Ich war froh, dass Wochenende war. Endlich hatte ich etwas Zeit für mich. Nach dem Frühstück zog ich meine Laufschuhe an und drehte eine Runde im Park. Ich liebte den Park. Ich liebte es, dass man hier den Lärm des Verkehrs nicht hören konnte. Ich liebte die Natur um mich herum. Ich liebte die verschiedenen Arten der Vögel, die in den Bäumen saßen. Ich liebte ihre bunten Farben. Ich liebte es, dass ich hier keine Schüler oder Eltern traf, weil ich doch sehr weit von der Schule entfernt wohnte. Ich liebte die zwei kleinen Bäche. Ich liebte das leise Plätschern. An stressigen Tagen brachte es mich zur Ruhe. Ich liebte es so viele Menschen zu sehen, die alle etwas anderes taten. Teenager, die an ihren Handys hingen. Kinder, die von ihren Eltern verlangten, dass sie mit ihnen spielten. Paare, die Händchen haltend spazieren gingen. Ich liebte die Sandwege. Darüber zu laufen fühlte sich an als wäre ich im Urlaub.
Heute drehte ich aber nicht bloß eine Runde. Ich fühlte mich gut. Also lief ich einfach weiter. Ich lief bereits meine dritte Runde, als neben mir jemand auftauchte. Ich drehte mich zur Seite und entdeckte Emilia. Genau wie ich trug sie Sportsachen.
"Hi", sagte sie.
"Verfolgst du mich?", fragte ich sie.
"Ich geh hier bloß immer laufen. Ich mag den Park hier. Er ist wie eine Miniversion des Hyde Parks", sagte Emilia.
"Du warst schonmal in London?", fragte ich.
"Zwei Jahre im Internat", sagte sie.
"Du warst im Internat?", fragte ich.
"Jep", sagte sie unbeeindruckt.
"Warum?", fragte ich.
"Meine Eltern dachten, dass die es schaffen mich zu erziehen. Aber ich bin auch da rausgeflogen", sagte Emilia.
"Du kannst dich nicht anpassen", sagte ich.
"Warum soll ich mich immer verändern, um in irgendeine Institution zu passen?", fragte sie.
"Das, was ich jetzt sage, habe ich nie in der Funktion als deine Lehrerin gesagt", sagte ich.
"Okay, Leyla. Hau deine wilde Seite raus", sagte sie.
"Ich hoffe, du bleibst so. Und ich bin deiner Meinung. Weißt du, wie schwer es ist, dir im Unterricht Strafen aufzubrummen, obwohl ich deiner Meinung bin? Oder nicht zu lachen, obwohl du irrwitzig bist?", sagte ich.
"Und weißt du, wie schwer es ist ständig dem Drang zu widerstehen dich verführen zu wollen?", fragte Emilia.
Ich merkte, wie sich meine Wangen verfärbten und es war nicht vom Laufen.
"Emilia", flüsterte ich. "Wir dürfen das nicht", flüsterte ich.
"Und wenn ich nicht deine Schülerin wäre?", fragte sie.
"Bist du aber", sagte ich.
"Hättest du mir eine Chance gegeben, wenn wir uns nicht in der Schule wiedergetroffen hätten?", fragte sie.
"Wenn wir uns nicht in der Schule getroffen hätten, hätte ich nach einem Jahr die Scheidung ausgefüllt und weiterhin so tun können als gäbe es den Teil von mir, der auf Frauen steht, nicht", sagte ich.
"Autsch", sagte Emilia.
"Stell nur Fragen, auf die du die Antworten hören willst", sagte ich.
"Bekomme ich eine Chance, wenn ich den Abschluss habe?", fragte mich Emilia.
"Emilia, das sind noch anderthalb Jahre und du solltest nicht deine Zeit damit verbringen zu warten", sagte ich.
"Und wenn ich das will, weil ich weiß, dass es sich lohnt?", fragte sie.
"Du kennst die Antwort längst", sagte ich.
"Ist das ein Ja?", fragte Emilia.
"Ja. Ich würde es versuchen wollen", sagte ich.
"Ich hasse Regeln", sagte Emilia.
Mir entwich ein Lacher. "Das ist nichts Neues. Aber an diese Regel wirst du dich halten", sagte ich.
"Weil du sie nicht brechen wirst?", fragte Emilia.
"Ja", sagte ich. "Ich könnte alles verlieren. Es gibt nichts Anderes, das ich machen könnte. Ich hab ein Studium gemacht und ich brauche diesen Job, um Geld zu verdienen. Außerdem liebe ich meinen Job", sagte ich.
"Leyla, ich weiß das. Ich will nicht, dass du das alles verlierst", sagte sie.
"Dann hör auf es mir so schwer zu machen", sagte ich.
"Okay", sagte sie.Am Montag stand Emilia nach dem Unterricht vor meinem Pult. Überraschenderweise war sie heute im Unterricht unauffällig gewesen, sodass ich sie nicht zum Nachsitzen beordern musste.
"Ich hasse es zu warten", eröffnete sie mir.
Ich hätte damit rechnen sollen.
"Es gibt das Gesetz, das uns eine Beziehung verbietet, damit du deine Stellung gegenüber Schutzbefohlenen nicht ausnutzen kannst, richtig?", fragte sie. Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben mich.
"Ja", sagte ich.
"Aber ich bin einverstanden", sagte Emilia.
"Das spielt keine Rolle", sagte ich.
"Wir sind verheiratet. Gilt da dieses Gesetz überhaupt? Wir waren ja schon verheiratet, bevor wir Lehrerin und Schülerin wurden", sagte sie.
"Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es eine Grauzone", sagte ich.
"Und selbst wenn uns das nicht an einer Beziehung hindern würde, dann wäre es die Tatsache, dass wir als Familie gelten und man seine Familienmitglieder nicht unterrichten darf", sagte ich.
"Da geht es aber um Kinder, nicht um Ehepartner", sagte Emilia.
"Weil das wahrscheinlich noch nie vorgekommen ist. Das wäre wahrscheinlich die zweite Grauzone", sagte ich.
Ich seufzte. "Emilia, ich kann das nicht tun. Ich kann dir das nicht antun", sagte ich.
"Du tust mir damit gar nichts an", sagte Emilia.
"Das sagst du jetzt. Aber was ist in ein paar Jahren? Ich will nicht diejenige sein, die dich um deine Jugend gebracht hat", sagte ich.
"Mach dir um mich keine Sorgen, okay? Ich will das", sagte Emilia.
"Leyla, bitte!", sagte Emilia und griff nach meiner Hand.
"Ist dir klar, was das bedeuten würde? Du dürftest mit niemandem darüber reden. Niemals. Auch nicht, wenn wir uns streiten oder uns trennen. In der Schule gibt es kein uns. Keine Berührungen, keine Blicke, keine Küsse. Wir müssten immer aufpassen nicht erwischt zu werden", sagte ich.
"Ich hab sowieso niemandem, dem ich das erzählen würde", sagte Emilia.
Ich nickte. Sie redete zwar in der Schule mit ihren Mitschülern und sie respektierten sie, aber sie war mit niemandem befreundet.
"Ich bin dabei", sagte Emilia.
Ich sah sie an. Ich konnte sie nicht verlieren. Ich konnte auch nicht fast anderthalb Jahre auf die warten. Trotzdem wäre es das absolut Dümmste, was ich je getan habe.
"Okay", sagte ich.
Überrascht zog Emilia ihre Augenbrauen hoch.
"Wir treffen uns nur bei mir und du kommst mit Kapuze und Sonnenbrille", sagte ich.
"Alles, was du willst", sagte sie.
"Ich muss in den Unterricht", sagte ich.
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What happens in Vegas, stays in Vegas
RomanceLeyla reist nach Las Vegas und verbringt dort eine verhängnisvolle Nacht mit der jungen Emilia. Am nächsten Morgen beschließen die beiden getrennte Wege zu gehen und nie wieder ein Wort über die Geschehnisse der letzten Nacht zu verlieren. Was aber...