Kapitel 34

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Die Lichtung war riesig. Groß genug für fünf ausgewachsene Drachenweibchen.
Drei gigantische Felsen thronten in der Mitte auf dem grünen Rasen und ragten meterweit in den Himmel empor. Eine kleine braune Hütte stand schlicht und einfach etwas abseits des ruhigen Plätzchens. Die Vögel zwitscherten. Es war einfach nur idyllisch.
Staunend betrat ich das weiche Gras. Ich hatte seit Falcos Tod meinen Drachen nicht abgelegt und so fühlte sich der Rasen wie ein Teppich an in Gegensatz zu den harten Splittern des Waldbodens.

"Hier lebst du?", fragte ich Dragomira sanft, meine Drachenstimme beängstigte sie.

Dragomira schaute zu mir hoch und nickte. "Hier lebe ich jetzt, nachdem Rakaki....."
Ihr Blick schweifte traurig zu Boden.

Ich schluckte. Ein Kloß hatte sich in meiner Kehle gebildet. Wegen mir gab es keine Überlebenden außer der alten Lichtbringerin. Wäre ich niemals in Rakakia gewesen, stände das Dorf noch.
Es war alles meine Schuld, immer und überall, wo ich auftauchte, gab es Tote.
Ich klappte das Maul ganz weit auf und seufzte mein Leid heraus. Es klang aber anscheinend eher wie ein Brüllen, denn Dragomira schreckte auf und trat zwei Schritte nach hinten.

Ich mache ihr Angst, stellte ich mit einem Bedauern fest und schloss für einen Moment die Augen. Ich fühlte mich so verletztlich, der Drachenkörper gab mir wenigstens ein bisschen Sicherheit. Dennoch wandelte ich der alten Dame zur Liebe und lächelte sie großmütig an.

Dragomira lachte verlegen zurück und sagte: "Tut mir Leid! An deinen Drachen muss ich mich noch gewöhnen! Kein Lichtbringer vor dir vollbrachte es einen Drachen zu zähmen und in dann zu zwingen sich deinem Körper zu unterwerfen!"

Sie schüttelte ungläubig den Kopf.

Ich starrte sie an. "Nein, nein! Ich habe keinen Drachen gezähmt! Er ist in mir drin. Er kam aus einem weißen Stein und seine Seele hat sich mit meiner verbündet. Ich kann ihn rufen, egal wann"

Dragomira machte große Augen, nickte dann aber verständlich und führte mich in ihre kleine Hütte.

Innen roch es angenehm nach Holz und Natur. Die Möbel waren einfach. Ein Tisch, zwei Stühlte, eine Arbeitsplatte, zwei Betten, ein Teppich.

Vorsichtig setzte ich mich auf das kleinere Bett.

"Weißt du, Alisha.....", begann Dragomira und setzte sich auf einen klapprigen Stuhl, "auf dieser Lichtung habe ich auch zum allerersten Mal trainiert. Damals dachte ich, Nevarian besiegen zu können, wenn ich nur viel übte. Ich hatte alle Artefakte beisammen, war zu richtigen Zeit am richtigen Ort und dennoch verlor ich! Nur mit Mühe konnte ich mich retten. Ich verstand nicht, wieso der Plan schief ging, weshalb ich verlor. Und das weiß ich bis heute nicht. Aber vielleicht findest du es ja heraus. Das würde einer alten Seele wie mir Frieden geben"

Ihre Stimme nahm wieder diesen brüchigen Ton an und ihre Augen wurden trüb. "Schlaf jetzt! Morgen werde ich versuchen, dich auf den Kampf vorzubereiten"
Sie legte sich in das Bett gegenüber von mir und drehte sich auf die andere Seite.

Überwältigt von Dragomiras Offenheit, legte ich mich auf das weiche Kissen und schlief sofort ein.

Als ich aufwachte war es später Morgen. Schlaftrunken richtete ich mich im Bett auf und musterte verschwommen meine Umgebung. Dragomiras Bett war leer.

Neugierig strampelte ich die Decke von meinen Beinen und stand auf. Im Haus war außer mir niemand, also tapste ich nach draußen.
Die hitzige Sommerluft der Karibik schlug mir entgegen. Keine Wölkchem war am strahlend blauen Himmel zu sehen.

Auf einem Baumstumpf entdeckte ich Dragomira. Sie trug ein schweres Kleid aus einem kostbaren Stoff und spielte auf einer goldglänzenden Panflöte. Leise schlich ich mich von hinten an sie heran und lauschte der klaren Melodie.

Sie spielte schön, die Töne gefiehlen auch meiner Drachenseele. Sie reagierte darauf und meine Haut vibrierte.

Als ob ich sie gestört hätte, hörte Dragomira auf einmal auf zu spielen und drehte sich zu mir um. Ich stolperte verlegen zwei Schritte zurück. "Ich...ich wollte dich nicht stören!", stammelte ich und senkte reuemütig den Kopf.

Die alte Dame lächelte. "Dir hat wohl die Melodie gefallen, was?", krächzte sie und erhob sie ächzend von den Baumstupf.

Ich nickte eifrig. "Es war wunderschön. Bringt Ihr mir dieses Instrument bei?"

Dragomira lachte. "Glaub mir, diese Panflöte wirst du sicher nicht spielen. Jeder Lichtbringer spielt ein Instrument der Zeit, ein uraltes Relikt der Götter, und jedes ist verschieden. Dass du genau das gleiche spielst wie ich, ist sehr, sehr unwahrscheinlich."

Ich legte den Kopf schräg. "Woher weiß ich welches Instrument ich spiele?"

"In drei Tagen werden wir in die Grotte der Götter reisen. Dort findest du dein Instrument."

"Was kann es? Was kann Euers?"

"Niemals, niemals darf ein Lichtbringer einem anderen Lichtbringer die magische Funktion seines Instruments sagen! Niemals! Hast du mich verstanden!"

Überrascht von ihrer plötzlichen Wut, biss ich verlegen die Zähne zusammen und nickte. Dragomira entspannte sich.

"Nun gut. Bis wir aufbrechen, werde ich versuchen dich zu trainieren. Wir haben drei Tage Zeit"

Drachenseele - Hoffnungstod Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt