Bʀʏᴀɴ
Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr einfach im Erdboden versinken wollt? Oder am Besten unsichtbar werdet, da ihr diese Person auf keinen Fall sehen wollt.
Ich wollte meiner Mutter nicht wieder begegnen. Meine Halbschwester stand neben mir, über welche meine Mutter nicht mal weiß, dass sie sich in dieser Stadt aufhält. Außerdem war hier noch die Person, welche ich am Meisten vor allem beschützen wollte.
Ich hatte Angst, dass Jess anders reagieren würde, wenn sie einmal meine Mutter kennengelernt hatte. Dass sie nichts mehr mit unserer Familie zu tun haben wollen würde, da sie so zerbrochen war. Ich hatte immer versucht, mein Familienimage so hoch wie möglich zu halten. Eine Mutter wie meine passte da natürlich gar nicht hinzu.
Ich wollte mich vor Jess stellen, sie vor ihr abschirmen, sodass sie ihr niemals weh tun könnte. Ich wollte sie von all dem Leiden ersparen, welches ich auf mich zurasen sah.
Jede Sekunde, in denen sie langsam durch die Tür kam, zog sich wie Kaugummi.
»Bryan, du hast die Garage aufgelassen. Dir ist schon klar, wie teuer die Autos dort drinnen sind? Ich glaube, du solltest heute Nachmittag anfangen das Haus zu putzen, als Strafe und so.« Sie war noch nicht mal im Haus, schon fing sie an zu meckern.
Als sie ihren Kopf durch die Tür steckte, stockte mein Atem.
Ihr Mund hob sich, als würde sie noch etwas sagen wollen, doch dann brach sie ab und ihre Augen musterten meine zwei Gäste.
Sie fuhren erst bei Jess hoch und runter. Als würde sie jedes einzelne Detail an ihr analysieren. Ich sah, wie Jess merklich schluckte. Um sie zu beruhigen, fuhr ich unauffällig mit meinem kleinen Finger über ihren Handrücken, nahm ihre Hand dann in meine und drückte sie leicht.
Dann glitt der Blick meiner Mutter zu Hope. Auf ihrer Stirn bildeten sich ganz leichte Falten, als sie die Stirn runzelte. Vermutlich lag dies am Botox. Sie konnte nicht mal normale Gesichtsausdrücke mehr zeigen.
Es schien, als würde sie überlegen. Als wüsste sie nicht, wer vor ihr stand, aber als würde eine alte Erinnerung in ihr wach werden. Sie dachte für einen kurzen Moment angestrengt nach, bis ihr Blick Erkenntnis ausstrahlte.
Fuck. Wir waren so am Arsch.
Automatisch griff meine Hand in meine Hosentasche, in welcher sich meine Plastiktüte mit Drogen befand.
Nein, jetzt nicht. So gerne ich es auch wollte.
»Hope?!« Ihr schriller Schrei brachte mich wieder zur Realität zurück. Sie war entzürnt. Sie hatte meine Halbschwester erkannt.
»Was zum Teufel geht hier vor sich, Bryan?! Weißt du wer dieses Mädchen ist?«, schrie sie mich an und deutete auf Hope, welche versuchte zu Lächeln.
»Ja, Mom.«
Empört sah sie mich an. Dann glitt ihr Blick wieder zu Hope. »Was fällt dir ein hier aufzutauchen, du verwöhnte Hurentochter!«
Hope's Lächeln fiel zusammen. Sofort war ihr Blick ernst, ebenfalls voller Wut.
»Wie bitte?«
»Verschwinde aus meinem Haus und geh gefälligst zu deiner eigenen Mutter!« Sie deutete auf die Tür.
Ich schluckte nur. Ich wusste nicht was ich tun sollte, ich war einfach überfordert. Ich konnte meine Mutter nicht anschreien, ich stand einfach nur da und beobachtete die Stituation stumm.
»Was zum Teufel ist mit Ihnen falsch?!«, schrie Hope und wirbelte ihre Hände umher. »Sie haben Ihren Mann ins Gefängnis gebracht, da er meiner Mutter geholfen hatte, einfach schwanger zu werden, da es ihr größter Wunsch war! Es war nicht mal eine Beziehung zwischen den beiden, er hatte ihr jeniglich ein Kind geschenkt, da sie ihn angebettelt hatte.«
Dies war mir... neu. Aber meiner Mutter anscheinend nicht. Diese verzog nämlich keine Miene. Als hätte sie es schon gewusst, aber trotzdem meinen Vater wegen sexuellem Missbrauch angezeigt.
»Für mich ist es das gleiche«, meinte sie knapp und zeigte dann erneut auf die Tür. »Und jetzt raus. Oder ich zerkratz dir dein Gesicht mit meinem Autoschlüssel.« Zur Demonstration hob sie ihren Autoschlüssel hoch. Ich öffnete ungläubig den Mund.
»Mutter, das kannst du nicht tun«, meinte ich und versuchte ihr den Autoschlüssel aus der Hand zu reißen, jedoch wich sie aus.
»Mein Haus, meine Regeln.«
Hope machte nicht mal Anstalten das Haus zu verlassen. Sie war sturr und sah meiner Mutter direkt in die Augen, welche wütend zurückfunkelte. Wenn Blicke töten würden, wären beide innerhalb von wenigen Millisekunden tot.
»Muss ich mich noch klarer ausdrücken?«, knurrte meine Mutter. Hope sagte nichts.
Plötzlich holte meine Mutter blitzschnell aus und ließ den Autoschlüssel über Hopes Gesicht fahren. Eine rote Blutsspur zog sich über ihr Gesicht und sie öffnete geschockt den Mund.
Ich hätte so schnell gar nicht reagieren können. Aber ich fühlte mich schuldig, so verdammt schuldig, als Hope mit ihren dünnen und nun zittrigen Fingern das Blut abstreifte.
Der Schnitt war nur knapp an ihrem Auge vorbei. Sie hätte blind sein können. Meine Mutter hätte sie blind machen können. Und sie hatte es versucht.
In ihrem Blick stand keine Reue. Nur purer Hass. Purer Hass auf ein Mädchen, welches nichts dafür konnte, was ihre Eltern getan hatten.
Nun griff ich ein und entwandte meiner Mutter den Autoschlüssel. Ich schaffte es sogar. Sie hatte damit nicht gerechnet. Sie war einen kleinen Moment unaufmerksam gewesen.
Ich drückte sie gegen unseren Schuhschrank und hielt sie fest. Sie wehrte sich nicht. Starrte nur Hope weiterhin in die Augen, mit einem leichten, stolzen Lächeln im Gesicht.
Sie war verrückt. Sie war verrückt geworden.
Ich drehte mich zu Hope um. Jess stand nicht mehr dort. Sie stand etwas abseits und hielt ihr Handy am Ohr. Ich hörte nur leise, wie sie unsere Adresse sagte. In mir stockte es.
Sie würde doch nicht die Polizei alarmieren?
Ich wollte ihr das Handy aus der Hand reißen, ihr sagen, dass es nicht nötig war. Aber irgendetwas in mir drinnen sagte mir, dass es die richtige Entscheidung ist. Dass Jess nichts falsches tat. Dass es alles schon längst überfällig war.
Minuten vergingen. Meine Mutter hatte sich immer noch nicht gerührt, ich hielt sie jedoch fest an dem Schrank. Jess hatte versucht, Hopes Wunde zu verbinden. Meine Mutter betrachtete dies aufmerksam. Sie war still geworden. Als würde sie langsam realisieren, was sie alles getan hätte.
Sie war auch noch still, als die Sirene ertönte. Als ein Polizeiauto in unserer Einfahrt auftauchte, dahinter ein Notarzt.
Auch, als sie in unser Haus kamen. Als sie meine Mutter an sich nahmen, ihr Handschellen umlegte. Sie schenkte mir keinen Blick. Sie betrachtete Hope mit einem stillen Lächeln.
Ich konnte mich erst wieder von diesem Anblick lösen, als sie im Polizeiwagen verschwand. Mein Mund war trocken, ich hatte das Gefühl, als könnte ich nicht mehr reden.
Als sich eine Hand auf meine Schulter legte, und mich langsam umdrehte, reagierte ich kaum. Auch wenn gerade das schönste Mädchen der Welt vor mir stand und begann mich zu umarmen. Mir Trost zu spenden, genauso, wie ich es auch bei ihr getan hatte.
Ich konnte mich nicht bewegen. Mein Atem ging rasselnd, mein Herz schlug schnell. Ich wollte schreien, jedoch konnte ich nicht einmal irgendetwas sagen.
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bryan
Teen FictionAlkohol und Drogen machen einen großen Teil des Lebens von Bryan aus. Auf einer Party trifft er auf Jessica, welche ihn irgendwie mitzieht. Beide haben Probleme, welche ihr Leben beschwert. Können sie beide zusammen ein Leben führen, ohne Drogen und...