Den ganzen Tag hatte ich mich darauf gefreut Emilia zu sehen. Die Schule war mal wieder ein Albtraum gewesen. Den ganzen Vormittag musste ich so tun, als wäre sie bloß eine Schülerin. Ich hasste diese Situation. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass wir bis zu ihrem Abschluss nichts daran ändern würden können.
Jetzt aber war sie hier und wir langen aneinander gekuschelt auf meinem Sofa. Es lief gerade ein Film auf Netflix. Aber wir schenkten ihm beide kaum Beachtung. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt meine Frau zu betrachten und mit meinem Zeigefinger über ihre Wange zu streichen. Sie war so schön. Ihre Haut war so weich und ihre Wangen waren leicht gerötet. Mein Blick wanderte zu ihren vollen Lippen. Behutsam legte ich meine auf ihre und schmeckte Kirsche. Nie würde ich genug von ihr bekommen können.Als ich meine Lippen von ihr löste, lag ich auf ihr. Ich sah in ihre Augen. Genau wie sie mich oft wie ein Buch las, konnte ich auch in ihren Augen alles erkennen: den Schmerz, ihr Verlangen, ihre Lust. Der Schmerz war jedes Mal das, was mich zusammenzucken ließ. Ich wusste nicht, wer oder was ihr so zugesetzt hatte. Aber jeden Tag in der Schule sah ich ihre Maskerade. Sie versteckte sich, weil sie Angst hatte. Ich hasste sie so zu sehen.
Ohne sie aus den Augen zu lassen, beugte ich mich noch näher zu ihr herunter. "Was verheimlichst du?", flüsterte ich.
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich sofort. Ertappt sah sie mich an. "Nichts", log sie.
Sie wollte meinem Blick ausweichen, doch ich ließ sie nicht.
Ich wollte, dass sie sich mir anvertraute.
"Ich glaub dir nicht", sagte ich.
"Dann lass es", sagte sie.
"Du hast Angst. Angst, dass jemand deine Fassade zum einstürzen bringt. Du hast Angst davor, dass jemand deine verletzliche Seite sehen könnte, das alle erfahren, dass du romantisch bist, dass du doch sehr weiblich bist und deine langen Haare liebst, dass du schlauer bist als du andere glauben lässt, dass du dich erst mit 18 hast entjungfern lassen, weil du auf die Richtige gewartet hast. Stattdessen spielst du allen jeden Tag die taffe Emilia vor, die vor nichts Angst hat und die sich nichts sagen lässt. Soll ich dir was sagen? Diese Emilia ist eine Lüge", flüsterte ich.
Ich war ihr so nah, dass ich ihr Herz schlagen hören konnte. Mit jedem Wort wurde es schneller. Ich hatte ins Schwarze getroffen.
"Und du? Du bist auch nicht ehrlich. Niemand darf dir zu nahe kommen. Deshalb hast du kaum Freunde, weil du jeden wegstößt. Du hast Angst davor, dass dir jemand zu wichtig ist. Also gehst du lieber vorher auf Abstand. Du hast Angst vor den drei Worten", sagte Emilia.
Vor Schreck setzte ich mich auf. Mit weitaufgerissenen Augen starrte ich sie an.
"Ich liebe dich", sagte Emilia.
Sofort schossen mir die Tränen in die Augen. Wie von der Tarantel gestochen, sprang ich auf und stürzte aus der Wohnung.
Niemand sagte jemals diese Worte zu mir und niemandem erlaubte ich das zu tun! Wie hatte ich es nur so weit kommen lassen können? Wie konnte sie es nur wagen das zu mir zu sagen?Erst als ich vor einer Bar stand, nahm ich meine Umgebung wieder wahr. Die Bar kam mir gerade recht. Ich brauchte Alkohol. Am besten so schnell wie möglich. Und so viel wie möglich.
Ich stieß die Tür auf und steuerte zielstrebig auf einen Hocker am Tresen zu. Ich bestellte mir einen doppelten Vodka und exte ihn. Ich bestellte mir einen zweiten und exte auch ihn.
"Hallo Schönheit", sagte ein Mann zu mir.
"Du kannst dir deine Anmachsprüche sparen. Kommen wir lieber gleich zur Sache", sagte ich. Ich rutschte von meinem Barhocker und zog ihn hinter mir auf die Damentoilette.
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What happens in Vegas, stays in Vegas
RomanceLeyla reist nach Las Vegas und verbringt dort eine verhängnisvolle Nacht mit der jungen Emilia. Am nächsten Morgen beschließen die beiden getrennte Wege zu gehen und nie wieder ein Wort über die Geschehnisse der letzten Nacht zu verlieren. Was aber...