chapter 35

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Bʀʏᴀɴ

Nachdem ich mich bei Jess verabschiedet hatte, was etwas schwerer war als gedacht, brummte ich mit dem Auto davon. Ich sah noch ihren verwirrten Blick hinter mir, als ich ihr den Kuss auf die Stirn gegeben hatte. Ich wusste nicht wieso ich es gemacht hatte, es hatte sich einfach richtig angefühlt.

Seufzend sah ich erneut nach vorne und fuhr langsam die Landstraße herunter. Was sollte ich nun tun? Wirklich Lust auf nach Hause hatte ich nicht.

Plötzlich kam mir eine Idee, wo ich hinfahren könnte. Ich drehte das Radio lauter und ignorierte meine nervös werdenden Hände.

Umso näher ich dem Gebäude kam, umso nervöser wurde ich. Mir wurde heiß und kalt, gleichzeitig bekann ich zu zittern und ich biss mir ab und zu ebenfalls auf die Lippen. Fuck, so krass war ich lange nicht mehr nervös gewesen.

Ich drehte den Lenker und der Wagen schlenkerte zum Parkplatz. Bedrückt sah ich den Betonkasten an, welcher mit hohen Drahtzäunen umgeben war. Das Gefängnis. Das Gefängnis, in dem mein Vater wohnte.

Ich sah sofort erneut auf den Boden und machte mich auf zur Rezeption.

. . .

Ich lief durch einen weiteren Gang, welcher nun entgültig zu dem Sprechbereich kam. Hinter mir lief eine Wache, welche mich noch nervöser machte. Meine Hände umgriffen fast automatisch die Plastikpäckchen in meiner Jackentasche. Ich hatte vergessen, diese herauszunehmen. Würde jemand bemerken, dass ich diese dabei hätte...

Schluckend ließ ich meine Hände wieder nach draußen wandern. Dann bog ich zum letzten Mal ab. Hinter der Glaswand stand auch schon mein Vater. Er setzte sich auf einen der Stühle und ich tat es ihm nach, nur auf der anderen Seite der Wand.

Mein Dad sah anders aus. Seine Augen waren nicht mehr voller Glück gespült, sie sahen eher traurig und stumpf aus. Seine Falten zeigten sich nun noch deutlicher und die weißen Haare spreizten nur aus seinem Bart heraus.

Ich nahm den Hörer in die Hand, genauso wie er. Sein Mund zog sich zu einem breiten Lächeln.

»Hey, Dad.« Ich konnte nicht anders und meine Stimme brach ein bisschen.

»Hey, Bryan.« Seine Stimme brach ebenfalls ab.

»Ich hab dich vermisst, Dad. Ich habe dich so vermisst.« Meine Hände verkrampften und ich legte sie auf mein Schoß. Er sah mich mit traurigen Augen an.

»Ich dich auch. Ich glaube jeden Tag an euch, Bryan. Ich hoffe jeden Tag, euch eines Tages auch ohne Glaswand zwischen uns zu sehen.« Er stieß ein Schluchzen aus, welches ebenfalls aus mir heraus rutschte.

»Wir krigen das hin, Dad. Wir bekommen dich hier raus. Du hast nichts falsch gemacht.« Mein Vater sah hinter mir die Wache an, um mir dann einen tadelnden Blick zuzuwerfen.

»Nicht so laut«, flüsterte er und schüttelte leicht den Kopf. »Ich will nicht, dass dir auch etwas passiert.«

Ich zuckte nur mit den Schultern. Scheiß drauf. Ist mir so egal, ob ich ebenfalls hinter Gittern landete. Wenigstens würde ich dort von meiner Drogensucht entzogen werden. Mein Dad schüttelte jedoch erneut mit dem Kopf.

»Wir werden dich da rauskrigen, Dad. Ich schwörs dir. Hope und ich werden deine Unschuld beweisen.«

»Ihr müsst mir gar nichts beweisen. Solange ich euch habe bin ich glücklich. Packt euch nicht in Schwierigkeiten für einen alten Sack wie mich.« Er stieß ein tiefes Lachen aus.

Ich lächelte nur schief. »Doch Dad, du hast das hier nicht verdient. Wirklich, wir finden einen Weg um deine Unschuld zu beweisen.«

Mein Dad zuckte nur mit den Schulern. »Macht was ihr nicht lassen könnt. Aber bringt euch wirklich nicht in Schwierigkeiten.«

Ich räusperte mich und lehnte mich in meinen Stuhl.

Meine Mom hatte meinen Dad zum sexuellen Übergriff angezeigt, nachdem sie herausgefunden hatte, dass er noch ein weiteres Kind hatte. Ich war ebenfalls am Anfang wütend gewesen, doch ich wusste, dass er mich immer noch über alles geliebt hatte und Hope anscheinend ebenfalls. Seitdem war er im Gefängnis. Er hatte meine Mutter jedoch nie schlecht angefasst. Dies war alles nur eine große Lüge.

»Wie geht's mit der Schule?«, versuchte mein Vater ein anderes Thema einzuleiten. Ich zuckte nur mit den Schultern.

»Is' okay. Nicht gut, nicht absolut grauenschlecht, sodass ich durchfallen würde.« Gut, das war vielleicht etwas gelogen. Ich würde vielleicht sogar dieses Jahr durchfallen, wenn sich nicht ändern würde.

»Machst du immer noch nichts für die Schule?« Mein Vater sah mich tadelnd an. Ich fuhr mir durchs Haar.

»Mh... Aber Dad, jetzt mal ehrlich, Schule ist eh nur so'n Dreckshaufen.« Mein Vater stieß einen Seufzer aus.

»Du solltest später Mal Geschäftsführer werden, nicht an der Tankstelle arbeiten.«

»Was hast du gegen Leute die an der Tankstelle arbeiten?«

»Nichts, ich glaube, dass es sogar einen riesen Spaß machen kann. Aber ich habe dich geboren, sodass du meine Firmen weiterleiten konntest. Wenn du nicht einen Hauchen Mühe in die Schule steckst-«

»Okay, Dad, ich habs verstanden.«

Ich wurde von einem vibrieren meines Handys abgelenkt. Mit einem Blick bemerkte ich, dass es schon viel zu spät war.

»Fuck, ich muss dann mal gehen. War aber schön mit dir. Ich komme bald wieder, ich versprechs dir.« Ich stand auf, hatte den Hörer jedoch immer noch in der Hand.

»Versprech nicht so viel, was du nicht halten kannst. Also dann - bis irgendwann. Vergess mich nicht.«

»Vergess ich nicht. Bis dann.« Ich legte den Hörer auf das dazugehörige Teil, sodass es einrastete. Mein Vater tat es mir gleich.

Ich formte mit meinen Lippen ein 'Bis bald' und er lächelte. Dann drehte ich mich um, nickte der Wache zu und wurde hinaus geleitet.

bryanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt