Kapitel 12 Teil 2

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Anna ging gemütlich in den Palast zurück, sie fühlte wunderbar im reinen mit sich selbst. So wie immer, wenn sie meditiert hatte. Sie wollte gerade die Treppe nach oben zu ihrer Suite nehmen, als Kanaye sie aufhielt.
„Miss Turner, Sie werden im Arbeitszimmer des Kaisers erwartet.", informierte er sie.
„Ist etwas passiert?", fragte Anna den älteren Mann besorgt, da Kenshin sie noch nie in seinem Arbeitszimmer zitiert hatte. Da lächelte Kanaye sie warmherzig an.
„Ich denke nicht, seien Sie da mal unbesorgt."
Anna bedankte sich lächelnd und ging Richtung Kenshins Büro, trotz Kanayes Beschwichtigungen wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie nichts Freudiges erwarten würde. Vor der Tür des Arbeitszimmers klopfte sie an und trat ein. Kenshin sass wie immer hinter seinem Schreibtisch, aber er war nicht allein. Zu Annas Überraschung sass Rick auf einer der Sessel vor Kenshins Schreibtisch und Steven stand in der Nähe des Tisches.
„Hey Kleines.", grüsste Steven sie lächelnd.
„Stör ich euch bei einer Besprechung?", fragte Anna unsicher und blickte zu Kenshin.
„Du störst niemals Anna!", meinte Kenshin mit seiner ruhigen Stimme und lächelte sie ebenfalls an, jedoch erreichte es seine Augen nicht. „Setz dich doch zu uns."
Anna nickte, merkte aber, dass jeder auf seine Weise angespannt war. Es war unnatürlich still, während sie sich setzte, was sie nicht verunsicherte sondern nervte.
„Was ist los? Ihr könnt es mir ruhig direkt sagen, wenn etwas Schlimmes passiert ist!", wollte Anna gleich wissen, denn sie wollte nicht mit Samthandschuhen angefasst werden. „Ich bin psychisch stabil genug, um nicht gleich bei jeder schlechten Nachricht eine Krise zu bekommen!"
Dabei sah sie Steven bewusst an, weil es meistens er war, der sie mit Samthandschuhen anfasste.
„Tut mir leid Kleines, dass wir dir dieses Gefühl gegeben haben, aber eigentlich haben wir gute Neuigkeiten!", gab Steven lächelnd an und Anna wurde sofort hellhörig. „Du wirst nach Hause gehen können!"
„Nach Hause?", fragte Anna ein wenig irritiert.
„Zu deiner Familie Anna."
Für einen Moment war Anna wie betäubt. Sie hatte gar nicht mehr daran gedacht nach Hause zu gehen, ihre Familie wieder zu sehen. Auf jeden Fall nicht bevor Bors gefasst wurde. Sie war viel zu beschäftigt gewesen, sich selbst zu finden, ihren Körper und Seele zu heilen und natürlich sich mit Kenshin zu amüsieren. Sie sah Kenshin an, welcher sie ebenfalls ansah. Sie suchte nach einem Zeichen, dass er traurig wirkte, dass sie zurückging oder dass sie hierbleiben sollte. Irgendeins, aber da war nichts ausser seiner autoritären Aura.
„Anna ist alles in Ordnung?", hörte sie plötzlich Rick fragen.
„Ja... alles in Ordnung.", stammelte Anna hervor und war immer noch leicht benommen von den Neuigkeiten.
„Wirklich?", fragte Steven nach und wirkte besorgt. „Du wirkst nicht gerade glücklich über diese Neuigkeiten."
„Doch! Ich bin glücklich über diese Neuigkeiten!", log Anna sofort, obwohl sie nicht einmal genau wusste, wieso sie log. Bors war, immer noch auf freiem Fuss, wie konnte sie da überhaupt denken nach Hause zu gehen? Sie war noch nicht bereit dazu nach Hause zu gehen. Doch Anna wusste auch, wieso sie nicht nach Hause gehen wollte. Kenshin!
„Aber?", hackte Steven nach und riss Anna wieder aus ihren Gedanken.
„Es ist nur... ich bin einfach überrascht!", gab Anna zu und sah nun Steven an. „Ich habe nicht daran gedacht nach Hause zu kommen, bevor Bors gefasst wurde. Ich dachte ich hätte mehr Zeit..."
Beim letzten Satz blickte sie wieder zu Kenshin, damit er verstand was sie meinte. Sie wollte mehr Zeit mit ihm. Jedoch reagierte er nicht und sagte immer noch nichts.
„Anna du bist jetzt schon einen Monat hier und es geht dir eigentlich besser, wenn ich sogar sagen darf, dass es dir wieder gut geht. Du selbst hast gerade gesagt, dass du wieder psychisch labil bist.", meinte Steven behutsam. „Denkst du nicht, dass es besser wäre nach Hause zu gehen? Deine Eltern vermissen dich bestimmt schrecklich und deine Schwester, deine Freunde, Adrian!"
Anna merkte, dass bereits alles beschlossene Sache war. Es wurde bereits entschieden, dass sie nach Hause ging. So wie es aussah hatte sie da kein Mitspracherecht, also nickte sie einfach, da sie plötzlich einen grossen Kloss im Hals hatte.
„Und wegen Bors haben wir uns bereits Gedanken gemacht. Rick würde weiterhin dein Bodyguard sein, solange bis wir Bors gefasst haben.", fuhr Steven einfühlsam fort. „Du wirst also jederzeit beschützt sein."
„Wenn das für dich in Ordnung ist?", vergewisserte sich Rick und lächelte sie an.
„Ja natürlich.", antwortete Anna und zwang sich zu einem Lächeln.
„Wunderbar, ich freue mich dich wieder mit deiner Familie vereint zu sehen, nicht wahr Kenshin?", sagte Steven munter und lächelte sie an.
„Ja, das wird eine grosse Freude sein."
Es war das erste Mal, dass er sich zum Thema äusserte, jedoch war seine Stimme eher monoton. Anna sah ihn an und hörte wie Kenshin, Steven und Rick besprachen wie es nun weiter ging. Von dem offiziellen Bekanntgeben, dass sie nun gerettet worden ist, bis zur Anreise ihrer Eltern. Anna hörte kaum zu, sie betrachtete Kenshin, welcher sie kaum ansah. Was ist nun wieder passiert, dass er wieder so abweisend zu ihr war? Sie musste unbedingt mit ihm reden, und zwar jetzt!
„Entschuldigt, dass ich euch unterbreche, bei der Planung. Ich würde gerne mit Kenshin reden!", sagte Anna ruhig, als Steven und Rick sie stirnrunzelnd ansahen. „Allein! Bitte!"
„Natürlich!", stimmte Kenshin zu, nickte Steven und Rick zu, dass sie gehen sollten. Während Rick aufstand, ging Steven noch näher an Kenshin heran. Dieser flüsterte ihm etwas leise zu, sodass es Anna nicht verstehen konnte und Kenshin nickte wieder knapp. Steven und Rick verabschiedeten sich mit einem, bis später, dann gingen sie aus dem Arbeitszimmer. Anna hörte wie die Tür geschlossen wurde, während sie und Kenshin sich anschauten. Eine Weile sassen sie einfach nur so da, keiner ergriff das Wort.
„Du schickst mich also weg!", fing Anna an und klang dabei viel Vorwurfsvoller als gewollt, dabei sah sie ihn weiterhin an.
„Nicht wenn es nach mir ginge!", antwortete Kenshin und endlich klang seine Stimme nicht mehr gleichgültig. Ihren Blick hielt er stand. Anna lachte leise sarkastisch auf.
„Natürlich! Du bist der Kaiser! Es geht immer nach dir!"
„Nicht wenn es um dich geht!"
Anna schnaubte verächtlich und schaute weg, doch sie sagte nichts mehr. Sie wusste gerade nicht was sie sagen sollte.
„Anna ich habe es versucht.", sagte Kenshin leise. „Ich habe es wirklich versucht, Rick und Steven zu überzeugen, dass es besser wäre dich länger hierzubehalten! Aber sie haben Recht, dass du nach Hause gehen musst."
Anna sah Kenshin wieder an, er wirkte plötzlich traurig und sie glaubte ihm.
„Ausserdem wäre ich dann nicht besser als der Mann, der dich ein Jahr lang eingesperrt hat.", fügte Kenshin noch hinzu.
„Du bist in jeder Hinsicht besser als Bors!", erwiderte Anna leise. „Bei weitem!"
Bei ihren Worten lächelte Kenshin, wenn auch traurig.
„Ich will nicht von hier weg!", flüsterte Anna wehmütig. „Ich will nicht weg von dir!"
„Ich will es genauso wenig, dass du gehst!"
Wieder schwiegen sie sich gegenseitig an und Anna wünschte sich das Kenshin sie in seinen Armen nahm. Ihr Kraft und Trost spendeten, wie er es in der letzten Zeit immer wieder getan hatte. Sie wünschte sich er würde ihr sagen, dass sie hierbleiben sollte. Bei ihm zu bleiben! Doch das würde er nicht tun, dass wusste sie genau.
„Es gibt noch etwas was du wissen solltest.", durchbrach Kenshin das Schweigen, er erhob sich elegant von seinem Bürosessel und nahm ein Blatt Papier, welches auf seinem Schreibtisch lag, umrundete seinen Schreibtisch und übergab es ihr. „Es lag heute in meiner Post."
Anna nahm stirnrunzelnd das Blatt Papier entgegen und blickte auf die feine säuberliche Handschrift. Was auf dem Papier stand liess Annas Blut gefrieren, sie konnte beinahe Bors Stimme hören, wie er diese Worte vor Wut knurrte. Sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, doch die Wahrheit war das der letzte Satz ihr eine Heidenangst einjagte.

Gefangen im Schatten der Angst - Wieso er?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt