Das Telefonat

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Ich klopfte leise an die Tür des Arbeitszimmers, öffnete sie behutsam und lugte mit einem Lächeln auf den Lippen herein: "Guten Morgen, Lukas."

Lukes letzter freier Tag verging wie im Fluge.

Mein Mann schaute auf und grinste: "Guten Morgen, was gibt es?"
Ich stellte noch einmal sicher, dass er alleine war und betrat den Raum nun komplett: "Kann ich kurz a das Telefon? Oder störe ich gerade?"

Er löschte seine Zigarette im Aschenbecher ab, der übrige Rauch quoll noch leicht aus seinen Mundwinkeln. Komischer Weise hatte ich Luke noch nie außerhalb der Arbeit rauchen gesehen, doch jedes Mal wenn ich dieses Zimmer betrat, hatte er eine der Stangen zwischen seinen Fingern.

"Nein, alles gut. Komm her. Ich lasse dich verbinden."

Der Dielenboden knarzte leicht als ich die ersten Schritte in seine Richtung machte. Luke musterte die Akten auf seinen Tisch, schaute mich anschließend kurz an und drehte sie schließlich schnell auf die Rückseite, bevor ich überhaupt nur in der Reichweite war um einen Blick auf sie erhaschen zu können.
"Darf ich etwa nicht sehen an was du gerade arbeitest?", witzelte ich.

Luke ignorierte meine Anmerkung gekonnt und zog mich auf seinen Schoß. Meine Nase kräuselte sich, als ich den scharfen Gestank der Zigarette wahrnahm. „Verbindest du mich mit meiner Mutter?" Er nickte leicht und hob den Hörer ab.
Die Intimität des vorgestrigen Abends hatte jegliche unangenehmen Spannungen zwischen uns wie in Luft aufgelöst.

Es blieb circa eine Minute still bis eine der Telefonistinnen am anderen Ende der Leitung zu hören war. Lukas gab ihr die Stadt und den Namen meines Vaters durch, fügte dann jedoch die Bemerkung hinzu, dass ich gerne mit der Frau des Hauses reden würde. Die helle Stimme der Frau ertönte abermals: „Einen kleinen Moment bitte. Sie sind in ein paar Minuten verbunden." Lukas übergab mir den Hörer, sammelte die verbliebenen, und noch immer umgedrehten, Akten ein und schälte sich in einer geschickten Bewegung aus der momentanen Sitzposition hinaus. Er schritt mit gelassenem Tempo aus dem Zimmer, ließ die Tür offen und setzte sich auf den Sessel, der sich links neben dem Zimmer befand.

Ich beobachtete Lukes dunklen Haarschopf in dem Türspalt, als just in diesem Moment ein Rauschen ertönte, das für eine gelungene Verbindung sprach. Ich wartete noch kurz ab, lauschte dem Hörer der am anderen Ende übergeben wurde und meldete mich schließlich: „Hallo Mutter, hier ist Avery!"

Stille-

ein rauchiges Husten erklang, das so garnicht der hellen freundlichen Stimme meiner Mama ähnelte.

„Hier ist dein Vater. Wie geht es dir?"

Ich hatte doch ausdrücklich nach meiner Mutter gefragt, was sollte das schon wieder?
„Wo ist Mama? Ich will mit ihr sprechen."

Wieder ein Husten:
„Du kränkst mich meine liebe Tochter. Du fragst immer nur nach ihr, willst du mir nichts von dem Leben erzählen, das du durch mich bekommen hast?"

Durch ihn? Das ich nicht lachte.
„Ich habe dir nichts zu sagen. Frag deine Frau, falls du Details-", er unterbrach mich: „Ich hoffe du bringst keine Schande über deine Familie. Hoffentlich hast du nicht dort weitergemacht wo du an deiner Hochzeit begonnen hast, was dachtest du dir überhaupt dabei?"

Obwohl ich ihn nicht sehen konnte, wusste ich nur allzu genau wie er gerade dreckig grinsend auf seinem Bürostuhl saß, sich gemütlich nach hinten lehnte und genüsslich an seiner Zigarre zog, nur um den Rauch direkt wieder auszuhusten.

In mir kochte die Wut hoch, doch wenn er den Unwissenden unbedingt spielen wollte, sollte er es doch. Ich schloss einen Moment meine Augen und antwortete schließlich mit gleichgültiger Stimme, wohl darauf bedacht, dass Luke vor dem Zimmer saß und ich nicht wegen der vergangen Sache zwischen mir und Kilian aufbrausend werden wollte: „Ich war wohl etwas aufgeregt, aber das hat dich jetzt nichts mehr anzugehen."

KittenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt