Angry boys and alcohol

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Ich verlasse gegen Mittag Axels Haus. Den Schlaf den ich letzte Nacht nicht bekommen habe, habe ich bei ihm nachgeholt und es hat mich dabei auch fast gar nicht gestört, dass er beide Arme um meinen Bauch gelegt und seine Zunge an meinem Ohr hatte, wie ein kleiner Hund. Ich war einfach froh, im Warmen schlafen zu können, dass ich sogar fast sein Liebesgeständins vergessen hätte. Fast. Jetzt wo ich die Straßen entlang streune kommt es wieder hoch und lässt mich die Hände fest unter die Achseln stopfen. Ein kalter Wind fährt mir in den Nacken und unter den Pulli - ich muss mir unbedingt etwas anderes besorgen, egal wie es aussieht, in dem Pulli und dem dünnen Shirt ziehe ich mir noch Erfrierungen zu. Ich hebe die Hände an den Mund und hauche hinein, immer wieder, bis meine Finger eine normale Temperatur angenommen haben. Der Dezember steht wirklich unmittelbar vor der Tür. Ich schlendere durch die Innenstadt in deren Nähe Axel wohnt, starre in die vielen spiegelnden Schaufensterscheiben und auf den Boden. Der Dreck liegt dort an jeder Ecke, zertretene Zeitungen, Plastikmüll und halb fertig gegessene Kebabs bei deren Anblick ich schon wieder Hunger bekomme. Ich habe nichts gefrühstückt, mit hundert Euro in der Hand wurde ich von Axel rausgeworfen.

Die Menschenmenge verdichtet sich, ich hebe den Blick und bemerke, dass ich unbewusst auf einen Weihnachtsmarkt zugesteuert habe. Überall blinken grelle Lichter, an den Bäumen und den Ständen und die Touristen reißen sich um den überteuerten Krimskrams. Sicherheitshalber schiebe ich die Hand in die Jackentasche und balle die Faust fest um mein Geld, ein paar Münzen und kleine Scheine habe ich auch noch, von letztem Mal. Die Versuchung mir etwas Warmes zum Essen zu kaufen lässt meinen Blick unsicher herum flackern; ich werde angerempelt und zur Seite gedrängt als ich kurz stehen bleibe. Aus einem Lautsprecher an einem Baum dringen ekelhafte Weihnachtssongs, direkt vor mir bahnt sich ein dicker Weihnachtsmann in rotem Pelzmantel und langem weißen Bart den er sich wie einen Schal um den Hals gewickelt hat, einen Weg durch die Menge. Seine Augen treffen meine, er sieht aus als hätte er Mitleid mit mir, aber dann lacht er nur ein „Hohoho!" und beugt sich zu zwei kleinen Kindern die neben ihm stehen geblieben sind herunter. Ich ziehe die Schultern hoch und stolpere schnell weiter. Aus einer Richtung zieht der warme, schwere Duft von Bratkartoffeln und -würsten zu mir. Abermals bleibe ich stehen, lege den Kopf schräg und spiele mit dem Gedanken mir etwas zu kaufen. Natürlich, es ist viel zu teuer für mich und es wäre gerade mal etwas von dem mir warm wird und das meinen Hunger für ein paar wenige Stunden unter Kontrolle hält.

Den Kopf gesenkt gehalten stelle ich mich ganz hinten an die Menschenschlange die vor der Bude steht, an. Direkt vor mir wartet eine dicke Frau, die sich fest in einen Mantel mit flauschigen Pelzkragen eingemummelt halt. Hinter mir drängen sich immer noch Leute vorbei und ich werde an die Frau vor mir gedrückt, als eine Gruppe Japaner auf einen Souvenirstand zuströmt. Sie dreht sich zu mir herum, auf ihren erschrockenen Gesichtsausruck reagiere ich mit einer hochgezogenen Augenbraue. Ich schüttle mir die blonden Haare aus der Stirn, aber sie kneift die Augen zusammen und greift den Griff ihrer Tasche fester als nötig gewesen wäre.

L8er hatte Recht, niemand vertraut anderen Menschen mehr, oder gönnt ihnen etwas nur weil Weihnachtsstimmung die Luft verpestet. Die Leute werden verklemmter und geiziger und argwöhnischer als zu jeder anderen Jahreszeit, das habe ich auch in den letzten Jahren herausgefunden, in denen ich noch einen Platz hatte zu dem ich zurück konnte. Man sah und sieht mir einfach an, dass ich schlechter bin als die anderen hier, dass ich in ein Assiviertel gehöre oder in ein absturzreifes Haus. Ich bin so sehr am Nachdenken, dass ich fast verpasse mir etwas zu bestellen.

Den leeren Pappteller werfe ich weg, den Zahnstocher behalte ich im Mund und kaue darauf herum. Es war nur eine kleine Bratwurst, die schon ziemlich angekokelt war und dafür sind jetzt vier Euro meines hart verdienten Geldes weg. Aber kann ich das überhaupt sagen? Habe ich hart verdient?

Have you lost your fighting spirit?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt