Rebellin

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Mr. Turners Anwesen war gigantisch. Es umfasste neben einer städtischen Villa im Stil der Renaissance, zwei Gasthäuser, einen Pferdestall, Wintergarten, Wald und sogar einen eigenen Golfplatz mit einem kleinen angrenzende Küstenteil.

Links und rechts der gepflasterten Straße, die zu dem Haus führte, waren Blumenbeete. Neben der japanischen Kirsche und Begonien waren dort im Kontrast zum zarten pink jegliche Farne angelegt, deren helles Grün einem sofort in das Auge stachen. Dazu kamen grüne Orchideen, sowie heller Ziertabak, die ich in diesen Farben noch nie gesehen hatte.

Begeistert schaute ich weiter aus dem Fenster der Kutsche, als die Pferde langsam zum Stehen kamen. Ein Butler öffnete uns die Tür und wie erwartetet kam mir direkt ein frischer, blumiger und sogar salziger Duft der Luft entgegen. Luke eilte um die Kutsche herum und reichte mir die Hand um mir den Abstieg aus dem Wagen zu erleichtern. Ich klopfte zügig die Falten des Rockes aus, während ich mir gleichzeitig meinen Sonnenhut aufsetzte.

Luke hatte letzte Nacht zwar in meinem Gemach geschlafen, es war jedoch nichts geschehen. Wir haben lediglich geredet und sind kaum später eingeschlafen. Es war schließlich für uns beide ein langer Tag. Heute morgen in dem Arm von jemandem aufzuwachen war mehr als ungewohnt, aber ein schönes Gefühl mit dem ich mich gerne anfreunde. Dieses Gefühl gab es bei Kilian nicht. Er konnte nie eine Nacht bleiben, zu groß die Angst, dass Zofen oder aber mein Vater selbst, ihn entdecken könnten.

Mein Ehemann wartete kurz an der Tür und küsste mich als ich auf ihn zukam. Es fühlte sich noch immer irgendwie komisch an, ich erwiderte es und sehnte mich beinahe nach mehr als Luke sich wieder von mir löste: „Möchten Sie sich hinlegen nach der langen Reise?" Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen: „Sechs Stunden sind doch keineswegs lang. Nein, viel lieber möchte ich mir das Anwesen anschauen oder doch gleich in die Stadt" Er schmunzelte bei meinen Worten und reichte mir die Hand: „Dann zeige ich Ihnen wohl zuerst den Garten."

Anstatt direkt durch die Villa zugehen, zog er mich an der Hand zur Rückseite des Hauses, wo er stehenblieb. Auch hier waren eine Menge Blumenbeete angelegt und wieder formten japanische Kirschen eine Allee, die wie es schien zur Küste führte. Alles war absolut gepflegt und ein wahres Glück fürs Auge.
„Mach es dir doch bitte gemütlich", hörte ich meinen Mann sagen. Ich wand meinen Blick von der absoluten Schönheit der Pflanzen ab, um mich auf das nette Bambus-Mobiliar zu setzen. Der gleiche Butler wie vorhin brachte mir ungefragt Tee und ich bedankte mich höflich: „Was für eine Sorte ist das denn?" Luke zögerte: „Lady Grey - Ich habe gehört es sei Ihre Lieblingssorte." Ich nahm einen Schluck und lachte: „Ja, in der Tat finde ich Lady Grey sehr schmackhaft. Wer hat es Ihnen erzählt? Von meinem Vater haben sie es bestimmt nicht." Mr. Turner horchte auf, ihm war wohl bewusst, dass das Verhältnis zwischen uns beiden nicht das Beste war: „Ihr Vater war es nicht wirklich, der mich auf Sie aufmerksam gemacht hat, es war viel mehr Ihre Mutter." Ich schickte eine stillen Dankes-Ruf an sie, deswegen hatte ich also keinen 65 jährigen Greis heiraten müssen, Sie hatte sich mit eingemischt. Das dies kaum zum Gefallen meines Vaters gewesen sein kann, muss ich wohl nicht erwähnen.

Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug.
Mr.Turner zeigte mir weiter das Anwesen und schließlich auch sein Haus. Wir unterhielten uns ständig über alle möglichen Themen und schafften es dadurch uns besser kennen zulernen. Ich erfuhr, dass er gerade einmal 26 Jahre alt war, seine Ausbildung zum Offizier abgeschlossen hatte und zudem für die Königin arbeitete.

„Queen Victoria trifft natürlich nicht alle Entscheidungen dieses Landes selber. Neben ihrer Familie tut dies ein enger Kreis an Beratern, zudem auch ich zähle.", erklärte er.

Um ehrlich zu sein war ich überrascht, dass Luke eine wirklich so hohe Stellung in unserem Land hatte, er war schließlich noch so jung. Doch man konnte nicht sagen, dass ich es toll fand, denn durch meinen Vater hatte ich durchaus einige Vorurteile gegen jene Menschen. „Nimm es mir nicht übel", fing ich leise an: „Aber meinen Vater und seine Freunde habe ich als solch kaltherzige Menschen kennengelernt, dass mir die höchsten Personen dieses Landes nicht gerade sympathisch sind." Ich hoffte, dass es ihn nicht verärgern würde. „Man gehört erst zu den höchsten Personen dieses Landes, wenn man sich als solcher fühlt und verhält, Avery." Ich wusste nicht genau was ich mit dieser Antwort anfangen sollte und beschloss so besser still zu bleiben.

Er fuhr fort mit der Besichtigung des Hauses, als man eine Glocke läuten hörte: „Es gibt Essen" Mit einem fragendem Blick begutachtete ich Luke: „Wie bitte?" Er grinste und drängte die Treppen, die wir gerade erst hochgegangen waren, wieder hinunter: „Die Glocke, es gibt Essen." Mein Mann wartete nicht auf mich sondern eilte direkt in einen größeren Saal, indem ein langer Tisch stand. Ich folgte ihm so schnell wie es meine Schuhe erlaubten und setzte mich - anders wie es sich gehörte - neben ihn und nicht an das andere Ende des Tisches. Er schaute kurz erstaunt auf: „Du hast manchmal seltsame Verhaltensweisen, Avery. Obwohl Sie aus einem Adeligen Elternhaus stammen und die dort herrschenden Benimmregeln durchaus kennen, halten Sie sie bewusst nicht ein" Er schenkte mir ein wenig von dem Rotwein ein und lehnte sich schließlich an die Stuhllehne: „Verstehen Sie mich nicht falsch - es stört mich keinesfalls, aber wundern tut es mich schon."

Ich nahm einen kleinen Schluck.

„Wie ich vorher erwähnt habe, hatte ich nie ein gutes Verhältnis zu meinem Vater. Ich war ihm immer zu aufmüpfig und zu neugierig. Er war mit keiner meiner Entscheidungen, die ich bisher in meinem Leben selbst getroffen hatte, zufrieden. Stattdessen verbot er mir den Umgang mit meinen Freunden und anderen Menschen, da er davon überzeugt war, dass sie einen schlechten Einfluss auf mich haben würden. Er war immer so kalt und distanziert daheim, ihm war ein gutes Benehmen unglaublich wichtig. Unter anderem eben diese schwachsinnigen Regeln. Ich meine, wofür sitzt man zusammen an einem Tisch, wenn die Entfernung so groß zwischen einem ist, dass man sich nicht einmal über den Tag austauschen kann? Meine Mutter, Geschwister und auch ich haben beschlossen, eben dies nicht zu tun solange mein Vater außer Haus war. Mir ist es wichtig ein herzliches und nahes Zuhause zu haben. Ich will nicht, dass meine Kinder so distanziert und lieblos aufwachsen wie in meinem Elternhaus." Luke horchte gespannt, das eben gesagte schien ihn nachdenklich zu stimmen.

Er lachte: „Eine Rebellin haben wir hier also.
Soweit finde ich gefallen an Ihrer Denkweise, aber Sie wissen hoffentlich wann Sie sich benehmen müssen."

Sollte das eine Drohung sein?

„Damit meine ich, dass dein Handeln keine schlechten Folgen für mich haben sollte."

Schon wieder diese komische Betonung der Wörter.
Ich zwang mich zu einem Lächeln und nickte: „Natürlich."

Sein kurzzeitig kalter Blick, wandelte sich sofort wieder in ein Lachen: „Anderes Thema, ich habe herausgehört, dass Sie Kinder - also Mehrzahl - haben wollen?" Seine Augen leuchteten, ich lachte kurz auf und schob das Thema mit einer Geste zur Seite: „Darüber reden Sie und Ich wenn es soweit ist."

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