Der Wolf des Nordens

Kapitel 34

Die Wölfe haben sich vor einer Hütte im Wald versammelt. Es müssten so um die 60 Personen auf der Lichtung, die an die Hütte angrenzt verteilt sein. Kaum kommen wir drei an, senken alle ehrfürchtig ihre Blicke. Es ist mir ein wenig unangenehm, wie alle sich vor mir verneigen. Doch es lässt mich auch stark fühlen. Es ist die eine Sache respektiert zu werden, doch eine andere, wenn 60 Wölfe dir folgen und auf deine Befehle hören. Dabei kenne ich die meisten nicht einmal wirklich. 

"Elian ist drinnen", flüstert Valerie mir zu. Somit gehen wir drei zusammen in die kleine Hütte. Diese besteht aus drei Räumen. Eine kleine Küche, ein Zimmer mit einer Pritsche und einem Wohnzimmer. Im Wohnzimmer sitzen Elian und Jannik um einen Tisch. Ihre Köpfe, welche zuvor noch deprimiert zu Boden sahen, schnellen jetzt in die Höhe. Sie kommen auf uns zu gelaufen und nehmen Caroline und mich in die Arme. 

Wo sind Phoebe und Ivan?", fragt Elian besorgt, nachdem er mich losgelassen hat. Beschämt schau ich zu Boden. Es ist meine Schuld, dass die beiden jetzt nicht bei uns sein können. 

"Ivan wird seit gestern befragt und Phoebe haben sie erwischt, als wir weggerannt sind", erklärt Caroline. Ich merke wie sich eine Träne löst und über meine Wange rinnt. Ohne es zu wollen verlässt ein Schluchzer meinen Mund. Wäre ich nie hier her gekommen, wäre es nie so weit gekommen. 

"Liv, du hast keine Schuld an allem. Wir haben uns freiwillig dazu entschieden dir zur Seite zu stehen. Und wir würden es auch wieder tun.", beruhigt Elian mich. Schluchzen stürze ich mich in die Arme von Elian. Sanft streicht er mir über meinen Rücken. Meinen Tränen fangen immer mehr an zu laufen. Es ist gut alle angestauten Gefühle einfach mal rauslassen zu können. Ich weiß nicht wie lange wir so stehen, doch nach einer Zeit werden wir von Caroline unterbrochen. "Wir müssen jetzt langsam einen Plan machen wie es weiter gehen soll" 

Ich löse mich von meinem Bruder und wische meine Tränen weg. "Ich denke Valerie und Ich sollten dann mal gehen", meint Jannik und will mit Valerie die Hütte verlassen. "Nein bleibt hier. Ihr habt bereits so viel getan. Ich denke ich oder wir könnten eure Hilfe auch weiterhin gebrauchen", halte ich die beiden auf. 

Ich hatte nicht viele Chancen, mich mit den beiden zu unterhalten, aber ich weiß wie viel sie getan und riskiert haben für mich. Eine Person die sie kaum kennen und ihr trotzdem vertrauen. Und so wie sie in mich vertrauen, so muss ich jetzt auch in ihnen Personen finden, den ich vertrauen kann. 

"Wir sollten zuerst Ivan und Phoebe befreien", schlägt Jannik vor. "Ich bin dafür erstmal die ganzen Jungwölfe in Sicherheit zu bringen", bringt Valerie einen Gegenvorschlag. "Am schlausten ist es doch, wenn Liv den Alpha herausfordert, dann ihn tötet und alle sind gerettet", sagt Caroline. Hat sie grad gesagt, dass ich ihn töten werde?

"Um das klar zu stellen, ICH WERDE NIEMANDEN TÖTEN", ziche ich den anderen zu. "Olivia das musst du aber. Das Rudel wird dir nicht einfach so folgen. Sie haben viel zu große Angst vor dem Alpha und seiner Luna. Die beiden tyrannisieren das Rudel schon seit Jahren.", spricht Caroline auf mich ein. Ich kann doch nicht einfach so jemanden umbringen. Bis vor kurzem war ich noch ein nicht ganz so normales Pflegekind und jetzt erwartet man von mir jemanden zu töten. 

"Caroline hat recht. Du musst es für das Rudel tun. Für dein Rudel. Beschütze es!", sagt Elian zu mir. Er hat recht ich muss an das Wohl des Rudels denken. Ich werde den Alpha noch heute Nacht herausfordern. Doch töten kommt nicht in Frage. Da die anderen allerdings weiter auf mich einreden würden, sage ich nichts und nicke nur stumm. Caroline klatscht sich in die Hände und sagt: "Dann wäre das beschlossene Sache."

Wenige Sekunden später stürmt ein Junge in die Hütte. Ich denke er heißt Liam. Er ist ein kleiner, dünner Kerl mit blonden Haaren und Sommersprossen. Was ihn wirklich niedlich erscheinen lässt. Doch durch den verschreckten Gesichtsausdruck, den er hat, wirkt gar nichts mehr an ihm niedlich. 

"Phoe-Phoebe und Ivan, si-sie wollen die beiden um-.umbringen, wenn Olivia sich nicht stellt", stottert Liam außer Atem und stützt seine Hände auf den Knien ab. 

"WAS?!", rufen wir alle fünf wie aus einem Mund. "Scheiße Liv. Was machen wir den jetzt", quietscht Valerie los. "Ich werde mich stellen"

Damit ist es beschlossene Sache und wir fünf begeben uns auf den Weg zum Dorf. Als wir dort ankommen, wirkt es noch leerer als sonst. Es scheint förmlich eine Geisterstadt zu sein. Wir schleichen uns durch die Gassen bis zum Markt.

Dort stehen auf einer Bühne, das Alphapaar und zwei Wachen, die Phoebe und Ivan festhalten. Davor steht das gesamte Rudel und schaut dem Spektakel zu. Am Rand entdecke ich Ivans Mutter, die sich weinend in die Arme von Ivans Vater schmiegt. 

"Wenn sich die Verräterin Liv nicht sofort stellt wird der kleinen die Kehle aufgeschlitzt", droht Kane und fährt mit seinen Klauen an Phoebes Hals entlang. "Lass sie in Ruhe du Dreckskerl", schreit Ivan ihn an. "Redet man so mit seinem Alpha? Halt die Klappe sonst bist du der Erste", brüllt Kane zurück. 

Ohne zu zögern schiebe ich mich durch den Menschenmasse hindurch. Dicht hinter mir folgen Elian, Caroline, Jannik und Valerie. Die Wölfe machen uns, ohne das wir etwas sagen müssen Platz. 

"Wo bist du Liv? Oder willst du das deine Freundin stirbt" Kane schnappt sich Phoebes Arm und zieht sie an seine Brust. Ivan wehrt sich so stark gegen den Muskelprotz hinter sich, dass dieser in los lässt. Doch ehe er auf den Alpha los springen kann, trete ich aus der Menge nach vorne. 

"Lass sie in Ruhe", befehle ich laut und steige auf die Bühne. Meine Freunde bleiben unten an der Treppe stehen, so dass sie in meiner Nähe bleiben. 
"Hat sich Madame dazu entschieden sich zu stellen und deine Freunde hast du auch noch mitgebracht", lacht der Alpha höhnisch. Seinen Griff um Phoebes Arm immer noch nicht gelockert. 

"Ich bin nicht hier um mich zu stellen." Ich richte meinen Rücken grade und strecke meine Nase in die Höhe, ehe ich so laut brülle, dass alle es hören. "Ich Olivia Moon, rechtmäßige Alpha des Sunlight Rudels fordere dich Alpha Kane heraus zum Kampf". In Raunen geht durch die Menge. Verständlich, schließlich sollte ich ja eigentlich tot sein. 

Das selbstgefällige Grinsen, des Alphas verschwindet aus seinem Gesicht. Voller Zorn blickt er mich an. Seine Augen werden dunkler und wütend fletscht er seine Zähne. 

"Du wagst es dir dich als rechtmäßige Alpha auszugeben. Olivia ist vor Jahren bei dem gleichen Unfall wie ihre Eltern gestorben", behauptet Kane dreist. Jetzt bin ich diejenige, die ihre Zähne fletscht. "Meine Eltern wurden umgebracht und ich bin auch nicht mit ihnen gestorben", schreie ich wütend. Ohne darüber nachzudenken lasse ich eine Flamme in meiner Hand entfachen und diese in den Himmel steigen. Eigentlich hätte ich sie gerne auf Kane gefeuert, aber dann wäre es ein ungültiger Kampf geworden. 

In der Menge höre ich "Es ist Olivia" "Sie hat die Kräfte" "Olivia ist nicht tot?". Doch ich kann mich auf diese nicht konzentrieren. Denn Kane, welcher immer noch Phoebe festhält, will seine Klauen an ihre Kehle legen. 

"Du solltest aufpassen was du tust, sonst ist die Kehle schneller durch, als du schauen kannst", zischt er mir barbarisch entgegen. 

Doch ich habe gar nicht die Chance irgendetwas zu machen, denn Ivan reist sich aus den Armen der Wachen und rennt auf Kane zu. Kane ist so überrumpelt, dass er Phoebe loslässt. Phoebe robbt zu mir und ich nehme sie in die Arme. "Du was er wird Ivan umbringen", weint sie fürchterlich. 

Kane und Ivan umkreisen sich in ihrer Wolfgestalt. Ivan hat an seiner linken Seite eine riesige Wunde aus der Blut fließt und Kane humpelt auf seiner rechten Vorderpfote. Beide knurren sie sich an, ehe sie aufeinander zu springen. Außer Blut und Fell kann man bei diesem Kampf nicht viel sehen. Allerdings behält Kane meist die Oberhand. Ivan ist nun mal kein Kämpfer und Phoebe hat auch recht mit ihrer Aussage. Denn ehe wir uns versehen krallt sich Kane auf Ivans Rücken fest und rammt seine Zähne in Ivans Kehle. 

In dem Moment als Phoebe einen herzzerreißenden  Schrei von sich gibt und Ivans Körper leblos auf den Boden aufschlägt sehe ich ROT.