Die Einladung

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Es waren bestimmt drei Wochen seit jenem Vorfall vergangen. Luke schlief zwar seit ein paar Nächten wieder neben mir, doch lies mich Berührungen betreffend komplett in Ruhe.

Wir sahen uns selten. Er ging mir so gut es ging aus dem Weg und ich langweilte mich unterdessen zu Tode in diesem Haus. Ich hatte nunmal bisher mit Freunden, Geschwistern und Angestellten zusammen gelebt, da gewöhnte man sich schnell an Gesellschaft und wünschte sie sich zurück in einsamen Zeiten wie diesen. Ich verkroch mich mit meinem Kopf unter der Decke. Verdammt. Ich fühlte mich hier so alleine.

Müde erhob ich mich von unserem Ehebett und trottete in den Nebenraum um mir ein Bad einzulassen. Luke war vor circa vier Stunden aufgestanden, wahrscheinlich wegen der Arbeit. Ich ließ mich in das warme Wasser gleiten und warf einen Blick aus dem vor mir liegenden Fenster. Das regnerische Wetter brachte schon die ersten fallenden Blätter des Herbstes mit sich. Wie lange lebte ich hier schon? Vier, fünf oder acht Wochen? Ich striff meinen Ehering von meinem Finger ab und und betrachtete ihn genauer. Zierlich aber auffallend. Der goldene Kreis wurde oben von kleinen Diamanten und einem geschliffenen Smaragd geschmückt - innen befand sich ein eingraviertes L und A. Es wunderte mich wie gut mir dieses Schmuckstück gefiel - schließlich hatte es ein Mann ausgesucht, der mich nicht kannte. Ob meine Mutter ihm geholfen hatte? Ich legte ihn behutsam wieder an.

Erschrocken zuckte ich zusammen, als es an der Tür klopfte: "Avery?" Es war Luke. "Ja?" "Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass meine Eltern heute vorbeikommen. Sie haben den Brief über unsere Heirat anscheinend erhalten."
Ich würde heute seine Familie kennen lernen. Nervös fuhr ich mir durch mein Haar: "Wann kommen sie denn?"
"Sie fahren mit der Kutsche gerade auf unser Grundstück, anscheinend haben sie es nicht für Nötig gehalten ihren Besuch anzukündigen. Aber lass dir ruhig Zeit, ich beschäftige sie." Geschockt weiteten sich meine Augen: "Okay. Klar- Danke." Ich stürzte aus der Wanne und schlang meinen Körper in ein Handtuch. Was sie wohl von mir denken würden, wenn ich mich schon in meinem eigenen Haus verspäten würde? Dankbar um meine noch trockenen, gelockten Haare, kruschte ich gehetzt Mascara, Puder und Rusch aus einer Schublade und schminkte mich grob. Meine Haare ließ ich offen über meine Schultern fallen, nur die vordersten Strähnen steckte ich mir mit zierlichen Haarnadeln nach hinten. Unten gaben die Eingangstüren ein leises Knarren von sich. Mein Zeichen um mich noch mehr zu beeilen. Nervös verließ das Bad. Unsicher warf ich einen kurzen Blick in das Foyer bevor ich wieder in unserem Schlafzimmer verschwand, um mir Klamotten überzuziehen. Ich ließ das Handtuch fallen, schlüpfte in eine Unterhose und suchte nach einem angemessenen Kleid.

War etwas schickes angemessen? Oder wirkte das zu gestellt? Ich entschloss mich letztendlich doch für ein elegantes längeres Stück in Blau - auch wenn es am Rücken ein klein wenig gewagt war. Unentschlossen betrat ich den Flur und machte mich auf den Weg nach unten. Nach Lukes Erzählungen schien sein Vater nicht gerade nett zu sein, das machte mich nur noch nervöser. Zwischen Luke und mir war die Situation noch immer sehr angespannt und kühl, was den unangekündigten Besuch nur noch perfekter machte. Die Stimmen, die gerade ein formelles Begrüßungsgespräch führten, wurden immer lauter, bis ich schließlich vor ihnen stand.

Lukes Eltern hielten beide inne und starrten mich an. Aufgeregt machte ich einen Knicks: "Hallo, ich bin Avery Turner. Es freut mich sehr Sie kennenzulernen." Die kalten Gesichtszüge des grauhaarigen Mannes richteten sich wieder zu seinem Sohn: "Ist sie das? Läuft sie immer so freizügig herum?" Na super, da hatte ich genau das richtige Kleidungsstück aus dem Schrank gezogen. Die Frau legte eine Hand auf Lukes Schulter: "Ich finde sie sieht aus wie eine Braut. Hallo Avery. Mein Name ist Elisabeth." - Sie kicherte: "Oh wie schön dich endlich einmal zu treffen." Nickend bedankte ich mich. Luke führte uns in die Richtung des Speisesaals, mein Mann legte fast schon beschützend die Hand um meine Hüfte - es war ungewohnt, doch ich ließ es geschehen. Seine Eltern brauchten um Gottes Willen nichts von unserem Streit erfahren. Wir setzten uns und während der Vater grimmig stumm mich weiter musterte, lächelte Elisabeth mich nett an: "Na dann, erzählen Sie doch einmal. Wie schlägt sich unser Sohn?" Ich dachte augenblicklich an die letzten drei Wochen und merkte wie Luke unruhig neben mir mit seinen Fingern spielte. "Gut natürlich", ich lachte leicht: "Er ist höflich, rücksichtsvoll, Luke macht mich glücklich, ist natürlich sehr attraktiv. Ich könnte mir keinen besseren Mann vorstellen!" Sanft griff ich nach seiner Hand, und legte meine auf seine um dieses nervöse Fingerspiel zu unterbrechen. "Ich hoffe mein Sohn vernachlässigt seine Arbeit nicht durch Sie.", wieder dieser kalte Blick des Vaters. "Keine Sorge. Ich habe meine Frau die letzten Wochen kaum gesehen, so sehr hab ich mich auf die Arbeit konzentriert.", Es lag Wut in seiner Stimme und eine offensichtlich unangenehme Stimmung machte sich breit. Die Mutter wandte sich wieder an mich, wollte das Übel mit ihrem Zwischenreden wohl eigentlich verhindern: "Und? Erwartet ihr schon ein Kind?" Ich wurde rot. Fordernd drückte ich auf Lukes Hand, um ihn um eine Antwort zu bitten. "Nicht das wir wüssten, Nein." Sein Vater schnaubte: "Dieses Weib lebt doch hier schon seit zwei Monaten - bist du nicht einmal dafür gut mein Sohn?" Langsam wurde auch ich wütend. Was für ein Mistkerl. "Wir kennen uns auch erst seit zwei Monaten, Vater, und ich sehe auch keinen Grund warum ich mich vor dir rechtfertigen sollte. Ich bin doch durch die Arbeit kaum daheim - oder denkst du wirklich ich wäre so dumm und würde nicht merken, dass die Aufträge von dir stammen?" Elisabeth senkte ihren Kopf, man sah ihr an das sie dieses Theater mehr als satt hatte, doch etwas zu sagen wagte sie nicht. Mein Mann und sein Vater stritten sich weiter, bestimmt noch eine weiter Viertelstunde, die Elisabeth und ich in einem unangenehmen Schweigen an dem Esstisch verbrachten - wenigstens war ich nicht länger das Thema. Trotzdem fühlte ich mich immer unwohler, weshalb ich mehr als dankbar für Elisabeths Geste war: "Wir lassen euch mal alleine"

Lukes Mutter schien sich in dem Haus bestens auszukennen, denn sie lief zielstrebig vor mir die Treppe hoch und bog in unser Schlafzimmer ab. "Es tut mir außerordentlich Leid, dass mein Ehemann so ist wie er ist. Mein Junge hatte es nie leicht mit ihm, nie ist etwas gut genug für George." Ich blieb stumm und nickte, klar ich war es im Übrigen schließlich auch nicht. " Ich freue mich sehr über eure Hochzeit, du scheinst ein wundervolles Mädchen zu sein! Doch der eigentliche Grund unserer Anwesenheit ist der Geburtstag meines Mannes. Er wird fünfzig und wir veranstalten dieses Jahr einen Ball ich - nein wir wollten euch einladen. Lukes Schwestern kommen sogar aus dem Ausland, aber ich mache mir Sorgen dass mein einziger Sohn die Einladung nicht annimmt." Die machte ich mir auch, nach dem letzten Aufeinandertreffen. „Ich tue mein bestes Elisabeth. Kannst du mir ein wenig über seine Geschwister erzählen? Er redet so wenig über euch." Seine Mutter nickte und wandte sich meinem Kleiderschrank zu: " Er hat vier Schwestern, Aethel, Lara, Davina und Alice. Luke ist der älteste, Aethel ist zwanzig, Lara und Alice beide achtzehn und Davina erst neun." - "Sind die beiden Zwillinge?" Sie schüttelte ihren Kopf: "Nein, Alice ist nicht unsere leibliche Tochter. Mein Mann war mit dem Militär in Britisch-Ostafrika und hatte dort einen guten Freund, der in einer Schlacht gefallen ist. Ach weißt du, George war nicht immer so kaltherzig und unzufrieden wie heute." Sie schluckte kurz. „Auf jeden Fall hatte dieser eine uneheliche Tochter mit einer der Einheimischen. Wir haben sie adoptiert."
Mein Kopf wandte sich zum Nachtkästchen: "Ist sie das auf dem Foto?" Lukes Mutter nickte lächelnd: "Ja die beiden waren wie Pech und Schwefel - immer nur Unsinn im Kopf." Elisabeth liebte ihre Kinder wirklich sehr, die Wärme in ihrem Blick war nicht zu übersehen. "Genug von unserer Familie. Ich will das George dich akzeptiert." Sie reichte mir ein oben geschlossenes Kleid aus meinem Schrank: „Zieh am besten dieses hier an, rot steht dir ausgezeichnet und der Stil gefällt meinem Mann -Und kannst du mehr tanzen als die Standardtänze?" Ein wenig überrumpelt antwortete ich: „Natürlich." Das orientrote Kleidungsstück war ein Hochzeitsgeschenk meines Onkels, ich hasste alles daran, die Länge, die Farbe und besonders den Schnitt. Eigentlich mochte ich es überhaupt nicht mich zu verstellen, etwas anzuziehen um anderen zu gefallen war doch nichts als sinnlos. Doch ich wollte auch gut genug sein. Ich wollte George beweisen, dass man mich nicht nur akzeptieren sondern auch respektieren sollte.

Gemeinsam mit Elisabeth spazierten wir anschließend noch gemächlich an der Küste entlang. Wir redeten viel, ich über meine Familie, sie über Luke. Bei den Jugendgeschichten meines Mannes entfuhr mir immer wieder ein Kichern - ich konnte es nicht glauben das der brave Königsberater früher so ungezogen war. "Kannst du dir vorstellen, dass er sich einmal einer Gruppe Plünderer angeschlossen hatte?", Ellie lachte herzhaft auf. Ich schlug mir die Hand vor den Mund: "Nein ehrlich?!" Lukes Mutter lächelte noch immer, doch ein Schleier der Traurigkeit legte sich über ihre Augen: "Ja. Besonders damals tat er beinahe alles um die Aufmerksamkeit seines Vaters zu kriegen. Ob Stolz oder Verachtung - alles war für ihn in Ordnung." Ich wusste nicht was ich dazu beitragen sollte, obwohl ich die Situation doch allzu gut verstand. Gerade als unser Gespräch vollkommen abebbte rief uns mein Butler von hinten zu. Wir sollten zurückkommen - "Ihr geehrter Ehemann wünscht zu fahren".

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