Bʀʏᴀɴ
Ich fühlte mich leer.
So verdammt leer, als ob alles keinen Sinn mehr ergeben würde. Als ob alles keinen Sinn mehr hatte.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Was ich tun sollte. Ich war schlichtweg überfordert mit der Situation, so überfordert, dass ich kaum bemerkte, wie Jess mir langsam über den Rücken streichelte, mich umarmte, leichte Küsse auf meine Schulterblätter verteilte und meine Hände drückte.
Es war, als ob meine Erkenntnis noch nicht eingesetzt hatte. Die Erkenntnis, dass meine Mutter jetzt bei der Polizei war, dass vielleicht alles gut werden könnte. Und langsam kam das Erkenntnis zu mir, langsam lösten sich die dunklen Schleier von meinen Augen.
Trotz all dem, was meine Mutter getan hatte - trotz all dem Leid, was jeder erfahren musste - liebte ich sie auf eine gewisse Art und Weise. Ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, wie mein Leben weiter gehen würde.
Ob es sich positiv ändern würde, ob ich überhaupt noch einen Sinn hatte.
Ich spürte nicht, wie warme Tränen sich aus meinen Augen bannten und meine Wangen runterliefen. Ich spürte nicht, wie die Küsse aufhörten und die Hand meine Tränen wegstrich. Wie die warme Hand auf meiner Wange bleib, mir Halt gab und ihre Augen wie funkelnde Edelsteine zu mir hochschauten.
»Shhh«, flüsterte Jess und strich leicht mit ihren weichen Händen über meine Wange.
Ich fühlte, wie sich langsam meine Sicht löste, die Schleier weniger wurden und das Bild klarer.
Ich sah Jess, ihre wunderschönen Augen voller Sorge, voller Mitgefühl. Wie sie mich betrachteten. Ihre Lippen, leicht am Zittern, aber ihr Handdruck, welcher mir ausdrückte, dass sie für mich da war.
Ich lehnte mich leicht zu ihr runter, nahm ihren Kopf in eine Hand, drehte sie leicht zu mir hoch. Sie schloss die Augen, als ich ihre Lippen mit meinen streifte, ganz leicht erst, sodass es nur ein Kitzeln war.
Dann legte ich meine Lippen ganz auf ihre. Ich fühlte, wie der Kuss nicht leidenschaftlich war, nicht voller Verrücktheit nach dem anderen. Es war ein Verzweifelter Kuss, ein sehnsüchtiger Kuss, eine leichte Explosion, in die ich meine ganze Trauer reinsteckte.
Mir war es egal, ob sie fühlte, wie meine Lippen salzig waren, von dem Tränen, wie sie leicht zitterten von der Verzweiflung.
Der Kuss war so sanft, so sanft wie ein Seidentuch, welches durch den frischen Frühlingswind wehte.
Als wir uns wieder lösten, sah ich tief in ihre Augen. Mein Brustkorb hebte und senkte sich schnell, mein Atem war stockend. Ihrer ebenfalls.
Ihr Mund war immer noch leicht geöffnet, ich musste den Drang wiederstehen, meine Lippen wieder auf ihre zu setzen.
»Alles okay?«, fragte sie heiser. Ich nickte und schluckte und nahm ihre Hand wieder in meine, verschränkte meine Finger mit ihren.
»Alles okay«, versicherte ich sie und versuchte, meine Stimme auch so wirken zu lassen. Sie nickte leicht, obwohl ich wusste, dass sie mich hinterschaut hatte.
»Wir sollten Hope hinterher fahren.«
Erst jetzt bemerkte ich, dass ein Krankenwagen sich von der Szene entfernte. Große Schuldgefühle plagten mich.
Oh mein Gott, hatte ich gar nicht bemerkt, wie sie mitgenommen wurde?
»Ich bin ein schlechter Bruder«, sprach ich meine Gedanken flüsternd aus. Ich hatte es erst dazu kommen lassen, dass sie verletzt wurde.
»Nein«, meinte Jess ernst und schüttelte den Kopf. »Denk nicht so. Du bist ein wunderbarer Bruder.«
»Ich habe sie im Stich gelassen«, widersprach ich. Sie runzelte ihre Stirn in Falten.
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bryan
Teen FictionAlkohol und Drogen machen einen großen Teil des Lebens von Bryan aus. Auf einer Party trifft er auf Jessica, welche ihn irgendwie mitzieht. Beide haben Probleme, welche ihr Leben beschwert. Können sie beide zusammen ein Leben führen, ohne Drogen und...