab, und läuft direkt dem Mann hinterher.

Verloren in SpanienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt