chapter 30

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Jᴇssɪᴄᴀ

Schwer atmend lehnte ich meine Stirn gegen seine. Meine Augen betrachteten immer noch seine Lippen, ich kam immer noch nicht drauf klar, dass ich ihn gerade geküsst hatte.

Das zweite Mal auch schon. Gut, den ersten konnte man nicht als Kuss bezeichnen. Dieses Mal hatte ich jedoch mitgemacht. Es war das Beste, was ich je gefühlt hatte.

Meine Wangen färbten sich leicht rot und nun sah ich zu seinen Augen. Seine braunen Augen fielen auf meine und wir sahen uns einfach nur an. Ich könnte ihn Stunden anschauen. Seine Wimpern, seine Nase, seine Stirn, seine Lippen.

Mein Blick huschte von einem Auge zum anderen. Gerade als ich den Mund heben wollte um etwas zu sagen, legte er seinen Finger auf meinen Mund. »Shh.«

Er wollte ebenso wie ich den Moment nicht ruinieren. Es war zu schön. Mein Bauch kribbelte angenehm und dies zog sich bis zu meinen Zehenspitzen.

Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht, welches ich ebenfalls erwiderte.

Dann schob ich seine Hand weg und fing an zu sprechen. Doch er unterbrach mich. »Ich hätte das nicht tun sollen.«

Mein Herz zersprang in tausende Teile. Was meinte er? Hatte es ihm nicht gefallen? Ohne zu bemerken zogen sich meine Mundwinkel nach unten. Dies schien er jedoch zu bemerken.

»Nicht, dass es mir nicht gefällt hat. Es war wirklich wunderschön. Aber du warst wütend auf mich und ich verstehe wieso.« Er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. »Du bist wunderschön«, hauchte er und gab mir einen leichten Kuss auf die Stirn.

Meine Wangen nahmen einen leichten Rosaton an. »Ich glaube, es war das Beste, was du hättest anstellen können.« Meine Stimme war eher ein Flüstern.

Er zog eine Augenbraue hoch und sah mich schmunzelnd an. »Ach ja?« Beschämt vergrub ich meinen Kopf in seine Schulter.

»Mhm.«

»Ich bin froh, dass es dir ebenfalls gefallen hat.« Ich sah wieder auf. Sein Gesichtsausdruck war ehrlich. Er meinte das ganze ziemlich ernst. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer.

»Leute? Was macht ihr denn hier?«, hörte ich plötzlich die Stimme von Hope. Wie von einem Blitz geschlagen entfernte ich mich von Bryan, welcher mich enttäuscht musterte.

»Ich hatte mir nur ein Glas Wasser geholt«, meinte ich und bemerkte, dass meine Stimme immer noch etwas zittrig klang. »Und Bryan?« Ihr Blick wanderte zu Bryan.

»Ebenfalls. Ich wusste nicht einmal, dass Jess und du hier sein würden. Könntest du mir Mal erklären, wie du ohne meine Einverständnis Leute einlädst? In mein Haus?« Das mein betonte er extra scharf.

»Wo hätte ich sonst hingehen sollen? Zurück in die Ruinen?«, brummte Hope und stemmte ihre Hände in die Hüften.

»Warte mal, was? Ruinen?«, fragte ich verwirrt und sah zwischen den beiden hin und her. Hope zuckte nur leicht mit den Schultern. »Ich vermute Mal, dass wir ein bisschen dich aufklären müssen.« Dann zog sie mich an meiner Hand weg von Bryan, direkt an die Couch. Sie deutete mich zu setzen, was ich ebenfalls tat.

»Okaaay, wo fangen wir an?«, grinste sie und rieb sich die Hände. Ich zuckte nur mit den Schultern.

»Ich vermute mal von ganz vorne«, seufzte sie und begann zu erzählen.

»Okay, also wie du schon mitbekommen hast, sind Bryan und ich Halbgeschwister. Bryan wusste es bis vor kurzem auch nicht - erst als ich hier angekommen war, nachdem ich nach ihm gesucht hatte. Meine Mutter und ich lebten ziemlich weit weg von hier, die Stadt kennst du wahrscheinlich eh nicht, also nützt mir das nichts zu sagen. Ich wusste von seiner Existenz, er jedoch nichts von meiner. Trotzdem war ich hier her gekommen, ohne die Einverständnis meiner Mutter, um ihn zu finden. Unser Vater ist der gleiche. Ich dachte, ich würde ihn ebenfalls hier auffinden.« Sie warf einen vorsichtigen Blick zu Bryan, welcher nickte.

»Unser Vater ist im Gefängnis. Das habe ich aber erst bei meiner Ankunft hier mitbekommen. Wie auch immer, dadurch, dass ich niemanden hier hatte, musste ich in den Ruinen der Stadt schlafen. Es kam mir sicherer vor, als in einem Park zu schlafen.« Ihre Stimme klang niedergeschlagen.

»Bryan lernte ich erst auf der Party kennen. Auf der Party von Veronica. Ich wusste nicht, dass er es war. Das bekam ich erst später heraus. In der Schule setzte ich mich zu ihm und seinen Freunden an den Tisch. Ich bat ihn mit zu mir nach Hause zu fahren. Dabei hatte ich nicht mal ein Zuhause und wir sind einfach in den Park gefahren. Dort erzählte ich ihm alles, was ich dir gerade erzählt hatte.«

Sie nahm tief Luft, als hätte sie gerade einen Marathon hinter sich. Die Informationen schienen mein Gehirn nur zu überfluten und es ratterte einfach nur vor sich hin, um sich einen Sinn aus dem ganzen zu machen.

Ihr Vater war im Gefängnis? Was zum Teufel?! Ein kleiner Gedanke schlich sich ein, welcher hoffte, dass das gleiche mit meiner Mutter passierte. Dieser wurde jedoch von meinen Schuldgefühlen weggejagt.

»Naja, ich glaube das war so gut wie alles. Ich lebe jetzt bei Bryan für die Tage, seine Mutter ist auf Geschäftsreise oder so. Ich nutze somit ein gutes Bett mal aus«, grinste sie.

Ich fragte mich, wie Hope bei all dem noch so optimistisch war. Wenn ich in den Ruinen der Stadt schlafen müsste, und das alles bloß, da ich meinen Bruder und Vater finden wollte, wäre ich schon längst wieder abgehauen.

Kein Mensch brachte mich in den Teil der Stadt. Die Häuser waren eingestürzt, einzelne Parkhäuser standen leer dort, ebenfalls wie die Straßen, welche verlassen waren.

Die Fenster waren meistens durchgeschlagen, kalte Luft strömte nur in diese Räume. Nur wenige Flüchtlinge hatten sich dort abgesetzt. Die meisten waren irgendwo in der Innenstadt. Die Ruinen waren für jeden einen düsteren Ort.

»Und woher hast du das ganze Schulzeugs?«, fragte ich und konnte mir gleich eine Kopfnuss geben. Das war die dümmste Frage, die man hätte stellen können.

Hope lachte nur. »Ich hab natürlich Geld mitgebracht. Ich wurde immer Zuhause unterrichtet, somit musste ich mich auch nicht wirklich von einer Schule abmelden. In die Schule hatte ich mich jedoch angemeldet - keine Ahnung, wie ich dort durchgekommen bin.«

Ich lächelte nur schwach. Das waren alles zu viele Informationen, die mein Gehirn verarbeiten musste.

»Ich bin... überfordert«, murmelte ich ehrlich und hielt mir den Kopf fest. »Verständlich. Lass das erstmal alles durchsacken, dann reden wir nochmal. Ich mache mir jetzt aber einen schönen Kaffee.«

Sie stand lachend auf und ging in die Küche. Nun saß ich wieder nur noch mit Bryan auf der Couch.

Alleine. Mit Bryan.

bryanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt