Er lebt.

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POV Inéz

Er lebt.

Nichts könnte schöner klingen.

Seth lebt, seine Lungen füllt Luft. Sein schönes Herz pumpt Blut durch seine Venen. Seine weiche Haut nimmt einen warmen, vertrauten Ton an. Seine Fingern kribbeln, denn die Energie rennt durch seinen Körper wie kleine punktierte Blitze.

Unter Strom steht sein Antlitz und so dunkel die Umstände auch sein mögen, keine Melancholie kommt gegen diese Hoffnung an, die meine Seele in diesem unglaublichen Moment beflügelt.

Es fühlt sich plötzlich alles so lebendig hat, die Welt nimmt endlich wieder Farbe an, grau wird blau, schwarz wird rot, weiß verwandelt sich in ein Frühlings Bouquet aus Atemzügen, die mir nun viel leichter fallen. Dieser schreckliche Druck auf meiner Brust hat sich auf einen Schlag gelöst.

Ich öffne den Mund, lasse die Luft meine verdorbenen Lungen füllen, sich in mir ausbreiten. Alle Sorgen ausatmen und in die Welt hinaus verbannen, weit weg von mir, weit weg von Seth.

Mein Herz pocht im Takt seines Augenblinzeln, ich atme hindurch seiner Atemzüge. Ihn anzusehen, lässt mich das Licht der Welt neu entdecken.

Ich merke was es heißt Glückseligkeit zu empfinden. Dafür bedarf es nichts, als seiner bloßen Existenz.

Stück für Stück kehre ich zurück ins Leben. Zum Gefühl, das sich vor nicht allzu langer Zeit noch wie mein Zuhause angefühlt hat.

Es tut mir gut, dass er da ist.
Wirklich da, atmend und kämpfend, um zurück ins Leben zu kommen.

In ein Leben, das ich nur allzu gern mit ihm teilen möchte und das sich ohne ihn nicht lebendig anfühlt.

Ich beobachte jeden winzigen Millimeter seines Körpers, als hätte ich Angst, ihn erneut zu verlieren und müsse mir ein jedes seiner Merkmale genauestens in meiner Erinnerung abspeichern.

Schwarzes Haar, ungekämmt und wesentlich länger als das letzte Mal, als wir noch bekifft auf dem Feld lagen.
Etwas ungewohnter Anblick, doch selbst dieser Bart steht ihm.
Seine Augen blicken mir schwach blau entgegen, ich frage mich, ob er mich überhaupt wahrnimmt oder gerade womöglich die schlimmsten Schmerzen durchlebt. Innere Blutungen? Kopfschmerzen? Ein von innen plagender Wahnsinn? Alles ist möglich und nichts davon wünsche ich mir für ihn. Ich hoffe so sehr, dass er sich an nichts erinnert, was ihm hier schlimmes widerfahren ist. Es zerreißt mich, dass ich nicht weiß, wie es ihm wirklich geht und was in all' der Zeit mit ihm passiert ist.

Ihn nun hier zu sehen, stützend auf den Schultern fremder, böser Männer, fühlt sich einfach so abgrundtief falsch an.

Sonst würde er aufrecht stehen, hätte was zu sagen, würde mich mit einem frechen Grinsen auf den Lippen provozieren oder jemandem Befehle austeilen. Doch in seiner momentanen Lage wünsche ich mir einfach nur, dass er richtig zu sich kommt. Diese Trance erschreckt mich.

Er sieht nicht mehr wie er selbst aus und doch ist er es. Er war es immer.

Seth hängt schlapp in den Griffen der Bodyguards und so sehr ich mich auch von Ares' festem Griff loslösen will, es gelingt mir schlichtweg nicht. Beinah fühlt sich mein Arm taub an, so stark wie er ihn festhält und immer weiter Druck ausübt.

Doch ich sehe über den Schmerz hinweg, denn ich bin jetzt so nah an Seth, wie seit Monaten nicht mehr. Ich spüre seine Anziehungskraft, die mich wie einen Magneten an ihn bindet. Selbst in seinem schwachen Zustand, strahlt er eine ungeheuere Macht aus.

Er verkörpert alles, nach dem ich mich sehne.
Dominanz, Männlichkeit, Verlangen und ich kann der Versuchung kaum noch widerstehen. So sehr habe ich ihn vermisst.

Und nun rieche ich seinen männlichen Duft, höre ihn atmen und mir wird bewusst, dass nur er in diesem Rhythmus atmet und nur das mein Herz beruhigt.

Ich küsse gedanklich Seth's weiche Lippen.
Ich umarme gedanklich seinen geschwächten Körper.
Ich renne gedanklich mit ihm weit fort und wir rennen schneller als unsere Beine uns tragen können. Ohne jemals wieder zurückzublicken.

All' diese schmerzlichen Erlebnisse, jede noch so erschreckende Dunkelheit, wäre verbannt in die hintersten Ecken unserer Erinnerung. Wir würden sie ausblenden, bis sie langsam in Vergessenheit zerfließen und mit dem nächsten Wellengang endgültig aus unserem Leben verbannt wären.

„Inéz Liebes, bist du nun bereit für die Eheschließung?" Haucht mir Ares kalt in den Nacken und mit einem Mal überkommt mich die Gänsehaut.

Ich erwidere nichts und er nickt nur zufrieden.

„Dann kann es ja endlich losgehen, hat ja auch lange genug gedauert....", er verdreht seine Augen auf die hässlichste Weise, wie ein Augenverdrehen aussehen kann.

„Idioten, ihr könnt Seth nun loslassen. Er sollte mittlerweile im Stande sein, aufrecht zu stehen. Wenn nicht, hat er sich das selbst zu verschulden."

Wie auf Befehl, lassen sie ihn los und natürlich kann er sich noch nicht auf den Beinen halten und fällt lautstark zu Boden.

Mein Herz setzt aus.

Ich merke, wie ein Strudel aus Wut meinen Körper einnimmt und ich beiße Ares so stark ich kann in seinen Arm.

Er schreit erschrocken auf und verpasst mir plötzlich eine knallharte Ohrfeige.

Voller Zorn brüllt er mich an, haut mir Beleidigungen um die Ohren, die ich selbst meinen schlimmsten Feind nicht nennen würde.

Obwohl mich die Meinung all' seiner Männer einen feuchten Dreck interessiert, ist es trotzdem eine derartige Bloßstellung und ich bereue mich gewehrt zu haben, als er meinen Hals fest zupackt und mich zum Niederknien zwingt.

// Was wird als Nächstes passieren? Was denkt ihr?

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