20 - Christmas decoration

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Überarbeitet

Die Treppe knarzt beunruhigend als wir in den zweiten Stock hoch gehen. Ich halte mich am Geländer fest, aber nur kurz, denn es wankt gefährlich als ich es berühre. Einen Augenblick später fällt mit einem Krachen ganz in sich zusammen und Drugs lacht zufrieden, steckt die Hand zurück in die Hosentasche. Ich muss husten, der Staub frisst sich in meine Luftröhre, genauso wie der Zigarettenrauch, den Drugs ausatmet, die angezündete Kippe wippt zwischen seinen Fingern.

L8er erwartet uns oben schon. Sie grinst übers ganze Gesicht, anscheinend ist sie begeistert von ihrer neuen Bleibe. „Ich hab mir schon alles angeguckt!", ruft sie und Drugs nickt. „Von den Zimmern hier oben sind nur drei verwendbar, in den Rest habe ich mich nicht reingetraut, da ist alles zusammengebrochen. Matratzen gibt es vier Stück, wenn ich keine übersehen habe, Kevin und ich haben uns schon jeweils eine reserviert. Außerdem ist da hinten noch eine Treppe, die zum Speicher hoch geht. Dort ist auch alles komplett hinüber, jeder der mehr als vierzig Kilo wiegt reißt da oben wahrscheinlich das ganze Haus ins Verderben, der Boden ist total zerfressen. Mann, ich liebe es hier!" Sie hüpft auf und ab und der Boden knirscht unter ihren Füßen. Drugs lacht. Ich versuche zu lächeln.

Sofort zieht Drugs mich mit sich in eines der Zimmer, das noch halbwegs in Takt ist. Ein Fenster hat sogar noch seine Scheibe, das andere ist mit Kartons verrammelt, davor weht ein Vorhang in dem leichten Windzug. Auf dem Boden liegt eine Matratze, die ziemlich durchgeschwitzt aussieht und gelblich verfärbt ist. Daneben ein Haufen Schutt. Unbehaglich bleibe ich mitten im Raum stehen, während Drugs umhergeht, zwei Finger in den Mund nimmt und nach seinem Hund pfeift. Als Blut angeprescht kommt ziehe ich die Schultern hoch. Ihre ungeschnittenen Krallen schaben über den Boden, ihr Hecheln wirkt laut zwischen den engen Wänden. Zum Glück bremst sie, bevor sie mich über den Haufen rennt, und beginnt zu schnüffeln. Drugs tritt von hinten an mich ran, legt mir die Arme auf die Schultern und sieht zu L8er, die im Türrahmen steht. Sie kichert. „Ich lasse euch mal allein. Ihr wollt sicher das Haus einweihen."

Drugs grinst, das kann ich beinahe spüren, dann nimmt er die Arme von mir und wühlt in einer Tasche seiner Cargohose. Als er das gefunden hat, was er suchte, wirft er es L8er zu. „Vielleicht hat Kevin ja Bock auf'n Spiel." Die Kleine umschließt das Spielkartenpäckchen mit beiden Fäusten und lächelt strahlend. „Danke!" Dann läuft sie davon und durch die Wand kann ich sie „Keeevin!", brüllen hören.

Verwundert sehe ich Drugs an. Aber er gibt mir bloß einen Kuss auf die Stirn und lässt sich dann auf die Matratze fallen. Als er auf den freien Platz neben sich klopft lege ich mich ebenfalls. Die Matratze riecht muffig, nach Schweiß und Pisse, aber ich beschließe nicht darauf zu achten. Drugs zieht mich an sich heran. Ich muss an das denken, was er unten, gerade eben, gemacht hat und möchte mich am liebsten von ihm losreißen, aber ich tue es nicht. Stattdessen schließe ich die Augen.

Der Wind pfeift in den Ecken und es ist stockdunkel, als ich wieder aufwache. Aus einem Eck des Raumes höre ich Schnaufen, Schmatzen. Das muss Blut sein. Vorsichtig löse ich mich von Drugs und sehe in sein Gesicht. Er hat die Augen offen, sie scheinen in der Dunkelheit zu blitzen. „Baby", murmelt er und zieht mich wieder an sich heran, bis meine Wange ihn berührt. Drugs' Brustkorb hebt und senkt sich gleichmäßig, seine Finger spielen in meinen Haaren herum. Langsam gewöhnen sich meine Augen an das wenige Licht. Ich entdecke einen Streifen nackter Haut von Drugs, bei dem sich sein Pulli hochgeschoben hat. Sein Bauch ist schwarz vor Tinte, ein Bild scheint in das andere zu fließen. Fasziniert rücke ich ein bisschen weiter runter, ein bisschen näher an die freie Stelle. Vielleicht ist Drugs doch nicht der einzige Verliebte in diesem Raum.

„Fass ruhig hin", murmelt Drugs, seine Stimme ganz rau vom Schlaf. Ertappt zucke ich zusammen und lege meinen Kopf wieder auf seine Brust, schließe die Augen. Sein Körper bebt als er lacht, dann greift er nach meiner Hand und legt sie auf seinen nackten Bauch. Er beginnt schneller zu atmen. Ich auch. Seine Haut ist straff und warm und ich kann das Blut unter meinen Fingern pulsieren spüren. Ich bin gefährlich nahe an der Beule in seiner Hose, die wenige Zentimeter entfernt nur darauf zu warten scheint, berührt zu werden. Aber ich ignoriere sie, beiße mir fest auf die Unterlippe und lasse meine Finger wandern, ohne groß darüber nachzudenken. Ich taste die Tattoos ab, ziehe sie nach. Dabei schiebe ich seinen Pulli immer weiter hoch, was Drugs mit einem entspannten Seufzen zulässt. Ein kompliziertes Muster ziert seine ganze rechte Seite. Von den Lenden, über die Rippen, bis wahrscheinlich rauf zur Schulter prangt ein großes Tribal-Tattoo, scheint gar nicht mehr aufzuhören. Auf der anderen Seite ist direkt unter seinem Herzen eine komische Figur gestochen, die aussieht als würde sie sich den Kopf abreißen wollen. Sie ist überraschend detailreich gemacht, ihre aus den Höhlen tretenden Augen, die zerrissene Haut an ihrem Hals. Es ist ekelhaft. Darunter ist in einem verblassenden Rot der Satz Wer kriecht kann nicht fallen gestochen. Ich lege meinen Zeigefinger darauf und sehe Drugs ins Gesicht. Er verzieht die Mundwinkel. „War 'ne Art Aufnahmeprüfung für da, wo ich 'bei bin."

Have you lost your fighting spirit?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt