6 - Looking for a Place to hide

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Überarbeitet

Ich weiß nicht wie es spät es schon ist, ich weiß nicht, wie lange ich hier schon sitze – es kommt mir vor, als wüsste ich gar nichts mehr. Die Nacht liegt tonnenschwer über der Stadt und ich starre einfach nur in den schwarzen Himmel und hoffe, dass sie bald vorüberzieht. Nachdem der Mann mich so zurückgewiesen hatte, war ich ziemlich ziellos durch die Gegend gelaufen, bis es endlich dämmerte.

Ich habe selbst keine Ahnung, wieso ich diesem Mann meine ganzen Probleme so entgegen geschleudert habe. Wahrscheinlich wollte ich es einfach nur mal ausprobieren, sehen was passiert. Er ist ausgezuckt, wie ich erwartet hatte – wieder ein Beweis mehr, dass die Menschen nichts mehr sind als ein Haufen egoistische Idioten.

Ich wimmere und halte mir erschrocken den Mund zu; Dad hat das immer gehasst. Hör auf zu winseln, du bist doch kein Frettchen hat er dann gesagt und mich geschlagen. Ich mache die Augen zu und atme tief durch. "Nicht an ihn denken, bloß nicht an ihn denken..." Hinter mir im Gebüsch raschelt es. Ich zucke zusammen. Wahrscheinlich ist es nur ein Eichhörnchen oder eine Ratte, aber die Angst erfasst mich trotzdem. Ich bin für das alles einfach nicht gemacht. Am liebsten würde ich sterben.

"Kusch dich hier, Kleiner", höre ich plötzlich eine Stimme direkt neben mir und reiße erschrocken die Augen auf. Ich sehe in das verärgerte Gesicht eines Mannes – er ist unrasiert, zerfleddert und sieht aus, als hätte er tagelang nicht mehr geschlafen. Sein Atem stinkt nach Alkohol. "Kusch dich, das is' mein Platz", wiederholt er. Ich stehe langsam von der Bank auf. Mein Schädel brummt, ich habe Kopfweh. Eigentlich wollte ich ja nicht in den Park zurückkehren, aber mir war nichts Besseres eingefallen, wo ich bleiben konnte. Und jetzt ist es sowieso egal, jetzt muss ich die Bank an den alten Penner abgeben. Dieser mustert mich fast angeekelt. "Ich geb' dir 'nen Tipp, Junge", sagt er mit schwerer Zunge. "Geh' wieder nach Hause zu Mama. Das hier is' nix für solche wie dich" Er legt sich ächzend hin und ich bleibe einfach daneben stehen und sehe zu, wie er sich sein Lager zusammen baut. Nach Hause, hat er gesagt, ich soll wieder nach Hause gehen. Wenn er wüsste. Zu Hause ist kein Ort, es sind die Menschen die dich umgeben, die du liebst. Und solche habe ich ja nicht.

Ich schnaube und plötzlich sieht mich der Penner wieder an. "Immer noch da?", knurrt er. "Ich hab doch gesagt: Kusch dich! Heißt so viel wie: Verpiss dich von hier!" Er spuckt beim Reden, aber ich sage nichts zurück. Ich fühle mich wieder klein und schäbig, auch wenn der Obdachlose nicht besser ist als ich. Er hat Recht, die Straße ist wirklich nichts für mich. Aber ich habe nichts anderes, ich kann nirgendwo hin.

Langsam schiebe ich die Hände in die Hosentaschen, drehe mich um und schlendere los. "He!" Ich bleibe nochmal stehen, aber ich sehe nicht zurück. Ich will einfach nicht, bin steif wie eine Wachsfigur. "Versuch's am Parkplatz hinterm Supermarkt. Bei den Mülltonnen. Da schauen die nie nach."

"Danke", murmle ich - dann mache ich mich auf den Weg, raus aus dem Park Richtung Supermarkt.

Als ich dort stehe, zwischen zwei großen Containern, den Blick auf den großen, leeren Parkplatz gerichtet, kommen mir wieder die Tränen. Meine Beine knicken unter mir weg, ich rutsche auf den Boden. Vom Weinen bekomme ich Kopfweh, aber ich kann nicht aufhören. Ich schluchze haltlos. Die Arme um meine Knie geschlungen suche ich Halt, den ich niemals haben werde. Wie soll ich denn jetzt überleben? Es ist kalt, ich habe bloß mein Sweatshirt, meine Jeans und ausgelatschte Sneakers. Und genauso wenig Erfahrung im Klauen wie im Betteln. Wie hält sich ein Straßenkind über Wasser? Ich habe mir darüber noch nie Gedanken gemacht, auch wenn es in meiner Gegend genug von ihnen gab. Sie gehören alle zu irgendwelchen Banden, die Laufburschen, für die Drecksarbeit zuständig. Ich will nicht so enden.

Have you lost your fighting spirit?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt