Ich schlug die Augen auf und erblickte über mir die riesigen Baumkronen des Waldes.
Die Vögel zwitscherten, die Blätter tanzten im aufkommenden Wind. Die Wolken zogen vorbei und ich erinnerte mich dort oben gewesen zu sein. Zwischen den Luftspiegelungen und den Sonnenstrahlen des nachtblauen Himmels. Dort oben frei als Drache.
Verwirrt setzte ich mich auf. Die Erinnerungen schossen durch meinen Kopf und ich schloss unwirkürlich die Augen.Der Sturz war schlimmer gewesen, als ich dachte. Meine linke Hand war blau geschwollen, Kratzer zierten meine Arme und Beine, doch das war bei weitem nicht das Schlimmste. Vorsichtig drehte ich den Kopf nach hinten und schloss sofort wieder die Augen. Meine Flügel waren im Eimer. Die Häute komplett zerrissen und zerfleddert, wie altes Papier. Die gebrochenen Knochen hingen kraftlos von meinem Rücken. Die Sehnen und Adern alle getrennt.
Ein Stöhnen kam über meine Lippen und der Schmerz trieb mir Tränen in die Augen. Mit angehaltenem Atem und schmerzverzerrter Miene wandelte ich zurück in Menschengestalt und meine Flügel zogen sich mit einem widerlichen Knirschen zurück.Ich schüttelte den Kopf um wieder klar zu sehen und stand auf. Erst jetzt bemerkte ich Jackies Abwesenheit. Ich drehte mich einmal um mich selbst. Keine Jackie. Der Rucksack lag unangetastet vor meinen Füßen. Stirnrunzelnd stemmte ich die Arme in die Hüften. Sie wäre wohl kaum ohne Proviant abgehauen. Gerade als ich ihren Namen rufen wollte, hörte ich ihre Stimme. Sie klang leise und gedämpft, aber trotzdem immer noch erkennbar.
Schulterzuckend folgte ich der Stimme und sah die Sklavin wenig später auf einer kleinen Lichtung. Jetzt sprach sie laut und hitzig und wütend, doch das rührte mich nicht. Viel interessanter fand ich, mit wem sie sprach. Jackie stand vor einem Baum und redete wild auf ihn ein. Ich runzelte verwirrt die Stirn. Warum um Himmels Willen spricht sie mit einem Baum?Ich schlich hinter einen Busch um die Person, mit der Jackie eventuell redete, besser sehen zu können, doch da war niemand. Nur der Baum.
Und dann kam mir ein Gedanke. Vielleicht unterhielt sie sich in Gedanken. Schon oft hatte ich von Leuten gehört, die unter großer Konzentration mit Familien oder Freunden in Gedanken sprachen. Vielleicht war das auch so bei Jackie?
Das hieß, die Person sprach in Gedanken und Jackie laut.Um sie besser verstehen zu können, trat ich aus meinem Versteck und pirschte mich an ihren Rücken heran. Sie gestikulierte wild hin und her:
"Ja. Ja. Verdammt, es läuft alles. Ja. Ich schaff das allein. Schick bloß niemanden her. Ja. Ich weiß, was dann passiert. Nein! Wir sind abgestürzt. Ich lebe noch. Oh, ja sie lebt auch noch, glaube ich. Ich weiß! Ich schau gleich nach. Ist noch bewusstlos. Ja."Dann verstummte sie und fluchte laut. Ich stand mit verschränkten Armen und wütender Miene hinter ihr. Als sie sich umdrehte, riss sie erschrocken die Augen auf und zuckte zusammen.
Ich knurrte. "Mit wem hast du gesprochen? Oder hast du dich angeregt mit einem Baum über mich unterhalten, Jackie?"
Ich wusste nicht woher meine plötzliche Wut kam. Sollte sie doch reden mit wem sie wollte.Jackies Blick veränderte sich. Ihre Lippen wurden schmal und sie kniff die Augen zusammen.
Ich blinzelte misstrauisch. Irgendetwas stimmte mit ihr nicht. Ständig murmelte sie etwas vor sich hin, litt manchmal unter Zuckungen und rieb sich die Augen. Doch was kümmerte es mich?
Sobald ich meine Freunde befreit hatte, gingen wir getrennte Wege.
Also drehte ich mich um, zuckte mit den Schultern und suchte die Umgebung ab.
"Wie weit ist es bis zu den Gorkas? "
Noch bevor Jackie antworten konnte, hörten wir sie. Die Trommeln. Dunkel und bedrohlich erklangen die Schläge in einem stetigen Rhythmus durch den Wald. Ich schaute nach oben. Krähen und Raben suchten laut kreischend das Weite. Nervös leckte ich über meine Lippen. "Was ist das?"
Jackie antwortete nicht, sie murmelte nur leise Worte vor sich her: "Erklingen die Trommeln von weit weg her, wählen die Gorkas das nächste Opfer. Spielen die Trommeln ihr Todeslied, ist es für das Opfer bereits zu spät."Ich rannte los. In Richtung der Trommeln. Mein Herz pumpte. Diese Angst hing schwer an meiner Seele. Diese Angst um meine Freunde.
Schlitternd kam ich am Rand einer Lichtung stehen. Hektisch überblickte ich die Situation. Gorkas wimmelten über den Platz und versammelten sich in der Mitte. Unverständliche Laute und Rufe drangen durch meinen Kopf.
"Wo sind sie denn?" Meine Stimme klang hektisch und gebrochen.
Jackie beugte sich zu mir hinunter und flüsterte: "Schau da vorn, in dem Käfig. Da sind sie."
Sie deutete nach vorn. Ein großer metallener Kasten stand abseits des Gorka-Nests. Woher Jackie wusste, dass sie da drin waren, hinterfragte ich nicht. Ein großer Fehler.Ich schlich hinter einen Busch.
"Wie gehen wir vor?", fragte ich leise, bekam jedoch keine Antwort. Nachdenklich drehte ich mich um, doch Jackie war verschwunden. Ich runzelte verwirrt die Stirn. Egal. Ich schaff das auch ohne Hilfe.Mit klopfendem Herzen beobachtete ich den Käfig. Zwei Gorkas mit Lanzen und Lederrüstung bewachten ihn. Leise schlich ich an die Hinterseite des Käfigs und lächelte unwirkürlich. Ich hatte sie gefunden. Meine Freunde.
Aufgeregt tippte ich Dako an der Schulter an.
Der Junge drehte sich um und bekam riesengroße Augen. "Alisha? Wie...""Schhh..." Ich legte den Finger auf die Lippen und deutete auf die Wachen. Wie eine Raubkatze sprang ich auf den Käfig und manipulierte die Luft so, dass meine Schritte gedämpft wurden. Dann sprang ich auf den ersten Gorka und riss ihn zu Boden. Er wehrte sich nicht, als ich seinen Kopf gegen die Eigenstäbe donnerte. Noch bevor er Alarm schlagen konnte, war er still. Der zweite Gorka hob schon seine Axt, doch ich spreizte die Finger auseinander und die Waffe flog aus seinen Händen. Ich versetzte ihm einen Tritt gegen die Beine, er knickte ein und riss mich mit. Wütend strampelte ich mich frei und drückte gegen die Luft. Der Gorka prallte an den Käfig und rührte sich nicht mehr.
Schnaufend stand ich auf und betrachtete die beiden Leichen. Warum ging das so einfach? Einen Gorka zu bezwingen war schwierig. Einen Gorka allein zu bezwingen wahnsinnig. Zwei Gorkas allein zu bezwingen beinahe unmöglich. Verwirrt drehte ich den Großen mit dem Fuß auf den Rücken und legte den Kopf schief. Das war ja noch ein Kind. Er sah kaum älter aus als ich. Wer lässt einen Käfig voller heiß begehrter Gefangenen von zwei Jugendlichen bewachen?
Dako zog neben mir scharf die Luft ein. Er schaute mich an und schüttelte den Kopf, als begriff er irgendetwas. "Lauf weg, Alisha! Verschwinde!"Nervös runzelte ich die Stirn. "Nicht ohne euch befreit zu haben!"
Philo, der an den hinteren Stangen gelehnt hatte, sprang auf. "Eine Falle", wisperte er. "Noch hat dich niemand gesehen. Du musst gehen, bevor..."
Weiter kam er nicht. Der Gorka, den ich zuvor niedergeschlagen hatte, bließ in sein Horn und ein lauter Ruf drang über die Lichtung.
"Sei still!", zischte ich und jagte ihm einen Feuerball in den Kopf.
Er verbrannte augenblicklich.
Mit zusammen gekniffenen Augen suchte ich die Umgebung nach Feinden ab.Vielleicht hatte niemand gehört, wie....
Die Trommeln verstummten.
DU LIEST GERADE
Drachenseele - Hoffnungstod
FantasyNur ein einziges Wort und du wirst Teil deines größten Abenteuers Nur ein einziges Lied und dein Körper beginnt zu wandeln Nur ein einziger Satz und du wirst für immer eine Heldin bleiben. Sag jedoch nur eine einzige falsche Silbe und dein Herz hat...