Gedankenwelt

Verbranntes Eis

30 Grad, klarer Himmel. Die Menschen genießen ihren Tag am Strand, sonnen sich, essen Eis. Die Jacken liegen zuhause, weit weg in den Tiefen der Schränke. Kurze Hosen, T-Shirt, helle Stoffe. Die Menschen öffnen sich, zeigen sich, genießen die wärmenden Strahlen der Sonne auf ihrer Haut.

Am Rand sitzt dieses Mädchen, auf dem Boden, die Beine an ihre Brust gezogen. Sie trägt ihre Jacke, die langen Hosen. Ihr ist warm, viel zu warm. Doch sie kauert sich noch enger, macht sich noch kleiner, zieht die Ärmel der Jacke bis über ihre Hände.
Die Hitze quält sie, will sie zwingen, die Jacke auszuziehen. Aber sie weigert sich.

Sie braucht die schützende Schicht ihrer Jacke, als wäre sie ein Schild, das alles Böse abwehrt. Bloße Haut fühlt sich für sie fremd an, einengender und beklemmender als der Stoff es je sein könnte.
Die Jacke gibt ihr ein letztes Bisschen Sicherheit und Geborgenheit, versteckt sie vor den Blickend er anderen.

Die Hitze wird immer unerträglicher. Doch das Mädchen tut nichts dagegen. Ihr Körper schreit danach, die Jacke loszuwerden, fleht sie an, sich abzukühlen. Der Kampf ihres Körpers gegen ihren Willen lässt ihre Gefühle und Gedanken verrückt spielen. Immer weiter geht der Streit in ihrem Kopf, dabei hatte sie sich längst entschieden.

Die befreiten Emotionen, das Chaos, die grauenhafte Hitze. All das lässt sie beinahe lächeln. Sie zieht die Jacke noch enger, zieht die Beine noch näher an sich heran. Sie hat das Gefühl, jeden Moment verbrennen zu müssen.

Doch genau das ist es, was sie will. Sie will den Schmerz der Hitze, denn es ist der einzige Weg, das Eis in ihrem Inneren wenigstens ein wenig zu schmelzen. Das Eis, das all ihre Gefühle umschlossen hat und sie in ein kaltherziges Monster verwandelt hat. Und auch wenn dieses Eis viel zu fest ist, um komplett schmelzen zu können, so kann die Hitze wenigstens für einen Moment einen kleinen Teil befreien.