Hallo meine Lieben, :))
Ausnahmsweise, und damit am Freitag Kapitel 17 kommen kann, veröffentliche ich heute bereits den zweiten Teil von Kapitel 16.😊
Viel Spass!😀Am nächsten Morgen fuhr Rick Anna, in einem Luxusschlitten der Marke Audi, zum Möbelladen, damit sie ihr Zimmer einrichten konnte. Woher das Auto kam, hatte Anna nicht gefragt, obwohl es einfach plötzlich vor der Einfahrt stand. Sie konnte sich denken, wer es für Rick organisiert hatte oder zumindest wer es bezahlt hatte und sie versuchte nicht an seinen Namen zu denken. Zu spät!
Natürlich dachte sie wieder an Kenshin. Sofort versuchte sie ihn wieder aus ihren Gedanke zu verbannen und sah kurz zu Rick, welcher konzentriert fuhr. Er hatte sie gebeten sich eher sportlich anzuziehen, bei der Tür hatte er ihr noch ein Cap auf den Kopf gesetzt.
„Damit man dich nicht sofort erkennt.", hatte Rick gemeint. „Hast du Stevens Kreditkarte und dein Handy?"
Anna hat nur den Kopf geschüttelt und Rick liess sie beides holen.
„Anna versprich mir bitte, dass du das Handy immer bei dir trägst.", bat Rick, nachdem sie wieder im Flur vor der Tür stand und ihn mit gerunzelter Stirn ansah. „Es geht mir nicht darum, dass ich dich erreichen möchte, sondern nur im Fall, dass du Hilfe holen musst und ich nicht an deiner Seite sein kann. Okay? Versprichst du mir das?"
Anna hatte nichts gesagt, jedoch genickt und Rick hatte erleichtert, aber dankend gelächelt. Was bei Anna ebenfalls zu einem leichten Lächeln geführt hatte, das nicht lange währte als ihre Mutter ankündigte, dass sie nun bereit wäre loszufahren. Rick hatte aber beide Elternteile erfolgreich überzeugen können, dass er und Anna dies allein tun sollten. Ihre Mutter blieb widerwillig zurück, am liebsten hätte sie Anna verboten jemals wieder ein Fuss aus dem Haus zu setzen. Anna spürte dies und fühlte sich eingeengt. Sie war mehr als froh, aus dem Elternhaus zu sein.
Rick fuhr mit ihr in ein Möbelhaus, welches weder günstig noch zu teuer war. Anna und Rick schauten sich eine Weile um, bis Anna etwas fand, was ihr gefiel. Es war eine komplette Einrichtung eines Schlafzimmers, bestehend aus einem Bett, Schränke, Kommoden, Regale, den passenden Schreibtisch und Lesesessel. Das Ganze war modern, hatte aber einen leichten asiatischen Stil, denn es bestand aus hellem Bambusholz, die Bettwäsche war purpurrot, sowie die Sesseln.
„Gefällt es dir?", fragte Rick überrascht und sie nickte. „Sollen wir es kaufen?"
Anna überlegte noch kurz, sie wusste, weshalb es ihr gefiel, denn alles erinnerte sie an Kenshin und sie wusste, dass sie eigentlich diese Möbel nicht kaufen sollte.
„Ja.", antwortete Anna dennoch und lächelte ihn kurz an. Rick erwiderte ihr Lächeln und gemeinsam gingen sie dann zu einer Verkäuferin. Sie kauften sich noch die Bettwäsche, Vorhänge und allerlei Kleinigkeiten. Rick überredete Anna noch ein Frisiertisch zu kaufen, da bei einem Bad im Haus es sonst oft eng werden könnte und so bräuchte sie das Bad nur um zu duschen, Zähne putzen und um aufs Klo zu gehen. Rick kaufte noch weitere kleinere Möbel für sie ein, welcher er der Meinung war, dass sie diese benötigte und Anna nickte einfach nur.
Später besprach Rick alles mit der Verkäuferin, ob alles heute noch geliefert werden konnte, was möglich war, mit einem Aufpreis versteht sich. Anna musste am Schluss nur bezahlen, stockte aber kurz als sie den Preis sah. Über zehntausend Schweizer Franken und sie schluckte leer. Unsicher sah sie zu Rick.
„Es ist in Ordnung Anna.", versicherte ihr Rick lächelnd. „Glaube mir, Steven hat zehntausend Franken schon mal für dümmeres Ausgegeben."
„Okay...", gab sie unsicher zurück und tippte dann die Geheimzahl, welche Rick ihr vorher gegeben hatte, in den Terminal ein. Obwohl Rick versicherte, dass es in Ordnung wäre und Steven vor ihrer Verabschiedung auch gesagt hatte, sie durfte sich damit alles kaufen, hatte Anna ein schlechtes Gewissen.
Als sie zurückfuhren, war Rick in bester Laune und drehte die Musik im Auto lauter. Anna beobachtete ihn kurz, wie er die Musik genoss und sie musste unwillkürlich lächeln. Wieder zu Hause hatte ihre Mutter bereits das ganze Zimmer geputzt und sogar die Fenster gereinigt. Alles war bereit für die neuen Möbel, diese mussten nur noch kommen. In der Zwischenzeit montierte Rick und ihr Vater eine lange Schiene für Vorhänge, welches die ganze Länge des Zimmers nahm. Da das Dach hier besonders schräg war, konnte hier niemand stehen, also war die Idee einen Vorhang zu montieren, um eine Wand zu simulieren, dahinter konnte man dann immer noch Kartons verstecken.
Nach dem Mittagessen kamen die Möbel und Annas Mutter schickte Anna in das ehemalige Zimmer ihrer Schwester, ihre Mutter wollte nicht, dass fremde Männer sie sahen. Anna fand diese Reaktion übertrieben, sich aber für eine Weile auszuklinken, kam ihr gelegen.
Sie setzte sich auf dem Lesesessel ihrer Schwester und schaute gedankenlos aus dem Fenster, der Alptraum der gestrigen Nacht lag ihr immer noch in den Knochen. Sie versuchte so gut wie möglich an nichts zu denken. Sie wusste nicht, wie lange sie so gesessen hatte, als Rick kam und sie fragte, ob sie mithelfen wollte, die Möbelbauer wären schon seit einer Weile weg. Natürlich half Anna gern, ausserdem war es eine willkommene Ablenkung.
In ihrem neuen Zimmer staunte Anna nicht schlecht, das Bett war aufgestellt und auch der dreitürige Schrank stand bereits. Sie fragte sich wie die ganzen Möbel überhaupt nach oben gebracht wurden. Ihr Vater lächelte sie sanft an, als er sie sah, dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder der Kommode, welche er mit Rick aufbaute. Anna begann einen Nachttisch zusammenzubauen, sie hatte sogar Spass dabei.
Sie kamen schnell voran und als es fast fünf Uhr nachmittags war, waren alle Kommoden und ihr Frisiertisch aufgebaut. Sie begannen, alles am richtigen Ort zu platzieren. Anna hatte sich dabei keine Gedanken gemacht, im Gegensatz zu Rick und dies bereits im Möbelhaus. Wieso hatte sie dies nicht bemerkt?
Sie liess Rick freie Hand und sie musste dabei sogar Lächeln, wie er das ganze managte. Am Schluss stand das Bett in der Mitte des Raums, der passende Teppich war unter das Bett ausgebreitet worden, war aber gross genug, dass dieser weit über das Bett und die Nachttische ging. Gleich hinter dem Bett war die Trennwand, welche ebenfalls zur Zimmerausstattung gehört hat, diese versteckte geschickt die Rückseite des dreitürigen Kleiderschranks und so ergab sich hinter ihrem Bett ein Ankleideraum. Unter den Fenstern hatten sie dann zwei der Kommoden platziert und die dritte Kommode leicht schräg auf der rechten Seite, auf der linken Seite ihres Ankleideraums war der Frisiertisch, in dessen Ecke ein Ganzkörperspiegel und daneben noch eine kleine Sitzgelegenheit. Die Vorhänge hingen ebenfalls alle und das Bett war auch schon bezogen. Die Nachttischlampe und der Wecker waren installiert, sowie die Stehlampe bei den Kommoden. Anna blickte über ihr fast fertig eingerichtete Zimmer, Rick hatte Dinge gekauft, die ihr gar nicht aufgefallen war.
„Du warst nicht ganz dabei, als wir im Möbelhaus waren, nicht wahr?", fragte Rick leise, als er ihren Blick bemerkte und Anna schüttelte beschämt den Kopf. Es stimmte, sie war zwar anwesend, aber mit ihrem Kopf war sie weit weg gewesen. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass ihr Vater nicht mehr im Zimmer war. Würde es immer so sein?
„Ist schon in Ordnung, Anna. Es braucht alles seine Zeit!", meinte Rick einfühlsam. „Und ich bin für dich da okay?"
Anna blickte ihn überrascht an, war sie so einfach zu durchschauen?
„Danke Rick.", bedankte sich Anna aufrichtig und lächelte scheu. „Danke für das Zimmer."
„Keine Ursache.", erwiderte Rick lächelnd. „Ich geh mal runter, es hat vorhin geklingelt und will nachsehen, wer es ist."
Anna nickte, während Rick die Leiter herunterstieg. Anna betrachtete wieder ihr neues Zimmer und war überwältigt von Ricks Fürsorge. Sie beschloss, ebenfalls nach unten zu gehen, sie war neugierig, denn die Stimmen wurden immer lauter. Je näher sie dem Eingangsbereich näherte, desto mehr hatte sie das Gefühl, dass die Stimmen ihr bekannt vorkamen.
„Ich finde, es ist noch nicht an der Zeit, dass ihr Anna besucht. Sie ist von der ganzen Sache immer noch völlig traumatisiert!", hörte sie ihre Mutter sagen. „Es würde nur die ganzen Erinnerungen neu hervorholen!"
„Diese Erinnerungen teilen wir mit ihr!", sagte eine weibliche Stimme, Anna wusste, dass sie diese kannte.
„Mrs. Turner glauben Sie nicht, dass Anna dies selbst entscheiden sollte?"
Ricks tiefe ruhige Stimme empfand Anna als beruhigend und sicher genug, um die Treppen runterzukommen.
„Meine Tochter ist momentan nicht in der Lage gute Entscheidungen zu treffen!", erwiderte ihre Mutter darauf. Fast hätte Anna darauf entrüstet geschnaubt, als sie die Worte ihrer Mutter hörte. Diese schien der Meinung zu sein, dass Anna seit ihrer Entführung unfähig war, gute Entscheidungen zu treffen. Doch trotz dieser Einschätzung hatte Anna es geschafft, ihre Freunde zu retten. Sie konnte verstehen, dass ihre Mutter sie nur schützen wollte, um sie vor weiterem psychischen Schaden zu bewahren. Dennoch ärgerte sie sich über den letzten Satz und aus Trotz setzte sie ihren Weg die Treppe hinunter fort, aber sie blieb in der Treppe perplex stehen, als sie die Menschen, die sich in dem Eingangsbereich gezwängt hatten, erkannte.
„Mrs. Turner, bitte, wir wollen Anna nur kurz sehen. Wir wollen wissen, wie es ihr geht.", bat Adrian nochmals sie zu sehen. Rick merkte als erster, dass Anna auf der Treppe stand, darauf merkte es plötzlich jeder. Anna blickte immer noch fassungslos in die Gesichter von Luljeta Vanessa, Sonja und Adrian. Es verging nur ein paar Sekunden, doch dann überbrückte Anna die wenige Distanz und nahm zuerst Luljeta in die Arme, da sie ihr am nächsten stand.
„Oh mein Gott, ihr seid alle wohlauf!", flüsterte sie überwältigt ihre Freunde wieder zu sehen. Sie nahm alle nacheinander in die Arme, Adrian umarmte sie am längsten oder besser gesagt, solange sie es vermochte zu ertragen. Sie sahen sich alle gegenseitig an, verschiedene Gefühle spiegelten sich in allen wider. Freude sich wieder zu sehen, Glück, dass alle wieder zu Hause waren und auch Fragen standen noch offen. Von ihren Freunden aus mehr als von ihrer Seite aus. Aber dies war nichts was sie mit ihren Freunden hier im Eingangsbereich besprechen wollte.
„Es ist schon okay, dass sie hier sind Mama.", meinte Anna an ihre Mutter gerichtet. „Ist es in Ordnung, wenn wir in mein Zimmer gehen?"
Ihre Mutter schürzte die Lippen und Anna dachte schon, ihre Mutter würde dies nicht zulassen. Jedoch nickte sie knapp.
„Aber nicht zu lange, wir essen bald!", erwiderte sie noch. Anna lächelte ihre Mutter dankbar an und gab ihren Freunden ein Zeichen ihr zu folgen. Anna nahm die Treppe nach oben und wartete bei der Leiter, dass alle mitkamen.
„Ist das dein Zimmer?", fragte Luljeta, welche ihr als erste gefolgt war und blickte in Annas alte Zimmer.
„Ähm nein, das ist mein altes Zimmer. Mein Zimmer ist noch ein Stockwerk höher.", antwortete Anna, ein wenig peinlich berührt und zeigte auf die Leiter.
„Oh, das ist ein wenig Umständlich, oder nicht?", meinte Sonja nun.
„Es ist schon in Ordnung.", erwiderte Anna. „Auf jeden Fall für mich."
Dass war es für sie wirklich, alles war besser als ihr altes Zimmer. Sie erklomm die Leiter nach oben und wartete, dass alle ebenfalls oben waren.
„Oh wow, ich verstehe dich. Du hast hier oben ein sehr grosses Zimmer, dass macht einiges wieder wett.", gab Sonja an, als sie bewundern ihr Zimmer bestaunte. Auch die anderen blickten bewundernd ihr grosses Zimmer, wobei Adrian nur kurz ihr Zimmer ansah. Sein Blick ruhte auf Anna, sodass ihr ein wenig mulmig wurde. Anna legte ihre Arme um sich, als ob sie sich so von seinen Blick schützen konnte.
„Sind das alle neue Möbel?", fragte Luljeta interessiert und lächelte Anna sanft an.
„Ja, ein Geschenk von Steven.", antwortete Anna leise und ging nicht mehr darauf ein. „Kommt setzen wir uns alle aufs Bett."
Alle nickten und machten sich aufs Bett bequem. Anna setzte sich am linken Kopfende des Bettes, Adrian hatte sich auf der anderen Seite gesetzt, während sich ihre drei Freundinnen sich am anderen Ende des Bettes gesetzt hatten.
„Wie geht es Steven?", fragte Vanessa, sie sprach mit gesenkter Stimme, wahrscheinlich weil Annas Zimmer keine Tür hatte und nicht wusste, ob Annas Eltern lauschten, dabei strich sie sich einer ihrer aschblonden Strähnen hinters Ohr.
„Ich denke, es geht ihm gut.", antwortete Anna genau so leise. „Danke, dass ihr gesagt habt, dass ihr ihn nie gesehen habt."
„Das war eigentlich selbstverständlich.", meinte Adrian, sein Blick war ernst. „Er hat uns schliesslich geholfen."
„Ihr wisst gar nicht, wie viel mir dies bedeutet.", sprach Anna und sah alle dankbar an.
„Doch, dass wissen wir.", entgegnete Luljeta und lächelte sie wieder sanft an. Anna blickte verwirrt die drei jungen Frauen an.
„Wir haben in unserer Gefangenschaft mehr mitbekommen, als du denkst Anna.", liess Sonja sie wissen und Anna blickte nun ein wenig geschockt drein.
„Wie viel habt ihr denn mitbekommen?", flüsterte sie entsetzt. Wussten sie Bescheid was Anna alles getan hatte, all die Taten, welche sie sich schämte?
„Wir wissen genug.", erwiderte Sonja und Anna blickte beschämt auf ihre Hände. Wussten sie wirklich, was Anna alles getan hatte? Wussten sie, dass sie sich dafür schämte, Bors schöne Augen gemacht zu haben? Würden sie es verstehen? Würden sie es ihr danken?
Anna wusste es nicht, denn da sassen sie nun, vier Fremde auf ihrem Bett. Anna nannte sie Freunde, aber eigentlich kannten sie sich untereinander nicht. Sie waren nur fünf Menschen, die dasselbe Grauen erlebt hatten, die einen hatten mehr Leid erdulden müssen, als die anderen. Doch das war das Einzige was sie verband. Konnte daraus eine Freundschaft entstehen? Wahrscheinlich, denn nur diese vier Menschen konnten Anna ansatzweise verstehen. Dies erhoffte sich Anna jedenfalls.
„Es gibt nichts, wofür du schämen müsstest.", hörte Anna plötzlich Luljeta sagen und blickte wieder hoch. „Ohne dich wären wir als... Sexsklavinnen verkauft worden."
Luljeta brachte das Wort Sexsklavin kaum heraus und Vanessa zuckte bei dem Wort zusammen. Anna sah wie Vanessa qualvoll die Augen schloss und sie wusste instinktiv, dass Vanessa weit schlimmeres erlebt hatte, als Sonja und Luljeta. Am liebsten hätte Anna nachgefragt, aber aus Erfahrung wusste sie, dass Vanessa nicht reden würde.
„Du musst uns nichts erzählen.", ergriff Sonja das Wort. „Was wir nicht wussten, hat uns Adrian bereits erzählt."
Anna nickte und war dankbar, dass sie nicht über die Geschehnisse reden musste.
„Wie geht es euch?", fragte sie leise, um ein wenig die Richtung des Themas zu ändern. „Wie ist es wieder zu Hause zu sein?"
Es blieb eine Weile still, ihre Freunde schienen sich ein wenig unbehaglich zu fühlen, als Vanessa das Schweigen durchbrach.
„Es ist schön wieder zu Hause zu sein, aber... es ist verdammt schwer, das Ganze hinter sich zu lassen."
„Wir versuchen nach vorne zu blicken, doch es ist nicht einfach.", setzte Sonja fort. „Viele sehen uns mitleidig an oder behandeln uns wie Porzellanpuppen."
„Als ob wir jetzt auseinanderfallen würden, nachdem wir das Schlimmste bereits hinter uns haben.", erwiderte Vanessa und schnaubte verächtlich auf und Anna konnte ihren Ärger mehr als gut verstehen.
„Seit einer Woche gehen wir wieder zur Schule, haben versucht uns in den früheren Alltag wieder zurecht zu finden.", erzählte Adrian weiter. „Aber in der Schule ist es noch schwieriger, weil alle wissen wollen, was passiert ist oder fragen nach dir. Ob wir wissen, wo du bist und was dir geschehen ist."
Anna hörte zu, wohl wissend, dass ihr dies alles ebenfalls blühte.
„Um ehrlich zu sein, es ist die Hölle.", gab Sonja leise an. „Die einzigen die uns normal behandeln sind Adrians Freunde."
„Wie geht es ihnen?", fragte Anna sofort nach. „Wie geht es Stefano?"
„Es geht ihnen gut, auch Stefano. Er hat sich von der Schussverletzung gut erholt.", antwortete Adrian lächelnd, es war das erste Mal seit langem, dass Anna sein Lächeln wieder sah. Dieses Lächeln, dass sie aus allen Wolken fallen liess. Früher jedenfalls.
„Sie werden dieses Jahr ihren Abschluss machen und in einer Lehre gehen.", erzählte Adrian weiter. „Stefano wird eine kaufmännische Lehre in der Gemeinde beginnen, Try hat sich für die Mechanikerlehre entschieden und Luca wird studieren, er möchte immer noch Tierarzt werden."
„Und du? Du wärst doch dieses Jahr mit der Schule auch fertig gewesen.", fragte Anna nach, doch sobald sie die Frage gestellt hatte, bereute sie diese, denn Adrians Lächeln wirkte auf einmal traurig.
„Ich werde das letzte Schuljahr wiederholen müssen. Die Lehrer gaben mir zwar die Chance an die Prüfungen teilzunehmen, welche ich verpasst habe, aber die gingen nicht besonders gut aus.", erwiderte Adrian seufzend, doch dann lächelte er ein wenig. „Das positive ist, dass wir im neuen Schuljahr alle in derselben Klasse sind."
„Immerhin etwas positives.", murmelte Luljeta und die anderen nickten zustimmend.
„Vorausgesetzt meine Mutter lässt mich jemals wieder aus dem Haus.", gab Anna darauf an und ihre Freunde sahen sie stirnrunzelnd an.
„Was meinst du damit?", fragte Sonja nach. „Ich meine, ich kann deine Mutter verstehen, dass sie Angst hat, aber es ist ja nicht so, dass ein zweiter Bors sein Unwesen treibt und du ein zweites Mal entführt wirst. Ich meine, was wir erlebt haben, wird nicht nochmals passieren, oder?"
Sonja lachte darauf ein wenig hysterisch auf. Anna sah in die Gesichter ihrer Freunde und ihr wurde bewusst, dass sie gar nicht wussten, was in Hiyokuna alles geschehen ist, seit sie das Land mit ihrer Familie verlassen hatten.
„Ihr wisst gar nicht, was in Hiyokuna los ist, oder?", fragte Anna sicherheitshalber nach, doch wie befürchtet schüttelten ihre Freunde den Kopf. Anna blickte fassungslos in ihre Gesichter, konnte es wirklich sein, dass sie völlig ahnungslos waren, dass Bors immer noch auf freien Fuss ist? Und wieso musste ausgerechnet sie ihnen dies mitteilen müssen? Wie sollte sie es sagen, dass ihr Peiniger noch nicht gefasst wurde?
„Anna?"
Adrians sorgenvolle Stimme riss sie aus ihren Gedanken und als seine Hand ihre Schulter berührte, zuckte sie zusammen, sodass Adrian seine Hand schnell wieder wegnahm.
„Bors ist noch frei.", flüsterte sie nach einigen Sekunden der Stille und sie sah wieder in die Gesichter ihrer Freunde, welche sie mit entsetztem Blick ansahen.
„Was?"
Adrian war der erste, der wieder zu Worte kam.
„Aber du bist doch hier und...", wisperte Vanessa mit fassungslosem Blick, während die anderen zwei Mädchen still blieben.
„Wie?", presste Adrian wütend zwischen den Zähnen hervor, doch Anna blickte wieder auf ihre Hände in ihrem Schoss.
„Ich konnte gerettet werden, ohne dass Bors verhaftet wurde.", erklärte sich Anna. „Er ist auf der Flucht, aber die Polizei konnte ihn noch nicht finden. Keiner weiss, wo er ist."
„Aber dann wird er wieder hierherkommen und uns holen!", flüsterte Vanessa ängstlich und blickte panisch.
„Nein, das wird er nicht!", erwiderte Adrian leise. „Er wird nur sie holen!"
Anna blickte auf, Adrians Blick ruhte auf sie, jedoch war sein Blick voller Angst. Voller Angst um sie.
„Bors wird nur dich zurückholen. Er wollte immer nur dich und er würde alles tun, dich wieder zu haben! Habe ich recht Anna?"
„Ja... du hast recht!", flüsterte Anna zustimmend, fuhr dann mit festerer Stimme weiter. „Ihr müsst keine Angst haben, dass Bors euch ein zweites Mal entführt. Er wird nur auf mich fixiert sein, deswegen habe ich auch Rick zur Seite gestellt bekommen."
„Wer ist Rick?", fragte Luljeta und zog die Augenbrauen zusammen.
„Der Mann der mit meinen Eltern unten stand. Er ist mein Bodyguard."
Es blieb eine Weile still.
„Ich dachte, das wäre dein Psychiater.", erwiderte Luljeta nachträglich.
„Ja, ein sehr gutgebauter, muskulöser Psychiater.", fügte Sonja noch hinzu. Die Vorstellung, Rick als Psychiater liess Anna schmunzeln. Sonjas Kommentar liess alle ein wenig schmunzeln und lockerte die Stimmung. Wieder wurde es im Zimmer still, jedoch war durch die aufgelockerte Stimmung die Stille nicht unangenehm. Als würde jeder die gemeinsame Stille geniessen. Ein leises Klopfen durchbrach die Ruhe und alle blickten zur Öffnung des Dachgeschosses. Ricks Kopf tauchte auf und lächelte alle warmherzig an.
„Es ist leider Zeit runterzukommen. Es gibt gleich Essen und Annas Mutter möchte, dass ihr geht.", informierte Rick sie. Anna seufzte und ihre Freunde standen langsam auf und gingen zur Leiter.
„Anna?"
Adrians Stimme war leise, so leise, dass Anna sie fast nicht gehört hätte, während ihre Freundinnen die Leiter runterkletterten. Fragend blickte sie Adrian an, er wirkte ein wenig nervös, kam ihr aber auch näher, was Anna ein wenig unwohl fühlen liess.
„Ich wollte dir nur sagen, dass meine Gefühle für dich... immer noch da sind.", flüsterte er und blickte ihr direkt in die Augen. „Diese Gefühle sind echt, sie waren schon vor der ganzen Sache da und sind jetzt nur noch stärker da! Es war nichts gelogen!"
Anna sah ihn mit grossen Augen an und wusste auf den ersten Moment nicht was sie genau darauf erwidern sollte. Auch von ihrer Seite her, war nichts gelogen gewesen, sie hatte Gefühle für ihn, ja sie liebte ihn, aber eigentlich wäre sie lieber bei einem anderen Mann.
„Ich wollte nur, dass du es weisst und auch, dass ich mir mehr erhoffe.", sprach Adrian weiterhin leise und nahm ihre Hand in die seine. Anna konnte nicht verhindern, dass sie zusammenzuckte, brachte es aber gerade noch so zustande ihre Hand nicht ruckartig wegzuziehen. Dennoch entging Adrian ihre Reaktion auf seine Berührung nicht und sein Blick wurde schwermütig.
„Meine Gefühle zu dir waren ebenfalls nicht gelogen.", erwiderte Anna leise und entzog sich seiner Hand, da sie seine Berührung nicht länger ertrug. „Aber es ist sehr viel passiert, seit wir getrennt wurden und ich... ich brauche Zeit!"
Adrian sah sie wehmütig an, doch dann lächelte er schwach.
„Das verstehe ich. Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst, ich kann warten!"
Anna blickte Adrian dankbar an, dennoch breitete sich eine unangenehme Stille zwischen beide aus, welche von Annas Mutter, die ihren Namen rief, durchbrochen wurde. Anna musste zugeben, dass sie ihrer Mutter für dieses Timing dankbar war. Schnell stiegen Anna und Adrian die Leiter hinunter, da die anderen auf sie warteten.
DU LIEST GERADE
Gefangen im Schatten der Angst - Wieso er?
Mystery / ThrillerDer Weg von Anna, einer sechzehnjährigen jungen Frau, ist von schrecklichem Missbrauch und Vergewaltigung geprägt. Trotz der schmerzhaften Erfahrungen, denen sie ausgesetzt ist, stellt sie sich mutig dieser Tortur, um ihre Freunde vor ihrem Entführe...