chapter 21

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Jᴇssɪᴄᴀ

Ich war absolut froh, als Hope mir anbot nach Hause zu fahren. Nun lag ich in meinem Bett, immer noch heulend und kein Stück besser - aber wenigstens sah mich keiner, außer Hope, welche mir beruhigend über die Haare strich.

Raphael war nicht anzufinden. Mom war unten und Dad sollte bald kommen. Sie hatte nicht mal nachgefragt, was passiert war. Sie hatte mich lediglich angeschaut und den Weg freigemacht. Doch das war mir Recht.

»Es tut so verdammt weh...«, hauchte ich, während ich mich verschluckte. »Ich weiß, ich weiß«, murmelte Hope. Ich schluchzte erneut auf.

»Er war betrunken«, flüsterte Hope, um mich aufzuheitern. Ich schluchzte nur erneut auf. »Selbst wenn er das war, es war falsch von ihm und es tut weh. Wir standen uns so ein bisschen nah und jetzt küsst er jemanden anderes. Ich mein es ist seine Entscheidung aber-« Sie unterbrach mich. »Aber es tut trotzdem weh.« Ich winselte zustimmend.

Hope zückte ihr Handy aus und nahm meins, welches auf meinem Nachttisch lag. Ich sah sie verwirrt an, doch entsperrte es für sie. Dann tippte sie ihre Nummer ein. Sie speicherte sich selber mit 'Hope:)' ein.

»So, jetzt weiß ich genau wie es dir geht. Schreibe mir immer mal wieder, okay? Du bist eine tolle Person.« »Danke«, hauchte ich und zog sie in eine tiefe Umarmung. Wie hatte ich so einen Menschen verdient?

Sie sah auf die Uhr und verzog ein trauriges Gesicht. »Ich muss leider nach Hause gehen. Meine Mutter wartet bestimmt schon auf mich. Es ist schon spät und-« Ich unterbrach sie schnell. »Schon gut. Komm gut nach Hause.«

Schüchtern lächelte sie mich an, umarmte mich erneut und verabschiedete sich von mir. Ich sah sie noch die Straße nach draußen laufen, als ich mich abwand und die Tränen wegstrich.

Ich bin stark und weine jetzt nicht mehr. Definitiv nicht...

. . .

Keine halbe Stunde später hörte ich ein Auto in die Einfahrt gefahren. Ich sah nach außen und bemerkte, dass es mein Dad war.

Eigentlich sollte ich glücklich darüber zu sein, meinen Vater zu sehen. Aber das war ich gerade gar nicht. Ich wusste was in ein paar Minuten passieren würde. Und ich hatte keine Nerven gerade dafür.

Meine Tränen waren schon getrocknet und beruhigt hatte ich mich auch ein bisschen. Der Schmerz in meiner Brust senkte sich aber nicht.

Wenn man vom Teufel spricht, dachte ich, als die Haustür aufging und das Gezanke losging. »Du bist spät!«, knurrte meine Mutter und mein Vater seufzte nur genervt. »Ich habe Geld verdient, was du nicht von dir behaupten kannst.« Sie zischte empört auf. »Wie bitte?!«

»Ja was denn, ist doch so. Während ich mir den Arsch abarbeite, sitzt du zuhause im Bett und schläfst deinen Rausch aus. Was machst du bitte großartiges den gesamten Tag? Nichts!« Die Stimmen wurden lauter.

»Was denkst du, weshalb ich meinen Rausch ausschlafen muss? Wegen dir! Weil du immer und immer wieder mir Sachen an den Kopf wirfst, welche mich verletzen und-«

»Du bist alkoholsüchtig.« Ich hielt gespannt die Luft an.

»Wie bitte?!«, quietschte meine Mutter empört los. »Alkoholsüchtig. Alkohol, für den ich bezahle.« Meine Mutter fing an loszuschreien. Sie brüllte einfach nur noch Schimpfwörter.

Genervt schloss ich meine Tür. Ich hatte wirklich keinen einzigen Nerv mehr für diesen Scheiß. Ich wollte einfach nur noch schlafen und mich nicht darauf konzentrieren, wie bergab mein Leben gerade ging. Doch schlafen konnte ich bei diesem Lärm kaum.

Ich versuchte es dennoch. Schnell schlüpfte ich unter meine Decke und kniff die Augen zusammen. Wie schon erwartet konnte ich kein Stück einschlafen.

In dem Moment beneidete ich Raphael. Obwohl ich ihn zurzeit so sehr hasste. Er musste gerade nicht die Sachen ertragen, welche unsere Eltern durchgingen. Er war gerade nicht da, um zuzuhören, wie sich unsere Eltern stritten.

Genervt brummte ich und legte mich auf die andere Seite.

Nach ein paar Minuten war das Gespräch schon vorbei. Ich hörte ein Auto wegrauschen und obwohl es mich entspannen lassen sollte, den Streit nicht mehr zu hören, tat es das nicht.

Meine Mutter war geradewegs auf dem Weg zu der Bar. Sich zu betrinken. Die Sorgen für einen Moment zu vergessen, um danach wieder nach Hause zu gehen um den Kater auszuschlafen.

»Alkoholsucht«, hallte es in meinem Kopf. War sie wirklich Alkoholsüchtig? Natürlich, sie betrank sich täglich, aber dass sie alkoholsüchtig sein könnte, kam mir noch nie in den Sinn.

Ich dachte immer, dass sie sich einfach nur betrinken würde, da sie von dem Streit Ablenkung brauchte. Aber was war, wenn sie auch sonst in die Bar ging? Einfach nur für das Gefühl. Nicht mal weil sie sich gestritten hatte.

Mir wurde schlecht. Ich bemerkte erst jetzt, wie fucked up meine Familie dann doch wirklich war. Wenn meine Eltern sich trennten, wäre es nicht besser. Meine Mutter würde weiterhin sich betrinken fahren und hätte bald nicht mehr genug Geld dafür.

Was dann? Vorallem, wo würde ich dann leben? Bei meinem Vater oder meiner Mutter?

Jemand musste sich ja um meine Mutter kümmern, wenn mein Vater nicht da war. Irgendjemand musste bei ihr bleiben und ihr helfen, wenn sie nicht mehr nach Hause fahren konnte.

Was, wenn sie in die Entzugsklinik eingewiesen wird? Was wenn...

Ich stoppte mich selber. Ich sollte nicht darüber nachdenken. Gerade war es noch nicht so weit und wer weiß, ob meine Mutter wirklich so alkoholsüchtig ist, wie mein Vater gesagt hatte.

Ich versuchte ein erneutes Mal in einen Schlaf zu verfallen und dieses Mal klappte es sogar.

. . .

Ich wurde geweckt von einem Aufprall und dann Klirren. Erschrocken setzte ich mich auf.

»Scheih- sse«, hörte ich meine Mutter lallen und stieß genervt die Luft aus. Meine Mutter war sturzbetrunken.

»Mmmm nja...«, murmelte meine Mutter weiter und ich hörte sie langsam die Treppen hochkommen. »Urghs!«, gurgelte sie dann und machte Würggeräusche. Na ganz toll. Jetzt kotzte sie den Flur voll.

Ich zwang mich selber auzustehen und nach draußen zu gehen, um ihr zu helfen. Schnell öffnete ich die Tür und marschierte zu meiner Mutter.

Sie sah fertig aus. Tiefe Augenringe, verschmierter Maskara, zerknittertes Shirt und verworrene Haare. Ich schüttelte enttäuscht den Kopf.

Plötzlich erbrach sie sich vor meinen Augen. Ich kniff ekeleregt die Augen zusammen. Der Gestank drang sofort zu mir und ich musste ebenfalls würgen.

»Komm mit, Mama«, flüsterte ich dann aber und packte sie an ihrem Arm, als sie mit erbrechen fertig war. Meine Mom sah mich nur stumpf an. Ich glaubte, sie wusste nicht mal, wer vor ihr stand.

Ich leitete sie ins Schlafzimmer und brachte sie ins Bett. Müde nahm ich dann einen Lappen und versuchte das Erbrochene aufzuwischen. Ich wollte einfach wieder ins Bett.

Es stinkte so bestialisch, sodass ich nach dem Aufwischen erst einmal alle Fenster öffnete, um durchzulüften. Dann fiel ich müde ins Bett und schlief ein.

bryanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt