Im Gym war am Freitag um kurz nach sechs einiges los. Hux saß bereits auf einer Couch und hielt einen Proteinshake in der Hand. Nervös legte ich die paar Schritte zurück, die uns voneinander trennten und ließ mich auf das quer zu seiner Couch stehende Sofa fallen. Meine Tasche schob ich mit dem Fuß unter den Holztisch.
„Hey", begrüßte ich ihn defensiv. Seine Antwort bestand in einem langen, nachtfinsteren Blick, was ich entmutigend fand.
„Danke, dass du gekommen bist", versuchte ich es mit einem höflichen Einstieg.
„Ich trainiere hier. Bild dir also bloß nicht ein, ich sei deinetwegen hier oder sowas."
Stur starrte er gerade aus und nippte an seinem Shake. Scheiße. Er ließ mich voll auflaufen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Leise seufzte ich. Dann eben mit der Tür ins Haus, wenn er nicht mit sich reden lassen wollte.
„Kannst du mir was besorgen?"
Nun hatte ich seine Aufmerksamkeit. Er wendete mir den Kopf zu und blickte mich lange an.
„Was soll es sein?", fragte er mich mit zusammengekniffenen Augen.
„Das gleiche wie beim letzten Mal."
Er nickte.
„Kostet dich diesmal aber mehr", teilte er mir frostig mit. „Kein Freundschaftspreis mehr."
„Wieviel?"
„Das Doppelte. Ein Viertel zahlst du mir gleich jetzt."
Vehement schüttelte ich meinen Kopf.
„Kommt nicht in Frage. Ich zahl dir die Hälfte jetzt und der Preis bleibt dafür gleich", widersprach ich ihm.Leise lachte er. Dann lehnte er sich zu mir. Sein Gesicht war wieder völlig ausdruckslos.
„Du bist nicht in der Position zu verhandeln, Carter. Nimm mein Angebot an, oder lass es. Mir egal."
„Ich hab dir doch gesagt, dass es nicht von mir ausging. Sie hat mich geküsst, Huxley. Nicht umgekehrt."
Seine stoische Miene wandelte sich von einer Sekunde auf die andere in Wut.„Sie verwechselt doch nur Dankbarkeit mit Liebe und du blöder Wichser hast nicht genug Eier in der Hose, sie auf Abstand zu halten? Du kannst jede Frau ficken, die du willst, Carter. Warum muss es ausgerechnet Anna sein?", zischte er. „In knapp drei Wochen verpisst du dich doch sowieso wieder und sie bleibt hier. Wer denkst du, kehrt den Scherbenhaufen auf, den du hinterlässt?"
Mit gerunzelter Stirn sah ich Hux an. „Was meinst du? Sie bleibt hier?"
Hux lachte auf, klang kein aber kein bisschen amüsiert. „Sie studiert hier weiter. Will bei ihren Großeltern bleiben. Wenn du mal mit ihr reden würdest, statt dir das Hirn mit irgendwelchem Zeug wegzuballern, wüsstest du das."
Mein Herz begann in meiner Brust zu hämmern. „Bist du sicher? Sie will hierbleiben? Nicht nur bis zum Ende des Semesters?"
Hux schnaubte.
„Du bist so armselig, Carter", warf er mir vor. „Aber du wirst sehen. Meine Chance kommt, wenn du von der Bildfläche verschwunden bist. Sie wird am Boden zerstört sein. Und rate mal, wer dann zur Stelle ist, um sie zu trösten?"
Keine Ahnung, von was Huxley da träumte.
„Anna ist durch mit dir. Schon lange. Du hattest deine Chance bei ihr und hast sie nicht verwertet. Wenn ich mich richtig erinnere, hast du zwei Wochen nach der Sache im Autokino schon mit einer anderen rumgemacht!", warf ich ihm die alte Geschichte wieder vor. „Und jetzt gönn mir meine Chance. Das ist doch nur fair, oder?"
Aus zusammengekniffenen Augen musterte mich Hux.
„Mittwochabend an den Docks, wo wir früher gechillt haben. Gegen sieben."
Mittwoch. Das war nicht gut. Ihm zu widersprechen traute ich mich jedoch nicht und nahm es so hin. Er stürzte seinen Drink hinunter. Mit einem Mal hatte er es eilig.
„Die Anzahlung?", fragte ich ihn und griff in meine hintere Hosentasche nach dem Geldbeutel.
„Lass stecken", brummte Hux und ließ mich einfach stehen. Kraftlos sank ich zurück auf das Sofa.
„Kriegst du noch was?" Robin nahm das Glas, das Hux stehen gelassen hatte, von dem niedrigen Lounge-Tisch und musterte mich erwartungsvoll.
„Ne, du, sorry. Bin grad ein bisschen klamm und ich will Anna auf ein Date einladen."
Mit ihrem mintgrünen Lappen rubbelte Robin einen Wasserring von der dunklen Tischplatte, während ich nervös mit meinen Fingern spielte. Schon der Gedanke an ein Date machte mich fertig.
„Du hast nicht zufällig eine Idee?"
Robin lachte.
„Gott, Carter! Was ist los mit dir? Seit wann kannst du dir deine Frauen nicht mehr selbst klarmachen?"
„Ich will Anna nicht klarmachen, ich will... keine Ahnung. Schätz mal, ich will sie beeindrucken?"
Verständnisvoll nickte Robin und rutschte auf dem Platz, auf dem bis eben noch Hux saß.
„Du und Anna, ihr kennt euch schon ewig, richtig? Und obwohl sie deine Macken kennt, lässt sie sich auf dich ein. Gott weiß warum!" Um Beistand flehend blickte sie Richtung Decke. „Warum glaubst du also, sie beeindrucken zu müssen?"
Selten hatte ich Robin so ernst erlebt wie in diesem Augenblick.
„Eben weil wir uns schon so lange kennen, müsste ich ihr doch problemlos den perfekten Abend organisieren können! Sollten mir denn dafür nicht hundert Dinge einfallen, die sie gerne tun würde? Aber mir kommen nur abgedroschene Sachen in den Sinn, die jeder machte. Kino, Essen und so."
Robin lehnte sich auf der Couch zurück. Völlig mühelos ignorierte sie den Typen, der an der Theke wartete. Statt ihn zu bedienen, schürzte sie nachdenklich die Lippen.
„Wenn du sie wirklich beeindrucken willst, dann flieg mit ihr nach New York und geh mit ihr ins Musical."
Mit hochgezogen Augenbrauen schaute ich Robin an.
„Bisschen unrealistisch, was? Der Flug kostet zusammen mit den Karten mehr als mein monatlicher Lohn. Dazu noch der Anzug, den ich bräuchte."
Robin grinste verschlagen.
„Nicht zu vergessen das luxuriöse Hotelzimmer, in dem du Anna unterbringen musst. Die Aufführungen sind abends, Carter, und du willst sie ja hinterher nicht direkt zurück zum Flughafen schleifen, sondern die Nacht genießen."
Robin klopfte sich mit den Handflächen auf die Oberschenkel und stand auf.
„Aber das kannst du dir ja für die Verlobung aufheben. Für den Anfang tut es sicher auch was weniger Aufwändiges. So wie ich Anna einschätze, hat sie nicht einen halb so hohen Anspruch, wie du an dich selbst."
Nicht wesentlich klüger als vorher beobachtete ich den dunkelhaarigen Wirbelwind, wie sie mit wiegenden Hüften und einem warmherzigen Lächeln hinter dem Tresen verschwand, das den Typen auf der anderen Seite der Theke vergessen ließ, wie lange er bereits wartete. Sicher wog Robin ihm die Zeit mit ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit, einer extra Portion Proteinpulver und guten Ratschlägen mehr als wieder auf. Mit dem Fuß angelte ich meine Sporttasche unter der Sitzgelegenheit hervor und machte mich auf den Weg zu den Umkleiden. Mit ihrer Idee hatte Robin mir einen Floh ins Ohr gesetzt, den ich einfach nicht wieder loswurde. Es juckte mich regelrecht in den Fingern, mich an mein Handy zu setzen und rauszufinden, ob die Idee auch nur im Ansatz finanzierbar war.
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BLINDFOLDED - Blindes Verstehen
ChickLitCarter ist ein Held! - Ein Frauenheld! Er ist einer jener Männer, die uns Frauen den Blick verschämt senken lassen, wenn wir ihm beim Bäcker, beim Tanken oder gar im Baumarkt begegnen. Weil wir glauben, einem Traummann wie ihm niemals zu genügen. Er...