Wille

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Der Butler schloss gerade die Eingangstür hinter Lukes Eltern, als mein Mann mehr als genervt aufstöhnte. Das Gezanke zwischen ihm und seinem Vater hatte sich über fast zwei Stunden gezogen. Zwei Stunden voller Hass.

Luke griff genervt zu der ersetzen Vase und drehte sie in seiner Hand. Es krachte als sie zwischen seinen Fingern und der Tür zerbrach: „Luke!" Aufgewühlt setzte er sich auf die Couch und vergrub das Gesicht in seinen linken Hand: „Wie kann man nur so sein?" Unbeholfen nahm ich neben ihm Platz und rieb ihm tröstend über den Rücken. Mein Blick wanderte zu seiner rechten Handfläche an der sich das Blut in feinen Bahnen den Weg nach unten bahnte. „Wenn nicht einmal du gut genug für ihn bist - wer soll es dann sonst sein?" Ich reichte ihm eine Serviette, damit er die kleinen Wunden stillen konnte. Er schaute mich verletzt an:

„Danke Avery."

Fragend hob ich meine Augenbraue: „Für was?" - „Dafür das du behauptet hast, dass ich mich gut anstelle." Unsicher hielt ich seinem Blick stand. Ich beugte mich vor und drückte meine Lippen auf seine.

Es war der erste Kuss seit drei Wochen.

„Du stellst dich doch meistens auch gut an." Luke lächelte leicht: „Wie ich das vermisst habe."
Grinsend lehnte ich mich zurück und zog ihn über mich: „Ich auch." Er lachte, küsste meine Stirn und ließ sich sanft auf mich sinken. Lukes Kopf ruhte auf meiner Brust und sein Blick lag weit in der Ferne. Ich streichelte ihm sacht durch das braune volle Haar und beobachtete seine Lider, die von Sekunde zu Sekunde schwerer wurden. Er schwafelte noch etwas von wegen eigentlich müsste er jetzt mit seiner Arbeit weiter machen, bevor er in einen tiefen Schlaf glitt. Erst jetzt vielen mir seine tiefen Augenringe auf. Er hatte wirklich kaum Ruhe in den letzten Wochen.

Während Luke mit dem Träumen anfing griff ich nach meinem Buch, dass neben uns auf dem Tisch unter einem Stapel Blätter lag. Ich versuchte es so vorsichtig wie möglich herauszuziehen, als mir der Name „Dorsthy" auf einem der Papiere ins Auge fiel.
Dorsthy - was war das nochmal?  Interessiert ließ ich von Stolz und Vorurteil ab und zog die Dokumente zu mir.

Hiermit überträgt Samuel Smith, die Rechte an dem Geschäft Dorsthy im Ganzen auf den königlichen Berater Lukas Turner und damit der britischen Königsfamilie...

Stimmt. Das Geschäft.

... Der Verkäufer verkauft sein in Whitechapel, Buck's Row 47 gelegenen, im Handelsregister eingetragenen Betrieb an den Käufer. [...]

Der vereinbarte Kaufpreis liegt bei 10.000£ [...] der Firmenwert beträgt 56.800£.

Wieso verkaufte es der Mann für so viel unter seinem Wert? Das ergab doch gar keinen Sinn.

Anlage 1: Mitarbeiter bei dem Moment der Übergabe:
Henry Carter
Nicole Watson
[...]
Carrie Brown
...

Carrie Brown? Die Bilder schossen mir wieder in den Kopf. Unruhig legte ich den Vertrag zurück und schloss meine Augen. Carrie war eins der Opfer, dessen Bilder Luke mir letzten Monat gezeigt hatte. Sie war jung, zu jung für das was dieses Monster - wie nannte man ihn noch gleich? Jack?- mit ihr angestellt hatte.

Getrübt senkte ich meinen Kopf und beobachtete Lukas. Es musste bestimmt ein Schock für ihn gewesen sein, dass direkt nach der Übernahme eine Frau von genau jenem getötet wurde. Wieder fuhr ich ihm behutsam durch die Haare. Er wirkte schlafend immer so kindlich. Sein Atem war gleichmäßig, im Gesicht war nicht die kleinste Sorgenfalte zu sehen und sein Herz schlug ruhig gegen meine Bauchdecke.

Ungewollt kicherte ich, als Luke verschlafen seine Augen öffnete: „Wieso lachst du?"
Hatte das gerade wirklich ausgereicht um ihn zu wecken? Ob er meinen Griff nach den Papieren bemerkt hatte? „Du siehst so jung aus wenn du schläfst." Er gähnte benommen: „Willst du damit sagen dass ich eigentlich alt ausseh?" Ich schüttelte grinsend meinen Kopf: „Nein. Natürlich nicht. Du hast nur keine Sorgenfalten im Schlaf. Es ist schön zu sehen, wie du dir einmal nicht den Kopf über die Arbeit zerbrichst." Luke stand auf und griff zu den Dokumenten: „Wie lange habe ich geschlafen?"
Ich setzte mich ebenfalls auf und schaute durch das Fenster in die Dunkelheit: „Eine Stunde in Etwa?" Er stöhnte auf - es ging bestimmt wieder um seinen Beruf. "Was musst du noch machen? Etwas von deinem Vater?" Luke nickte und die Sorgenfalte zwischen seinen Augenbrauen kehrte zurück.

Sein Vater war heute so schlecht zu ihm gewesen. Er sollte sich nicht auch noch den Rest des Tages mit diesem Mann beschäftigen: "Nein. Leg die Akten weg." Überrascht drehte er sich zu mir: "Was?"  Ich nahm ihm die Blätter weg und legte sie zurück auf den Tisch: "Wir haben fast einen Monat kaum miteinander gesprochen - und ich kenne hier niemanden. Ich war so einsam und baden macht einsam nicht Spaß. Und -"

Luke erstickte meine schnellen Worte mit einem Kuss und lächelte: "Oh Avery ich würde liebend gerne jetzt ein Bad mit dir nehmen, aber die Arbeit muss mehr als dringend erledigt werden." Seine Hände wanderten zu den Akten: "Wir machen morgen etwas - du wolltest doch endlich in die Stadt oder nicht?"
Als bald er die Papiere in der Hand hatte kehrte diese Gleichgültigkeit in seiner Stimme zurück. Doch nach dem Tag machte es mich nicht mehr so wütend wie davor. Es machte mich eher traurig, da ich realisierte, dass ich den gleichen Tonfall wie bei seinem Vater vernahm. Sollte mein Mann etwa über die Jahre genauso garstig werden wie er?

Entschlossen schritt ich auf Luke zu und stellte mich auf meine Zehen: „Ja und ich lasse mir ab jetzt die Dinge die ich haben und machen will auch nicht mehr entgehen."

KittenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt