Am späten Nachmittag gegen halb sechs rappelte ich mich schließlich aus dem Bett. Nach einer schnellen Dusche-Training fiel mal wieder aus- machte ich mich auf den Weg, zu Anna.
„Ah, Carter, was für eine nette Überraschung!“ Granny Sullivan klopfte mir auf die Schulter. „Hast dich lang nicht sehen lassen. Hab gehört Jordan hat dich rausgeworfen?“
Anna und Elaine hoben gleichzeitig den Blick. Nach einem kurzen „Hey, Carter“ und einem stummen Austausch untereinander guckte Elaine wieder in das Buch. Ihr Desinteresse schmerzte mich mehr als ich wahrhaben wollte. Anna sah mich jedoch fragend an.
„Hat sich ja schnell rumgesprochen“, stellte ich grimmig fest und warf Anna einen prüfenden Blick zu, um rauszufinden, wie sie zu dieser Entwicklung stand. Ihre Miene verriet nicht das Geringste.
„Wollt mal gucken, was du so machst?“, sprach ich meine Schwester direkt an.
„Wir lernen Mathe. Hier sind die in der Schule schon viel weiter. Und ich kapier einfach gar nichts. Bist du denn für heute schon fertig mit Lernen?“
Die Frage erwischte mich kalt. Ich hatte mich den ganzen Nachmittag in Selbstmitleid gesuhlt und an die Bücher keinen einzigen Gedanken verschwendet.
„Ne, ich mach nur eine Pause, dachte bisschen Bewegung, bevor ich mit Geschichte anfange, schadet nicht“, behauptete ich zu meiner Ehrenrettung.
„Ja, Pausen sind wirklich wichtig, Carter“, neckte Anna. „Man musste nur aufpassen, dass man nicht zu lange untätig ist.“
„Hab ja morgen noch frei und dass ich Montag gleich Arbeit find, ist auch eher unwahrscheinlich. Kann die Zeit also locker wieder reinholen.“
Anna nickte. Ihrem Gesichtsausdruck nach glaubte sie mir kein Wort.
„Ach, wo du es sagst“, mischte sich Annas Großmutter ein, „Nevin hat mal heute bisschen rumgehört. Kannst vielleicht mit Roy zusammen ne Baustelle übernehmen. Irgendwas mit nem Gartenhaus. Wenn du Interesse hast, schau mal bei ihm vorbei. Du kennst doch Roy, oder?“
Die bessere Frage war, wer Roy nicht kannte. Er war bekannt für sein flammendrotes Haar, sein schweinchenrosa Gesicht und seine Abermillionen Sommersprossen. Er hat das breite Kreuz eines Bodybuilders, Hände wie Spatenblätter und den gutmütigen Charakter eines Welpen, obwohl er aussieht, als wäre er ein Kneipenschläger.
Bevor ich mich hier weiter überflüssig fühlte, machte ich mich sofort auf den Weg zu Roy, hörte mir seine Ausführungen über den unzuverlässigen Hilfsarbeiter an, den ich ersetzen sollte und schrieb mir die Nummer von Roys Chef in mein Handy mit dem Versprechen, diesen sofort Montagfrüh um sieben anzurufen, bevor er den Aushilfsjob einem anderen gab.
Um mit meiner vorherigen Lüge nicht aufzufliegen, setzte ich mich schließlich mit meinem Geschichtsbuch an den Tisch und blätterte durch die Kapitel. Vom Grunde her hatten wir alles, was dort abgedruckt war, bereits in der High-School durchgenommen, aber ich konnte mich an erschreckend wenig erinnern. Aus Neugier holte ich das Mathebuch aus dem Wohnwagen und dann das Begleitwerk englische Literatur. Doch auch dort war es nicht besser um mich und mein Wissen bestellt. Das konnte ich niemals ohne fremde Hilfe schaffen.
Nachdenklich betrachte ich das Boot der Sullivans, das auf seinem Fahrgestell in der Sonne schlummerte.
„Soll man zum Lernen nicht eigentlich in die Bücher gucken?“
Der alte Sullivan tippte grinsend mit dem Finger auf den ordentlichen Stapel, den ich gebildet hatte.
„Schon“, gab ich zu und blickte statt zu ihm auf meine Knie. Die ganze Sache mit dem Abschluss war zum Scheitern verurteilt. Meine beste Chance auf ein fwstes Einkommen war und blieb die Army.
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BLINDFOLDED - Blindes Verstehen
Chick-LitCarter ist ein Held! - Ein Frauenheld! Er ist einer jener Männer, die uns Frauen den Blick verschämt senken lassen, wenn wir ihm beim Bäcker, beim Tanken oder gar im Baumarkt begegnen. Weil wir glauben, einem Traummann wie ihm niemals zu genügen. Er...