Verängstigt sehe ich zu dem Grünhaarigen auf. Er grinst mich an, dann hockt er sich wieder neben mich und beginnt mit dem Zeigefinger über mein Gesicht zu streichen, ich weiche ihm aus, aber er macht einfach weiter. „Jetzt sind nur noch wir zwei, mh?", sagt er leise.
„Nein, nur ich", erwidere ich und stehe auf. Ich stecke das Geld und die Mütze in meine Tasche, das Pappschild lasse ich liegen. Dann will ich gehen. Der Grünhaarige packt mich an den Schultern, dass ich fast stolpere und zitternd stehen bleibe. Er tritt von hinten ganz nahe an mich heran und haucht mir mit seinem heißen Atem ins Ohr: „Du gehst nirgendwo hin, Baby. Ich bin der ältere von uns, also bestimme ich auch was passiert"
Ich versuche erfolglos mich von ihm loszumachen und beginne hektischer zu atmen. Die Tränen kitzeln in meinen Augen. „Bitte, lass mich los", wimmere ich. „Hör auf damit, bitte, lass das. Bitte. Bitte nicht"Er legt mir eine Hand auf den Mund, aber er nimmt sie schnell weg und beginnt mir durch die Haare zu streicheln. „Hör auf zu winseln. Die Leute gucken schon komisch, ich habe keine Lust auf eine Verhaftung" Er dreht mich zu sich rum und lächelt mich an. Ich schlucke trocken. Sein Blick zuckt über mein Gesicht und verhakt sich schließlich in meinen Augen. „Du hast wirklich schöne Augen", murmelt er. „Letztes Mal konnte ich sie gar nicht so gut sehen. Das ist eine echt schöne Farbe"
Ich winde mich zwischen seinen Händen und beutle den Kopf. Ich versuche die Erinnerungen zu vertreiben die sich wieder wie Parasiten in meinen Kopf schleichen. An die Nacht im Club, als Drugs mich vergessen hat und der Grünhaarige mir einen Drink ausgegeben hat. An die Nacht, von der nur noch Bruchstücke existieren. Er fasst mir ans Kinn und zwingt mich somit ruhig zu halten - ich atme hektisch und starre ihm ins Gesicht. Er ist glattrasiert und hat markante, harte Gesichtszüge. Über seine rechte Augenbraue verläuft eine blasse Narbe.
„Bitte lass mich in Ruhe", flüstere ich wieder.
Er lacht auf. „Du bist echt süß! Im Leben nicht mehr, Baby, ich liebe es wenn ich um etwas kämpfen muss" Seine Nägel bohren sich in mein Kinn und ich senke den Blick auf den Boden bei seinen Worten. Ich würde mich am liebsten losreißen, aber ich traue mich nicht. Ich habe gelernt nachzugeben, wenn die Situation unangenehm wird für mich; das ist das Leichteste und Sicherste. Dann werde ich meistens auch nicht verprügelt.
„Na, siehst du. Du kannst doch ganz brav sein" Er lässt mich los und wuschelt mir durch die Haare. Ich starre auf den Beton. Mein Puls rast und ich zittere am ganzen Körper. Aber ich bewege mich nicht vom Fleck. „Ich hab Hunger, du auch?", fragt der Grünhaarige locker. Er wartet gar nicht auf meine Antwort, sondern zerrt mich gleich zu dem McDonalds. Als die Schiebetüre aufgeht weht mir sofort ein warmer Wind entgegen, ich hebe das Gesicht hinein. Der Grünhaarige bugsiert mich zu einem einsamen Platz ganz hinten im Laden. Ich lasse mich auf einen der weichen Sessel fallen, die Arme auf den Beinen und die Haare im Gesicht. Unsicher beginne ich meine Finger zu verknoten. Das Gedudel der Weihnachtsmusik und Kindergeschrei stören meine Wahrnehmung, sodass ich heftig zusammenzucke, als sich der Grünhaarige neben mich auf die Lehne des Sessels setzt und mir eine Hand auf die Schulter legt. Er grinst mich an. „Ich werde uns mal was zu essen besorgen, okay?"
Ich nicke irritiert und weiche ihm schnell aus, als er mich küssen will, sodass der Kuss nur auf meiner Wange landet. Der Grünhaarige sieht verärgert aus und gibt mir nochmal einen Kuss, den ich nicht abwehren kann. Als er mit der Zunge in meinen Mund fährt wimmere ich leise auf. Er lässt von mir ab und geht zur Theke ganz vorne. Ich seufze auf. Ich verstehe das gar nicht: wieso reißen sich alle so um mich? Drugs, der Grünhaarige und die ganzen Freier. Als wäre ich irgendetwas Besonderes, als wäre ich auch nur irgendwie diese ganze Aufmerksamkeit wert. Ich bin nichts. Ich kann mich nicht einmal wehren, wenn mich ein Kerl küsst, den ich nicht will. Ich kann mich nicht einmal wehren, wenn jemand mit mir eine Beziehung will obwohl ich noch nicht bereit dafür bin und es nie sein werde.
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Have you lost your fighting spirit?
Novela JuvenilAusgegrenzt, ungewollt und einfach nur verarscht; so fühlen sie sich. Der Abschaum, wie sie sich selbst manchmal nennen, zu schlecht für die Gesellschaft, zu gut zum Sterben irgendwie. Sie treiben auf der Oberfläche mit einem Fuß am Grund. Wer sie s...