chapter 24

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Jᴇssɪᴄᴀ

»Dein Bruder?«, hauchte ich ungläubig. »Halbbruder«, stellte sie korrekt und fuhr sich nervös durchs Haar. Entschuldigend sah sie mich an. »Ich erzähle dir später alles. Versprochen. Aber jetzt muss ich mich wirklich um den Idioten kümmern.« Ich wollte sie schon abhalten, aber unterließ es dann doch. Immerhin war es ein Notfall und sie würde mir doch später alles erklären. Oder?

Ich hörte ihr Auto leise wegbrausen und ließ mich erneut in mein Bett fallen. Mit einem Seufzen sah ich auf die Decke.

Plötzlich war es so alleine ohne Hope. Keine Person, mit der ich lachen konnte. Und der Gedanke, dass Bryan wirklich ihr Bruder war, bedrückte mich irgendwie. Hatte Bryan überhaupt Geschwister? Er hatte soweit ich wusste jedenfalls nie etwas von ihr erzählt.

Jetzt ergibte aber alles Sinn. Hope war an dem einen Tag bei Bryan, da sie seine Schwester war. Deshalb hatten sie sich auch super verstanden und gelacht. Das war der Tag gewesen, als Jonathan mich nach der Party gefragt hatte.

Aber hatte Hope nicht gesagt, dass sie neu in dieser Stadt war und keinen kannte? Sie hätte doch Bryan schon öfters besuchen müssen und würde wenigstens ein, zwei Personen kennen. Und davor hatte ich sie auch noch nie gesehen.

Gott, alles war so bedrückend und anstrengend. Ich sollte aufhören darüber nachzudenken, entschied ich mich. Es tat einfach im Kopf weh. Ich wollte schon nach unten gehen, um mir ein Glas Wasser zu schnappen, als das Telefon anfing zu klingeln.

»Hallo?«, fragte ich verwirrt. Ich dachte, dass es vielleicht Hope war, welche etwas bei mir vergessen hatte. Doch so war es nicht.

»Hallo, sind Sie Jessica?«, antwortete eine ältere Herrenstimme am Apparat. Ich hatte diese Stimme noch nie gehört.

»Ja, was gibts?«, fragte ich nervös. »Ihre Mutter hatte einen Autounfall, da sie betrunken Auto gefahren ist. Sie liegt nun auf der Intensivstation im Krankenhaus. Es tut mir wirklich Leid, ihnen das so mitteilen zu müssen.«

Meine Welt drehte sich. Mir war schwindelig und ich atmete nur noch schwer. Mein Kopf pochte wie verrückt. Mom? Einen Autounfall?

Es musste irgendwann so kommen, dass sie betrunken einen Unfall baute. Und doch hatte ich nicht damit gerechnet. Nicht jetzt, nicht hier. Dad und Raphael waren nicht mal hier! Ich musste alleine zum Krankenhaus fahren!

»Wie geht es ihr?« Meine Stimme zitterte leicht. Ich hielt das Telefon fest umklammert.

»Ma'am, Ihre Mutter ist noch ohnmächtig, wir mussten sofort sie in den OP-Raum bringen. Weiteres können Sie im Krankenhaus erfahren, ich kann Ihnen die Informationen nicht über das Telefon weitergeben, das verstößt gegen unsere Datenschutzlinien. Ich hoffe Sie haben Verständnis.«

Ich nickte leicht, bis ich bemerkte, dass der Mann mich gar nicht sehen konnte. Also hauchte ich ein 'Ja'.

Keine drei Minuten später rannte ich durch das Haus und versuchte mir meine Schuhe anzuziehen. Ich band die Schnürsenkel so fest wie ich konnte und schnappte mir einen Schlüssel.

Ich musste irgendwie zum Krankenhaus gelangen. Doch ich hatte weder einen Führerschein, noch eine Person, welche mich fahren konnte. Raphael war immer noch verschollen und Dad bei der Arbeit. Hope war geradewegs auf dem Weg zu Bryan.

Ich könnte natürlich Dad anschreiben, doch das würde zu lange dauern, bis er bei mir war und mich mitnehmen könnte. Aber er musste es auch erfahren.

Also rief ich ihn sofort an. Es piepte ein paar Mal und dann kam der Anrufbeantworter. Fluchend ließ ich mein Handy wieder sinken. Schnell tippte ich ihm eine Nachricht.

Hey Dad, wahrscheinlich weißt du es eh schon, aber Mom hatte einen Autounfall und liegt jetzt im Krankenhaus. Ich würde zu ihr fahren, vielleicht sehen wir uns ja gleich.

Okay, wie komme ich jetzt zum Krankenhaus?

Ich überlegte eine Weile und rief dann ein Taxi. Es schien mir die schnellste und einfachste Möglichkeit, zu dem Krankenhaus zu gelangen. Und Geld hatte ich ja auch dabei.

Das Taxi war schnell an meiner Haustür und ich stieg ein. »Zum Krankenhaus bitte.« Der Fahrer fuhr sofort los und ich starrte nervös aus dem Fenster.

Wie ging es meiner Mutter? War sie aus dem OP-Saal? Wie ging es Bryan? Was war passiert und wieso musste alles gleichzeitig passieren?

Frustriert lehnte ich meinen Kopf gegen die Scheibe und sah den vorbeibrausenden Häusern zu.

. . .

Ich befand mich nun schon bei dem Empfangsschalter. Die Dame sah mich streng über ihre Brillengläser an. Ich hatte den Taxifahrer bezahlt und er war wieder nach Hause gefahren.

»Junge Dame?«, brummte die Frau vor mir genervt. »Hi, meine Mutter, Christine Forrest ist vor einer Stunde oder so hier eingeliefert worden«, haspelte ich und die Frau glotzte zurück auf ihren Computer.

»Ja, sie sollte gerade aus dem OP-Saal herausgegangen sein. Sie sollte im Raum 217 sein.« Ich bedankte mich und lief sofort los. Ich wollte einfach nur meine Mutter sehen und wissen, dass es ihr gut geht.

Raum 217! Dort! Schnell sprintete ich die letzten Schritte und öffnete leise quietschend die Tür zu dem Krankenzimmer.

bryanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt