Überarbeitet
Es ist Nacht. Es ist dunkel. Wie ein Leichentuch liegt der Himmel über der Stadt, er versucht alles einzudecken, alles gefangen zu halten. Kalter Wind pfeift um jede Ecke, bläst mir den Regen ins Gesicht. Ich schlage den Kragen meiner Jacke hoch und beschleunige meine Schritte so gut ich kann. Ich will jetzt noch nicht nach Hause, ich kann jetzt noch nicht nach Hause. Aber ich muss. Die Straßen hier sind nicht das Richtige um nachts lange Spaziergänge zu machen – in der Wohnung ist es warm und vielleicht gibt es etwas zu essen. Meine Hoffnungen sind dumm, aber sie überzeugen mich immer wieder, zu bleiben. Die Sohlen meiner Sportschuhe klatschen auf den Asphalt, in die Pfützen und ich ziehe schniefend die Nase hoch.
Ich weiß, dass er schon da ist. Und trotzdem hoffe ich weiter, fast lautlos kommen die Wörter über meine Lippen. "Bitte nicht, bitte nicht, bitte nicht." Ich mache das immer so, wenn ich mir etwas wünsche. Dann sage ich es so oft hintereinander, bis meine Zunge davon weh tut und mein Hals ganz ausgetrocknet ist. Ich weiß nicht wieso ich es mache, bis jetzt hat es noch nie etwas gebracht; es wie ein letzter Grashalm an den ich mich klammere, wenn die ganze Wiese schon den Abgrund hinab gestürzt ist. "Bitte nicht, bitte nicht..." Meine Schritte klingen weiter und ich kneife die Augen zusammen, als um die Ecke biege. Ich sehe das Bild vor mir, das sich mir bieten wird. Leere Straße, bis auf ein paar Autos, graue Häuserblocks auf jeder Seite, mit aufgebrochenen Briefkästen und verschmierten Fenstern. Mein Zuhause. Und dann bin ich da.
Vorsichtig öffne ich die Augen. Es ist so wie ich mir gedacht habe. Man kann es schon von weitem erkennen, das angeberische Moped das vor der Türe eines Hauses parkt. Es ist schwarz und rote, aufgeklebte Flammen züngeln um den Tank und die Felgen. Es gehört meinem Dad, er zahlt es immer noch ab und liebt es heiß und innig, mehr als alles andere auf der Welt. Deswegen darf ich es auch nicht anfassen, nicht mal anblicken. Das hat er mir wortwörtlich eingeprügelt. Ein Kratzer auf dem Lack und ich würde Wochen lang keinen Schritt mehr machen können. Dieses Monstrum schluckt so viel Sprit, dass wir es uns eigentlich gar nicht leisten könne. Aber das ist meinem Vater egal. Manchmal kommt er mir vor, als wäre er innerlich schon längst tot. Als würde ihn seine Umwelt nicht mehr interessieren, genauso wenig wie das Geld.
Mit einem Seufzen wende ich mich von dem Gefährt ab und der Haustür zu. Sie ist aus Metall und hat Glasfenster eingesetzt, zwei Stück. Doch das eine wird nur noch von ein paar Streifen Kreppband gehalten, das andere ist schon komplett aus dem Rahmen gebrochen. Einzig die scharfen Kanten an denen ich mir regelmäßig die Hände aufkratzend, erinnern noch an seine Existenz. Aber das ist nicht verwunderlich, hier wohnen so viele Menschen und vor allem den jungen ist immer langweilig.
Ich greife durch das Loch und öffne die Tür von innen, weil ich keinen Schlüssel habe. Als ich im Haus bin fällt sie krachen wieder hinter mir zu. Ich zucke zusammen und stolpere unweigerlich einen Schritt nach vorn. Dann wieder einen nach hinten. Ich hasse dieses Gebäude, abgrundtief, dabei stehe ich erst im Erdgeschoss. Ich werfe noch einen Blick hinter mich, auf die Straße die quasi vorbei fließt. So wenig wie ich hier sein möchte, so sehr zwingt mich das Wetter dazu. Und die Uhrzeit. Es ist schon nach Mitternacht, die Welt draußen pechschwarz. Ich beginne die Treppe zu erklimmen.
Dad hat seine Zweizimmerwohnung im fünften Stock. Da wir natürlich keinen Lift haben muss ich den ganzen Weg laufen. Das Stiegenhaus ist in einem erbärmlichen Zustand: die Wände sind mit Graffiti voll gesprayt, der dreckige Putz bröckelt nicht nur mehr, er bedeckt schon den halben Boden. Ich habe noch nie einen der Menschen getroffen, die hier so randalieren, aber anscheinend gibt es genug von ihnen. Alle Glühbirnen sind zerschlagen, doch niemand macht sich Mühe sie zu wechseln. Niemand will für Licht im Flur zahlen, das ist unnötig.
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Have you lost your fighting spirit?
Teen FictionAusgegrenzt, ungewollt und einfach nur verarscht; so fühlen sie sich. Der Abschaum, wie sie sich selbst manchmal nennen, zu schlecht für die Gesellschaft, zu gut zum Sterben irgendwie. Sie treiben auf der Oberfläche mit einem Fuß am Grund. Wer sie s...