Die Beleuchtung in der U-Bahn-Station ist schwach und erhellt nur ein Stück. Auf der Anzeige blinkt eine orangene Eins. Man kann die nahende U-Bahn fast schon spüren, der Druck der durch den Tunnel schießt. Ich ziehe die Schultern hoch und gehe näher zu den Schienen; weit hinten sitzt etwas zusammengesunken am Abgrund und lässt die Beine baumeln. Das einzige was ich erkennen kann sind lange Haare die im Wind flattern. Ich beschleunige meine Schritte ein wenig und als ich nahe genug bin kann ich die Person erkennen. Ein Schrei verlässt meinen Mund.
Kinky schaut erschrocken auf, die Tränenspuren an ihren Wangen glitzern und ihre Haare flattern noch mehr als das Rauschen der U-Bahn zu vernehmen ist. Ich renne auf sie zu. Sie schüttelt panisch den Kopf und will auf die Schienen springen, aber ich bin rechtzeitig bei ihr und reiße sie an den Armen zurück. Sie fällt auf mich. Die Bahn rast in die Station, der Dreck der am Boden liegt wird aufgewirbelt und der Wagen kommt langsam zum Stehen. Kinky liegt immer noch auf meinem Körper und hat die Arme vor die Augen geschlagen. Schluchzer lassen ihre Schultern beben. Ich krieche vorsichtig unter ihr hervor. Sie legt sich auf die Seite und rollt sich zu einer Kugel zusammen. Ihre blonden Haare fliegen ihr um den Kopf und ihre dünne Gestalt zittert. Ich bin völlig überfordert, ich weiß nicht was ich tun soll. Ein Piepsen ist zu hören, dann schließen sich die Türen und die U-Bahn fährt.
„Scheiße. Jetzt können wir wieder zehn Minuten warten", murmelt Kinky und setzt sich auf. Sie streckt die Beine von sich und lächelt mich an, während Tränen in ihren die Augen stehen und ihre Unterlippe zittert. Ich setze mich neben sie. Sie schlingt die Arme um mich und vergräbt das Gesicht in meiner Schulter. Ich ziehe sie sanft näher an mich, während sich ein Kloß in meinem Hals bildet.
„Du hättest mich springen lassen sollen", wimmert Kinky in meine Jacke.
„Nein" Meine Stimme ist ganz rau und unsicher. „Nein. Nein, nein, nein, nein. Hätte ich nicht. Nein" Sie schnieft und kichert leise. „Ist ja gut", murmelt sie. „Ich sollte wohl eher die von uns sein, die durch den Wind ist, oder?"
Sie wischt sich mit dem Ärmel über die Nase. Heute hat sie einen schwarzen Pulli an, eine weiße Katze in einem rosafarbenen Tutu ist darauf gedruckt. Der Pulli riecht noch nach Geschäft. Kinky zupft an ihren Haaren herum. „Es war ein Kurzschluss", flüstert sie. „Aber es wäre so einfach gegangen, oder? Ich hätte nicht mal was gespürt, es wäre einfach vorbei gewesen... Schnips" Sie lehnt sich an mich und legt ihren Kopf auf meine Schulter. Ich schweige. Wir warten auf die nächste U-Bahn. Als diese zum Stehen gekommen ist helfe ich Kinky auf die Füße und setze mich mit ihr in den hintersten Wagen der bis auf uns vollkommen leer ist. Kinky lässt sich auf einen Sitzplatz fallen. Ihre Stirn sinkt gegen die Scheibe, unter ihrem Atem beschlägt sich das Glas. „Manchmal ist man im Leben einfach so am Boden, dass alle anderen einfach nur mit ihren dreckigen Schuhen über einen drüber latschen", sagt sie leise. Ich setze mich gegenüber von ihr hin und beobachte sie. Mir fallen keine Worte ein, also lasse ich sie einfach reden. „Die haben mich rausgeworfen", schnaubt sie. Ihre Tränen sind inzwischen schon getrocknet, aber sie sieht aus als würde sie am liebsten wieder weinen. „Ich war da keinen Monat, diese Spasten. Die haben gemeint ich hab zu sehr zugenommen, das würde die Kerle nicht mehr aufgeilen"
„Hast du nicht gemeint, du bekommst den Bauch weg?", frage ich leise. Kinky sieht auf und blinzelt irritiert. Dann greift sie in ihre Hosentasche und zieht etwas heraus, das sie mir wortlos in die Hand drückt. Sie zittert ziemlich, ob das am Schock oder an der Kälte liegt, weiß ich nicht. Ich betrachte den Plastikstreifen den sie mir gereicht hat, sehe mir das kleine blaue Plus darauf genau an. „Die können sich doch auch mal irren", murmle ich unsicher. Kinky schnaubt, greift in die Tasche und zieht drei weitere Plastikstreifen heraus. In jedem kleinen Fenster steht ein Plus.
Ich mache den Mund auf. Aber mir fällt nicht ein was ich sagen könnte, ich bin verunsichert über die Situation. Ich hätte es wirklich nicht erwartet. Nicht von Kinky, die doch immer so taff und stark ist. Jetzt drückt sie die Stirn fest gegen die Scheibe und schnieft leise. „Ich hab mal wo gelesen, dass Alkohol Babys tötet. Kannst du dich noch erinnern, wo ich so besoffen war? Wo ich dich und Drugs getroffen hab?" Ich nicke und erschaudere kurz, als ich daran denken muss wie kaputt Kinky da war. Sie lacht humorlos. „Die Tests sind ganz frisch. Das dumme Ding ist wohl unkaputtbar, es lebt immer noch! Ich weiß nicht was ich tun soll, ich weiß einfach nicht was ich tun soll, Husky" Sie sieht mich aus tränenverschleierten blauen Augen an. Ich reibe mir mit der Hand über die Stirn, damit ich ihr nicht ins Gesicht sehen muss.
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Have you lost your fighting spirit?
Novela JuvenilAusgegrenzt, ungewollt und einfach nur verarscht; so fühlen sie sich. Der Abschaum, wie sie sich selbst manchmal nennen, zu schlecht für die Gesellschaft, zu gut zum Sterben irgendwie. Sie treiben auf der Oberfläche mit einem Fuß am Grund. Wer sie s...