Allein in der Nacht

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(TW: SA, SV)

Sie war gefangen, unter seinem Gewicht. Sie konnte sich nicht bewegen, konnte nicht sprechen. Sie wollte sagen, dass er aufhören sollte, dass sie es nicht wollte, aber sie brachte keinen Ton heraus. Sie wollte ihn von sich stoßen, wollte aus dem Zimmer rennen, aber keiner ihrer Muskel gehorchte ihr mehr. Sie war gefangen. Sie hatte keine Chance gegen ihn. Sie würde abwarten müssen, bis es vorbei war. Sie konnte nichts tun.

Ein stechender Schmerz in ihrem Arm holte sie zurück aus ihren Gedanken zurück in die Realität. Ohne es zu merken, hatte sie ihre Fingernägel in ihre Haut gegraben. Sie war froh über die kurze Pause, die ihr der Schmerz verschaffte. Sie war in ihrem eigenen Bett, in Sicherheit. Ihre Wangen waren tränennass, ihre Augen brannten.

Die Pause, die ihr gewährt wurde, war nur kurz. Verzweifelt versuchte sie, die erneut aufkeimende Panik zu unterdrücken. Doch sie war zu schwach. Die Angst schnürte ihr die Brust ab. Ihr Herz schlug viel zu schnell, ihr Atem ging zu flach. Sie versuchte, sich zu beruhigen, versuchte, an irgendetwas anderes zu denken, doch sobald sie ihre Augen schloss, sah sie wieder dieselben Bilder vor sich. Frustration und Verzweiflung loderten in ihr auf. Sie wollte ihren Schmerz hinausschreien, wollte ihn endlich loswerden, aber sie durfte es nicht. Stattdessen gruben sich ihre Nägel unwillkürlich noch tiefer in ihre Haut.

Als sie realisierte, was sie gerade getan hatte, zog sie sofort die Hand zurück. Aber es war zu spät, sie hatte ihr Versprechen gebrochen. Sie hätte wenigstens versuchen müssen, sich zu kontrollieren. Stattdessen hatte sie es einfach geschehen lassen. Vor lauter Wut und Hass auf sich selbst, kratzte sie sich erneut über den Arm. Ihre Nägel hinterließen lange, rote Spuren. Beinahe brach erneut eine Welle der Wut über sie herein, doch dem größeren Teil von ihr war es egal. Sie hatte ohnehin schon versagt. Da bestätigten diese zusätzlichen Verletzungen nur, was davor schon klar war: Sie hatte versagt. Mal wieder.

Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Tränen liefen ihr unaufhörlich über die Wangen. Er hatte nicht einen Gedanken verdient, den sie an ihn verschwendete, und erst recht keine Verletzungen. Und doch konnte sie ihn nicht hinter sich lassen. Er drängte sich in ihre Gedanken, ran sie endgültig zu Boden, wenn sie dachte, sie könne nicht tiefer fallen. Sie dachte, sie wäre stärker geworden, aber sie hatte sich getäuscht. Es hatte sich nichts geändert. Sobald die Erinnerungen einmal da waren, kamen mit ihnen die Gefühle von damals, dieselbe Panik, dieselbe Verzweiflung. Damals hatte sie keine Möglichkeit, sie irgendwie rauszulassen. Dafür tat sie es jetzt umso stärker.

Erschöpft legte sie sich hin, die Bettdecke fest an sich gekuschelt. Ihr Körper schrie mit jeder Faser nach Erholung, doch sie wusste, dass es sinnlos war, jetzt zu versuchen, einzuschlafen. Die Schuldgefühle wegen ihrer neuen Verletzungen lasteten schwer auf ihr, erdrückten sie. Sie hatte es nicht bewusst getan, aber trotzdem fühlte es sich an, als hätte sie ihr Versprechen absichtlich gebrochen. Sie hätte sich so aus den Gedanken zurückholen müssen, sie hätte darauf achten müssen, wo ihre Hände waren, sie hätte nicht die Kontrolle abgeben dürfen. Aber nein, sie war dazu zu schwach gewesen. Sie fühlte sich wie eine Versagerin.

Ihre Hand wanderte unbewusst wieder zu ihrer anderen. Erst als sie den leichten Schmerz spüürte, merkte sie, was sie tat, aber sie hörte nicht auf. Das gleichmäßige Kratzen und Brennen beruhigte sie in diesem Moment. Es war eh zu spät.

Ihr Atem und ihr Puls beruhigten sich langsam wieder. Sie konzentrierte sich darauf, dass ihre Gedanken nicht wieder zurück zu ihm abschweiften. Die Tränen hatten auf ihrer Haut salzige Spuren hinterlassen und das Kissen unter ihrem Gesicht war feucht, aber sie änderte nichts daran. Sie lag einfach nur da, gebrochen und allein in der Dunkelheit der Nacht. Ihre Fingernägel bewegten sich in einem langsamen, gleichmäßigen Rhythmus über ihre Haut. Mit der Zeit ließ der Druck, den sie dabei ausübte, nach.

Ihr Kopf war leer, ihr Körper eine leblose Hülle. Die Spuren der Emotionen, die noch wenige Augenblicke zuvor aus ihr hervorgebrochen waren, blieben, doch von ihnen selbst war nichts mehr zu spüren. Bis zum nächsten Morgen würden die Verletzungen verblasst und das Kissen getrocknet sein. Dann würde nichts mehr von der Qual zeugen, die sie in letzter Zeit allabendlich erlebte. Bis zur nächsten Nacht.

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