Kapitel 6

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Nachdem ich mich lange durch gefragt hatte, landete ich schließlich auf einem kleinen Hügel nicht weit von Nevarians Schloss entfernt. Die Leute erzählten mir immer wieder, wie finster und hinterlistig er wäre und sie nur auf seinen Tod warteten. Jedesmal zerbrach mein Herz ein kleines Stück mehr.

Sollte mein Bruder wirklich von Dämonen besessen worden sein, dann werde ich sie austreiben.
Entschlossen stieg von Philos Greifen und ging zwischen zwei großen Felsen in Deckung. Von dort hatte ich die Festung und das Tor gut im Blick.
Mehrere Gestalten mit grüner Haut und hässlich langen Krallen ritten auf Gorki und anderen Kreaturen in den Schlosshof.
Mit wachsendem Entsetzen beobachtete ich wie sie einen wimmernden Menschen herbeischleppten und eine scharfe Klinge an den Hals drückten. Ich atmete erschrocken auf, als ich die Person erkannte. Das war unsere Mutter. Sie weinte und weinte.

Aber die Monster töteten sie nicht, sie warteten. Ein Gong ertönte, laut und unheimlich.
Ich lugte hinter dem Felsen hervor und erschrak.
In einen langen dunklen Mantel gehüllt schritt mein Bruder auf einen Balkon. Seine Augen funkelten bösartig.

"Wo ist Alisha! Du weißt wo sie ist!", donnerte Nevarian über den Platz und schaute unsere Mutter hasserfüllt an.

Sie wimmerte und weinte. "Ich weiß nicht wo sie ist. Bitte tu mir nichts!"
Ihre Tränen liefen ununterbrochen.

Nevarian schüttelte hämisch den Kopf. "Du bist nutzlos!"

Er machte eine abfällige Handbewegung.
Die Kreatur, die meine Mutter festhielt, zwang sie auf die Knie und beendete mit einem schnellen Genickbruch ihr Leben.

Ich schrie entsetzt auf und rutschte von meinem Versteck.

Nevarian drehte sich ruckartig um und starrte mich an. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem hässlichen Grinsen. "Holt sie mir!", brüllte er und deutete mit dem Finger auf mich.

Ich floh aus dem Schloss und hetzte den Berg hinauf. Die hässlichen Kreaturen waren mir dicht auf den Fersen.
Jetzt wurde ich schon zweimal am selben Tag gejagt.
Mein Herz klopfte wie wild und mein Atem ging unregelmäßig. Bald würde ich einfach umkippen. Und dann würde mich mein eigener Bruder umbringen.

Meine Kraft ging langsam aber sicher zu neige und ich wurde langsamer. Die Wesen holten auf.
Plötzlich ertönte ein schauriges Brüllen und ich stolperte.

Ein Drache landete vor mir und zertrampelte die vorderste Reihe der Soldaten.

"Steig auf. Worauf wartest du!", brüllte Dako mich an und als ich mich noch immer nicht bewegte, sprang er ab und zerrte mich auf den Rücken des Drachen.

Mit einem ohrenbetäubenden Brüllen hob das Tier ab und entkam der wütenden Masse.
Auf dem Flug wechselten wir kein Wort. Stumm landete der Drache wieder auf der Lichtung und Dako schubste mich von ihm herunter.

"Was hast du dir dabei gedacht!?",fauchte er mich an.

Ich gab keine Antwort. Mein Herz klopfte immer noch und ich schalt mich im Inneren. Nevarian war nicht böse. Er war wahnsinnig.
Ich winkte ab.
Nelio seufzte. "Tut mir Leid, dass ich das jetzt sage, aber dein Bruder ist nicht mehr der, der er einmal gewesen war."

Ich ließ den Kopf hängen.
"Ich weiß. Und ich weiß auch, warum ihr mich hergeholt habt. Ich soll Nevarian bekämpfen, stimmts? Ich soll meinen eigenen Bruder töten."

Die Jungen antworteten mir nicht, aber ich wusste, dass dies meine Aufgabe war.

"Na schön. Ich tue es."

Dako, Nelio und Philo schauten mich erstaunt an.
"Du machst das wirklich?"

Ich nickte stumm. Innerlich weinte ich.

Die Jungen führten mich in das Haus. Ein älterer Mann saß auf einer der Treppenstufen und hielt eine dampfende Tasse in der Hand.
Dako blickte ihn erstaunt an. "Was machen Sie denn schon wieder hier! Sie sind der Grund, warum wir das alles mitmachen!"

Der Mann nickte. "Ich werde euch helfen! Du bist Alisha, richtig?", fragte er an mich gewandt und trank aus seiner Tasse.
Ich nickte neugierig. "Wer sind Sie?"

Der Mann musterte mich von oben bis unten. "Der, dessen Name nicht genannt werden darf! Das ist unwichtig! Wie ich gehört habe, bist du im Besitz außergewöhnlicher Kräfte und einem Amulett."

Ich starrte ihn erstaunt an. Meinte der etwa, die Kette meiner Mutter?

Ich kramte das blaue Schmuckstück aus meinem Beutel und zeigte es ihm.  Er nickte. "Das wird dir helfen Nevarian zu besiegen. Du wirst schon sehen."

Ich schaute ihn etwas verwirrt und verzweifelt an. Aber er musste es ja schließlich wissen. Warum auch nicht

Drachenseele - Hoffnungstod Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt