Erlösungsgedanke⚠️⚠️

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POV Inéz

Ich weiß, dass diese verdammte Kamera mich beobachtet- ich weiß, dass es diesmal wirklich vorbei für mich ist und hasse meine Naivität.

Hasse mich für meine Hoffnung, denn sie trieb mich an, hin zu diesem offen stehenden Türspalt, hin zu dieser mattschwarzen Box.

Was wäre, wenn ich die nächste Türe betreten hätte und nicht diese. Wäre ich dann vielleicht frei? Würde ich dann nicht in diesem exakten Augenblick gefilmt werden?

Ich bin verlacht, vom Leben verhasst und mittlerweile scheint mir der Tod noch die beste Lösung zu sein.

~

Manchmal, da schwebt man durch die Leere, man fühlt sich wie nichts... man ist nicht mehr da, will es auch nicht sein und dann kommt einem dieser Erlösungsgedanke in den Sinn und scheiße, er klingt gerade viel zu verlockend.

Daran zu denken, befreit zu sein oder sich wenigstens befreit zu fühlen, ... fällt mir schon schwer. Ich glaube ich verliere allmählich meine Gedanken, sie verfliegen, verschwinden, lösen sich auf wie tauender Schnee.

Ich hasse, dass mein Körper, Geist und alles dass mich ausmacht, auf seine Machtspiele reinfällt. Ich verabscheue, wie ich auf ihn reagiere. Ich verachte, wie schwach ich werde, wenn er mich auf die Knie zwingt.

Ich hasse mich.
Ich will mich tot sehen.
Ich will STERBEN.
Ich will mir jedes Organ herausreißen und in seine Hände geben, damit er mich kaputt macht.
Auf meine Überreste trampelt und ich einfach weg bin.
Für immer und endgültig, weg.

Ich will vergessen, ich will vergessen werden.
Ich möchte nichts als Vergangenheit sein.

Ich bereue jede Sekunde, in der ich dieselbe Luft wie Ares eingeatmet habe.
Jede Sekunde, in der er mir die Luft entrissen und in ein dichtes Gefäß weggesperrt hat.

Erlöse mich von dem Bösen hoch heiliger Gott, wenn es dich noch in meinem jämmerlichen Leben gibt. Wenn es dich überhaupt je gegeben hat.

Erlöse mich endlich von den Todesqualen, denn ich ersticke an unmenschlichen Sünden, die Tag für Tag an mir und meinem Körper vergangen werden.

Ich lebe nur noch um den Zweck zu erfüllen, anderen ihre sadistischen Fantasien zu verwirklichen und ich bin dabei nicht mehr ich selber.

Ich bin das, was Ares erschaffen hat.
Nach und nach geformt, gestutzt und ausgelacht hat.

Jedes Mal wenn ich eine Form annehme, knetet er meinen tauben Körper erneut durch, verdreht und wendet ihn.

Einem Monster kann man es nie recht machen, es wird nie mit einem zufrieden sein, denn es hasst was lebt, hofft und rebelliert. Will, dass man sich fürchtet, sich seinem grässlichen Willen beugt und irgendwann, da reicht diesem Unwesen noch nicht einmal die Unterdrückung aus.

Da wird das Monster durstig, verlangt nach Erfrischung, erlangt diese durch den letzten vergossenen Blutstropfen des Aderwerkes seines Opfers.

Wieso mache ich mir darüber überhaupt Gedanken? Ich bin jetzt hier, während mich jemand beobachtet...und bereits als das stechende LED Licht anging, den Raum in eine kaltweiße Schandwelt verwandelte und ich die Kamera erblickte, wurde mir bewusst, dass das alles hier von Anfang an geplant war.

Nämlich von dem Monster höchstpersönlich.

~

Ich wende mich um, Tränen fließen wie fliehende Gedanken aus meinen Augen und ich sammele meine letzte Kraft, um den Deckel der mattschwarzen Kiste aufzuklappen.

Mein Herz pocht mir bis zum Hals, ich will mir gar nicht vorstellen, was sich in dieser Box befindet und was dieser ungeheure Anblick in mir auslösen wird. Doch ich weiß, dass kein Weg dran vorbeiführt, also beiße ich die Zähne zusammen und stemme den massiven Deckel mit voller Kraft hoch.

Ein quietschendes Geräusch nistet sich in meinem Gehörgang ein, als das schwere Teil langsam aufklappt und mir eine kühle Wolke entgegenkommt.

Ich blicke in die Kiste hinein und plötzlich stoppt die Zeit.
Mein Herz setzt aus.
Die Welt hört auf sich zu drehen.
Alles hört auf zu existieren.

Ich wage es nicht nachzudenken.
Ich wage es nicht Emotionen zuzulassen, selbst nicht in diesem Moment, wo mir diese blassweißen Personen gegenüberliegen.

Ich halte die Luft an.

„Inéz, hast du denn nichts zu deiner Überraschung zu sagen?" Dringt Ares grässliche Stimme durch einen Lautsprecher in mein Ohr und ich wage es nicht mich umzudrehen, gar mich zu regen.

„Ineeeeeezzz??" Hackt er nach und ich bleibe weiter bloß orientierungslos stehen. Wo bin ich? Was verf*ckt nochmal geschieht hier? 

„Inéz, wenn du weiter bloß so dastehst, komme ich runter und zwinge dich was zu sagen. Sonst bist du doch immer so taff. Was...hat dir der Anblick etwa die Sprache verschlagen?"

Ja, und wie er das hat.

Wie würde er bitteschön reagieren, wenn er ein Grab voller bekannter Gesichter öffnen würde?

Wahrscheinlich würde er an mehr denken, als ich.

Wahrscheinlich würde selbst er mehr dabei empfinden, als ich.

Ich bin unfähig die Eindrücke zu verarbeiten, weder den vertrauten Gesichtern entgegenzublicken, obwohl ich auf der Stelle bereit wäre vor Angst zu schreien und mein Gesicht im Boden zu vergraben.

Mein Mund wird staubtrocken, während ich auf zwei weiß gefärbte Schachfiguren herabschaue und meine zerstückelte Seele in diesen Menschen wiederfinde.

Jaro.

und

mein Vater.

Der Boden unter meinen Füßen fühlt sich nicht mehr existent an, nichts ist mehr wie es scheint. Nichts ist mehr zu retten, rein gar nichts.

Und dort ganz rechts liegend, am verschwommensten zu vernehmen, Seth Soarez. Kaltweiße Haut, eingegangene Wangen, herausstechende Knochen, violette Lippen.

Ich kriege keine Luft.
Ich vergesse zu atmen.

„Wem soll ich als erstes mein Beileid aussprechen Inéz, du darfst entscheiden." Ein hämisches Lachen ertönt aus dem Lautsprecher und ich zittere so heftig wie noch nie zuvor.

„Der Tod steht ihm gut, findest du nicht?"




/das Ende

Erlöse mich von dem BösenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt