Ein Ziehen in meiner Magengegend weckt mich aus meinem Tiefschlaf. Die Augen noch geschlossen setze ich mich langsam auf – ich liege auf einem Sofa, beziehungsweise hab ich das wohl mal gemacht, denn jetzt finde ich mich auf dem weichen Teppich davor wieder. Und vor meiner Nase ein Paar nackter Füße. So schnell ich kann rapple ich mich auf, auch wenn vom plötzlichen Aufstehen mein Kopf schmerzhaft zu brummen beginnt.
Thorsten sieht mich an und lächelt. „Du hast einen Schlaf wie ein Bär, Herzchen"
Verlegen fahre ich mir durch die Haare. Ich darf ihn nicht ansehen. Bloß nicht ansehen. Er drückt mir eine Tasse in die Hand die angenehm warm ist. Was hat der Typ bloß mit seinem Tees?
„Wie spät ist es?"
„Kurz vor halb zehn abends", bemerkt Thorsten mit einem amüsierten Flackern in den Augen. Halb zehn abends? Das kann doch nicht sein! „Du hast den ganzen Tag durch gepennt", fügt Heinos Mann hinzu. Scheiße. Ach du Scheiße. Ich fahre mir mit beiden Händen übers Gesicht und durch die Haare, was diese nur widerspenstig zulasse. Ich sollte sie mal wieder waschen. Meine Beine fühlen sich ganz taub an, als ich hinüber zur Heizung wanke und meine Sneakers anziehe, die wohl irgendjemand dort zum Aufwärmen hingestellt hat.
„Willst du etwa gehen?", fragt Thorsten. Er nimmt meinen Arm als ich beim Schuheanziehen fast umkippe. „Ja", murmle ich. „Ich bin euch schon genug zur Last gefallen, ich verpisse mich jetzt, ich will nicht noch mehr Zeit stehlen" Das habe ich gestern Abend nämlich zur Genüge getan, mit den vielen Zetteln die ich zusammen mit Heino ausgefüllt habe, die Fragen die ich ihm beantwortet und auch gestellt habe. Es war fast vier Uhr in der Früh als ich die Augen nicht mehr offen halten konnte und noch am Küchentisch, an den wir uns gesetzt hatten, eingeschlafen bin.
„Aber Heino ist schon arbeiten gegangen, er konnte sich gar nicht mehr von dir verabschieden. Und Anna schläft bereits" Thorsten läuft hinter mir her als ich in den Flur gehe. Ich zucke bloß mit den Schultern. Ich werde so oder so wiederkommen müssen, also ist das wohl kein Problem. Ich wende mich an Thorsten um ihm die Hand reichen zu können. „Danke, dass ich... naja... dass ihr mich nicht rausgeworfen habt"
Thorsten lächelt mich an. „Ach, Herzchen" Er ergreift meine dargebotene Hand und zieht mich an seine breite Brust. Er hat wieder so wenig an wie gestern Abend, ich kann seine muskulöse Brust durch den Shirtstoff spüren. „Stell bloß keine Scheiße da draußen an, Kleiner, wenn dir was passiert verzeihe ihr dir das nie" Er lässt mich los und tätschelt mir den Kopf. Seine breiten Lippen sind fröhlich verzogen und zeigen eine Reihe strahlend weißer Zähne. „Und spätestens übermorgen will ich dich wieder haben, ist das klar?"
„Glasklar", nuschle ich und grinse ihn unsicher an, bevor ich mich an ihm vorbei winde und durch die Wohnungstüre in den Hausflur verschwinde.
Es überrascht mich nicht, dass ich auf meinem einsamen Weg durch die Straßen keinem einzigen Menschen begegne. Es ist so stockfinster, dass ich den Boden unter meinen Schuhsohlen kaum sehen kann und der kalte Wind schlägt mir feine Regenspuren ins Gesicht. Mistwetter. Regen im Winter ist unmenschlich. Die Kapuze des Pullis übergezogen stolpere ich den Gehsteig entlang. Seit ich die Wohnung verlassen habe, hat mein Kopf auf stumm geschalten, hinter meinen Schläfen dröhnt es und meine Augen tränen so sehr, dass ich mir immer wieder mit der Hand darüber wischen muss. Ich könnte nicht sagen, wie lange ich schon durch die Stadt stolpere, es müssen Stunden sein. Die Zeit habe ich genauso verloren wie meinen Orientierungssinn.
Am Ende der Straße blinkt ein Leuchtschild mir grelles Licht ins Gesicht. Darauf steht in geschwungenen Buchstaben: Schneewichttchens Bar. Ich muss nicht näher gehen um festzustellen, dass diese Bar nicht so unschuldig ist wie ihr Name. Aus ihren Türen kommt ein Mann getorkelt, in der Hand hält er einen BH und das siegessichere Grinsen in seinem Gesicht spricht Bände. Ich verlangsame meine Schritte, aber er schlägt zum Glück die andere Richtung ein. Eigentlich sollte ich umdrehen und so schnell ich kann von hier verschwinden, aber mein leerer Magen hält mich davon ab. Weiß der Teufel wo mein Geld hingekommen ist, das einzige was ich weiß ist, dass ich großen Hunger habe. Ich habe seit Heinos Nudelkreation nichts mehr gegessen oder getrunken und in den Taschen der engen Hose finde ich nur ein müdes Eineurostück.
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Have you lost your fighting spirit?
Teen FictionAusgegrenzt, ungewollt und einfach nur verarscht; so fühlen sie sich. Der Abschaum, wie sie sich selbst manchmal nennen, zu schlecht für die Gesellschaft, zu gut zum Sterben irgendwie. Sie treiben auf der Oberfläche mit einem Fuß am Grund. Wer sie s...