Kapitel 58

133 8 3
                                    

Mitternacht. Funkelnde Sterne am Himmel. Strahlender Vollmond. Kühle Nachtluft.
"Schön, nicht?", stellte Draco fest, der auf meinem Rücken lag und in den unendlichen Nachthimmel blickte. Sein Ton klang fast schon verträumt.
"Hmm", machte ich und drehte leicht nach links. Mila flog an meiner rechten Seite, ihre Flügel schlugen im Gegensatz zu meinen heftig hin und her und erzeugten einen unglaublichen Lärm. "Wieso sind deine Federn eigentlich so laut?", fragte ich sie deshalb und betrachtete diese gelben intensiven Augen, die mich musterten.
Mila zuckte mit den Schultern. "Das habe ich mich auch schon gefragt. Vermutlich streift der Wind einfach mehr durch meine Federn als durch deine Drachenhäute, oder?"
"Wahrscheinlich hast du recht. Wie...wie geht es dir eigentlich mit dem allem?"
Das Harpyienmädchen lächelte leicht. "Es ist seltsam. Irgendwie besitzte ich jetzt noch zwei zusätzliche Teile, die ich bewegen kann, verstehst du? Aber genau das macht mich besonders genau wie dich deine magischen Fähigkeiten besonders machen. Deswegen bin ich froh, dass ich die Flügel habe."
Jetzt setzte sich Draco auf und ich spürte seine Ellenbogen, die sich auf meine Schuppen stützten. "Du erinnerst dich an die Orte, an denen sich diese Waffen befinden. Das macht dich schon besonders, Mila."
"Danke, Draco",antwortete Mila und ihr Lächeln wurde breiter. "Das ist echt nett. Ich erinnere mich tatsächlich an diese Orte. Ein Stab...der liegt in den Höhlen. Ich weiß zwar nicht in welchen Höhlen und ich weiß auch nicht welcher Stab damit gemeint sein könnte, aber das finden wir schon raus!"
"Wir?", fragte ich beiläufig und musterte gelangweilt meine Krallen.
"Ja wir! Ich mache mit! Ich will dabei sein und Nevarian besiegen!"
Ich antwortete nicht darauf. Sie selbst sollte entscheiden, ob sie sich in Gefahr begeben will oder nicht.

Gegen Abend erreichten wir schließlich den Berg. Er lag ruhig und verlassen im engen Pass nahe des Flusses und wirkte wie ein schlafender Gigant. Aus seinem Schlund stieg eine kleine schwarze Rauchsäule empor.
"Moment mal! Seht ihr den Rauch? Warum ist da Rauch?" Draco hatte die  Beine angespannt an meinen Bauch gepresst, seine Stimme klang nervös.

"Das ist ein Vulkan, oder? Da kommt doch Rauch raus, oder ist das nicht normal?", fragte Mila bestürzt und blickte mich verwirrt an.
Aber ich starrte nur auf den einsamen Berg dort und beobachtete die kahlen Wände, die langsam ins Rutschen gerieten. Steine kullerten herab, vermischten sich mit den trockenen Grasbüscheln. Der Rauch wurde langsam dichter. Je näher wir kamen, desto stickiger wurde die Luft.
"Scheint so als würde er ausbrechen", meinte Mila schließlich und flog langsamer.
Draco beugte sich nach vorne und keuchte. "Das ist unmöglich!"
"Dann brennt es!" Mein Ruf hallte durch meinen Kopf. Es brennt! Philo  ist da drin! Nelio ist da drin! Zwergenkinder sind da drin! Diese Gedanken droschen während der nächsten Minuten immer wieder und wieder auf mich ein. Eine Wolke erhob sich aus dem Vulkan. Pechschwarz wie die Nacht, bedrohlich und düster. Sie waberte um die steilen Abhänge herum, spie seltsame dunkle Flammen aus und verursachte einen entsetzlichen Gestank. Mit vor Schrecken geweitetem Gesicht erkannte ich die vielen roten Dämonenaugen darin und ein eiskalter Schauer lief meinen  Rücken hinunter bis in die Zehenspitzen. Eine ungute Vorahnung traf mich wie ein Faustschlag ins Gesicht. "Oh nein, bitte nicht", hörte ich Draco leise wispern, während die Restantenwolke weiterhin ihre Kreise zog und den Berg bewachte. Ich wollte mir nicht vorstellen, was da drin jetzt vorgehen mochte.
"Alisha...flieg....ganz....langsam...runter....gaaanz.....langsam!" Draco legte sich flach auf meinen Rücken, nachdem Mila vorsichtig hinter mich glitt.
Nach weiteren dreißig Sekunden - nachdem ich den größten Schock überwunden hatte - bemerkte ich, dass wir immernoch direkt unter den Wolken flogen und somit wunderbar ins Visier des Feinds gerieten. Dieser steuerte sogleich direkt auf uns zu, machte sich nicht mal mehr die Mühe sich anzuschleichen.  "Super! Was machen wir jetzt?" Mila wurde langsam nervös. Ihre Stimme brach mehrmals. Die schwarze Wolke aus Restanten näherte sich bedrohlich und die ersten dichten Flammen zischten uns entgegen.
"Wieder über die Wolken!", gab ich das Kommando und tauchte nur knapp einen Zentimeter über dem Flammen in die weißen Bausche.
Der Himmel schien auf einmal dunkler zu werden und auch der Mond wollte sich nicht blicken lassen. "Mila, bleib dicht bei mir!"

Drachenseele - Hoffnungstod Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt