Ich rannte. Ich rannte, wie noch nie in meinem Leben. Meine Füße flogen durch die leeren Korridore. Mein Keuchen war das einzigste Geräusch weit und breit. Ich war das einzigste Lebewesen weit und breit. Und trotzdem rannte ich vor etwas davon. Hinter mir wurden die Schatten länger. Größer. Gefährlicher. Die Gänge kleiner. Dunkler. Enger. Nichts mehr. Abrupt kam ich zum Stehen und drehte mich um. Aus meinen Fingern wurden Krallen, Schuppen überzogen die Haut und festigten sich zu einer silbernen Rüstung. Ich riss die Augen auf, als der Restant in mich hinein krachte und mich zu Boden schleuderte. Spitze Nägel gruben sich in meine Schultern und hielten mich fest. Ich starrte in riesige gelbe Pupillen, die sich nie zu schließen schienen. Stimmen drangen in meinen Kopf. Schrill. Laut. Schrecklich. Ich brüllte, fletschte die Zähne, grub die Füße unter die schwarze Haut und drückte. Der Restant knurrte, rollte von mir herunter und suchte Halt in der braunen Erde. Ich nutzte diesen winzigen Augenblick an Schwäche, faltete die Flügel und stürzte mich auf die Gestalt. Ohne Pause grub ich meine Krallen in die lederne Haut, die unter meiner Brutalität nachgab. Sie zeriss wie Papier, Gas strömte aus und drang in meinen Mund und Nase. Tränen traten aus und ich musste husten. Der Restant versuchte sich zu befreien, doch ich drückte ihn mit aller Kraft herunter. Deutlich fühlte ich seinen Herzschlag unter meinen Pfoten und ich biss fest die Zähne zusammen, als ich die Stelle vorsichtig aufriss. Die Stimmen in meinem Kopf schrien, aber ich zögerte nicht länger und versenkte meine Krallen in seiner Brust.
Keine zwei Sekunden später, zuckte ich erschrocken zurück, als mir die gähnende Leere seines hohlen Körpers zurückstarrte. Kein Herz, keine Muskeln, kein Blut. Magie. Nur Magie floss aus ihm heraus. Blaue, rote und silberne Flüsse aus feinster Energie. Er begann zu zerfließen. Ich schreckte zurück. Angeekelt und entsetzt von diesem Anblick. Der Dämon lachte. Er lachte schrecklich, holte aus und fuhr mit seinem Krallen quer über meinen Bauch. Ich taumelte, fiel auf die Knie und krümmte mich schmerzhaft zusammen. Meine Hand lag auf der Wunde, doch da war kein Blut. Genau wie bei dem Restant tropften Magiestränge zwischen meinen Fingern hindurch, vermischten sich mit seinen und verbanden sich zu einem einzigen leuchtenden Ball. Der Restant lachte, stupste den Ball an und sah zu wie er in die Gänge zischte. Ganz langsam zog der Restant sich zu mir hinüber, beugte sich über mich und flüsterte: *Grüß meine Gefangene von mir. Ich habe ihr ein kleines Geschenk hinterlassen. Danke, dass du mir deine Magie dafür zur Verfügung gestellt hast.*
Er grinste boshaft und seine schwarzen Zähne fielen auseinander, es war fast nichts mehr von ihm übrig geblieben, außer seine dämonische Fratze und seine riesigen Krallen. Er holte ein letztes Mal aus und zog sie über mein Gesicht. Ich jaulte auf, meine Ohren klingelten, die Welt kippte zur Seite. Stumm beobachtete ich, wie der Restant sich auflöste, bevor die Schwärze mich in eine tiefe Schlucht stürzte.Zitternd schlug ich die Augen auf. Benommenheit drosselte mein Denkvermögen, sodass ich einfach nur da saß, an eine Wand gelehnt und vor mich hin vegetierte.
"Du musst Alisha sein, richtig?"
Eine sanfte Stimme trug mich zurück in die Gegenwart und versetzte mir einen zaghaften Schlag. Ich stöhnte auf, als rasende Kopfschmerzen meine Glieder heraufschossen und die Sicht vernebelten. Eine zierliche Gestalt näherte sich und ging vor mir in die Knie.
"Ist alles in Ordnung mit dir? Tut mir Leid, dass der Restant dir so zugesetzt hat."
Alarmglocken schrillten in meinem Kopf los und ich versuchte die Benommenheit vergeblich weg zu blinseln. Kraftlos sackte ich wieder zusammen und fühlte nach der Wunde an meinem Bauch und Gesicht. Seltsamerweise wurde keine einzige Narbe hinterlassen, was ich auch nicht weiter hinterfragte. Die Gestalt vor mir setzte sich hin und wartete geduldig, bis mein Sehvermögen wieder einsetzte und ich aufstehen konnte. Sie half mir hoch, klopfte den Staub von meiner Jacke und lächelte mich zaghaft an. Zum ersten Mal erblickte ich Mila komplett und das, was ich sah, erschreckte mich. "Wie....du....oh mein Gott...das Geschenk!"
Mila blickte mich an. Ihre Augen waren seltsam bernsteinfarben, ihre Haut war von schwarzen Federn durchzogen und da wo eigentlich Nase und Mund sein sollten, prangte ein gelber Schnabel. Mächtige Flügel hängten an ihren Schultern und die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster drangen, tauchten die Spitzen in ein fließendes Silber.
Mila legte den Kopf schief und lächelte erneut."Schau nicht so entsetzt! Ich kann doch auch nichts dafür."
Ich senkte den Blick und schluckte. "Aber ich"
"Wieso?"
Ihre Stimme klang seltsam sanft, obwohl sie eigentlich wütend hätte sein müssen.
"Ich war in dir drin. Und Der Restant auch. Wir haben gekämpft und ich habe ihn aufgeschlitzt. Doch anstatt Blut ist Magie herausgeflossen, ich glaube das war die Magie von Nevarian, als er den Restant in dich gesteckt hat. Dann hat er einen Teil meiner Magie genommen und sie vermischt und dann ist sie in sich hineingeflossen und es tut mir schrecklich Leid, dass du jetzt so aussiehst. Vielleicht kann ich das wieder rückgängig machen."
Mila schüttelte den Kopf. "Ist nicht so schlimm. Dann war das also das Geschenk, dass er mir vermacht hat. Kurz bevor er verschwunden ist aus meinem Kopf, habe ich ihn von einem Geschenk reden hören. Das war es also. Jetzt kann ich nicht mehr unter die Leute gehen. Sie würden sich wohl vor mich fürchten."
Sie seufzte einmal kurz und ihre Schwingen wippten leicht hin und her. "Aber du hast mich befreit und dafür bin ich dir ewig dankbar. Erzähl mir von dir! Wieso hast du das für mich gemacht? Und Wie?"Ich war ein wenig überrascht, dass sie ihre neue Gestalt einfach so hin nahm, fragte aber nicht weiter nach. Stattdessen erzählte ich ihr, wie ich hierhergekommen war, wie wir sie gefunden hatten und wie ich sie schließlich befreit hatte. Nachdem ich geendete hatte, war sie für einige Zeit still, dann ging sie zu einer Gaderobe, nahm die Kerze und hielt sie mir hin. "Hier."
"Was ist damit?"
"Zünde sie für mich an"
"Warum? Es ist doch hell!"
"Ich will deine Magie sehen! So etwas hat mich schon immer interessiert"
Ich runzelte die Stirn, betrachtete den ausgedörrten Docht und schnippte mit den Fingern. Eine kleine blaue Flamme tänzelte auf meinen Fingerspitzen, ging auf den Docht über und leuchtete auf.
"Wahnsinn! Wie gern, würde ich so etwas auch können!"
Ihre Freude und Enthusiasmus hellten meine Stimmung auf und ich lachte. "Vielleicht kannst du ja fliegen mit deinem neuen Flügeln. Dann können wir zusammen fliegen und ich zeig dir ein paar Tricks"
Sie lächelte überglücklich und ich war froh, dass Mädchen aufmuntern zu können. Ihre Lebensfreude loderte wie ein heller Leuchtturm über ihrem Kopf. Und ich konnte es kaum erwarten, sie Draco und den anderen vorzustellen.

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Drachenseele - Hoffnungstod
FantasíaNur ein einziges Wort und du wirst Teil deines größten Abenteuers Nur ein einziges Lied und dein Körper beginnt zu wandeln Nur ein einziger Satz und du wirst für immer eine Heldin bleiben. Sag jedoch nur eine einzige falsche Silbe und dein Herz hat...