47 Nachrichten

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Ich hatte Emilia unzählige Nachrichten hinterlassen. Doch Emilia reagierte nicht darauf. Ich hasste das Wochenende. Ich konnte sie nicht in der Schule sehen und mit ihr reden. Stattdessen hinterließ ich ihr die 47. Nachricht.
"Emilia, bitte lass uns reden. Ich kann dir das erklären. Bitte gib mir eine Chance", sagte ich.
Bis Montag hatte ich kein Wort von Emilia gehört.

Zum ersten Mal war ich froh, als Montagmorgen mein Wecker klingelte. Heute hatte ich Mathe in Emilias Kurs. Die Stunden bis dahin brachte ich unkonzentriert hinter mich. Viel zu früh erschien ich zu Emilias Kurs. Doch sie war noch nicht da. Das versetzte mir einen Stich ins Herz. Ich hatte die Hoffnung gehabt mit ihr noch ein paar Minuten allein zu haben. Doch sie kam nicht. Die ganze Stunde über blieb ihr Stuhl leer.
Die ganze Woche kam Emilia nicht zur Schule. Und auch in der darauffolgenden Woche erschien sie nicht zum Unterricht. Trotzdem hörte ich nicht auf sie erreichen zu wollen. Am liebsten wäre ich zu ihr nach Hause gegangen, aber das konnte ich nicht tun.

Freitag waren Osterferien und dann würde ich sie zwei Wochen nicht sehen. Emilia kam an diesem Tag tatsächlich wieder zur Schule. Allerdings hatten wir an diesem Tag keinen Unterricht zusammen. Als wir uns auf dem Gang begegneten, änderte sie schnell ihre Richtung. Ich ging ihr hinterher, doch sie verschwand einfach aus meinem Blickfeld. Nach dem Unterricht wollte ich sie auf dem Parkplatz abfangen. Als ich jedoch dort ankam, war ihr Auto bereits weg.
"Sie ist bereits weg?", fragte mich Carolina.
"Ja", stöhnte ich.
"Habt ihr schon geredet?", fragte sie mich.
"Sie lässt mich nicht", sagte ich.
"Und jetzt?", fragte sie.
"Ich weiß es nicht", sagte ich. Leise rollte mir eine Träne über die Wange.
Carolina legte mir einen Arm um die Schulter. "Das wird schon wieder. Irgendwann muss sie ja wieder zu deinem Interricht kommen", sagte sie.
"Ich vermisse sie so", schluchzte ich.
"Willst du mit zu mir kommen?", fragte mich Carolina.
"Ich komme schon klar", sagte ich.

Den ganzen Nachmittag hatte ich unter meiner Decke auf dem Sofa verbracht und mich in Selbstmitleid gesult. Darin war ich stark.
Ich wusste einfach nicht, was ich noch machen sollte. Wie konnte ich Emilia erreichen? Die einzige Option, die mir noch einfiel, war zu ihr nach Hause zu gehen. Aber das war keine gute Idee. Wenn ihre Eltern mich dort sahen - das wollte ich mir gar nicht ausmalen. Also blieb mir nichts anderes übring als ihr weiter Nachrichten zu schicken. Inzwischen waren zwei Wochen vergangen und sie hatte keine einzige Nachricht beantwortet.
Plötzlich klingelte es an der Tür. Ich war recht überrascht. Schließlich war es schon ziemlich spät. Als ich öffnete, stand Carolina davor.
"Was machst du denn hier?", fragte ich sie.
"Ich hol dich ab. Wir gehen heute Abend feiern", sagte sie.
"Ach ja?", fragte ich.
"Ja", sagte sie bestimmt.
"Ich bin eigentlich nicht in der Stummung dafür und Alkohol vertrag ich auch nicht besonders gut", sagte ich.
"Keine Widerrede. Wir gehen. Du musst mal wieder an etwas anderes denken", sagte sie.
Ich seufzte und ließ sie in die Wohnung.
"So kannst du allerdings nicht gehen", sagte Carolina und ließ ihren Blick prüfend an mir herunterwandern. Zielstrebig lief Carolina in mein Schlafzimmer und stöberte erst einmal in meinem Kleiderschrank, dessen Auswahl nicht gerade beeindruckend war.
"Also eins ist klar: mit deiner Gaderobe hast du Emilia nicht rumgekriegt", sagte sie.
Ich schlug ihr auf den Arm.
"Es müssen die inneren Werte gewesen sein", sagte sie lachend.
"Es war der Alkohol", murmelte ich.
Carolina begann laut zu prusten.
"Irgendwann wirst du mir die Geschichte mal erzählen", sagte sie.
"Mal sehen", sagte ich.
"Für heute Abend muss das genügen", sagte sie. Sie warf mir meine löchrige Jeans und ein weißes Top zu. Es war am Rücken komplett ausgeschnitten.
"Das ist ein bisschen kalt", sagte ich.
Carolina verdrehte die Augen.
"Willst du feiern oder zu einem Buchclub gehen?", fragte mich Carolina. Wenn ich ehrlich war, würde ich den Buchclub vorziehen. Aber das behielt ich lieber für mich.
Ich zog mir meine Lederjacke über und dann zogen wir los.

Wenig später erreichten wir den Club, den Carolina anvisiert hatte.
Sie schleppte mich sofort zur Bar und bestellte uns zwei Cocktails. Nach dem ersten Schluck lehnte sich Carolina zu mir herüber. "Eins musst du mir aber noch erklären: Was ist eigentlich mit deinem Mann? Lässt du dich scheiden?", fragte sie.
Ich kaute eine Weile auf meinem Strohhalm. Dann schüttelte ich meinen Kopf. "Ich bin mit Emilia verheiratet", sagte ich.
Carolinas Augen weiteten sich.
"Das musst du mir erklären", sagte sie.
Ich schüttelte aber nur meinen Kopf und zog sie auf die Tanzfläche. Carolina hatte recht. Ich sollte mal auf andere Gedanken kommen. Ein Abend nicht an Emilia zu denken, wäre vielleicht keine so schlechte Idee. Wir hatten heute auch schon viel zu viel über sie geredet.
Der DJ spielte gerade eines meiner Lieblingslieder und ich fühlte mich in die Zeit zurückversetzt, als ich noch Studentin war. Wild tante ich mit Carolina. Dass ich dabei völlig bekloppt aussah, vergaß ich für einen Augenblick. Bis ich irgendwann mit jemandem zusammenstieß. Als ich mich umdrehte, sah ich in Emilias Augen.
"Du?", fragte ich überrascht. Ich hatte nicht erwartet, sie heute Abend in einem Club zu treffen.
"Dir scheint es ja wirklich schlecht zu gehen", sagte sie und schüttelte ihren Kopf. Sofort machte sie auf dem Absatz kehrt.
"Emilia, so ist das nicht", rief ich ihr noch hinterher. Aber sie war bereits verschwunden.
Ich bahnte mir den Weg zurück zu Carolina. Die Lust am Tanzen war mir vollständig vergangen.
"Ich geh nach Hause", sagte ich.
"Wir sind doch gerade erst gekommen", protestierte sie.
"Danke, dass du es versucht hast. Aber ich will einfach nur nach Hause", sagte ich.
"Soll ich dich bringen? Willst du reden?", fragte sie.
"Nein. Ich glaub, ich will einfach nur alleine sein. Lass dir den Abend nicht verderben", sagte ich.
Ich drückte ihr noch ein Küsschen auf die Wange und machte mich dann auf den Heimweg.

What happens in Vegas, stays in VegasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt