Er sollte ein Prinz sein, der später König wurde, der sein Mädchen beschützte.
Doch niemand sagte ihm, wie schwer es werden würde. Niemand sagte ihm, wie gefährlich die Monster dort draußen waren. Niemand bereitete ihn darauf vor, was ihn in der Welt erwarten würde, wie er würde kämpfen müssen.
Sie gaben ihm ein Schwert, doch die Klinge fast vollkommen stumpf. Sie sagten ihm, er solle auf sich selbst vertrauen, dass er es schon schaffen würde. Sie sagten ihm, dass er nicht versagen durfte, aber dass sie stolz auf ihn sein würden, wenn er es schaffte, seine Prinzessin zu finden und zu retten. Sie erwarteten von ihm, dass er es schaffte.
Er durfte ein paar wenige Freunde mitnehmen. Manche von ihnen gingen auf dem langen Weg verloren. Nur wenige blieben stets an seiner Seite, kämpften sich mit ihm voran, selbst auch auf die Suche geschickt nach ihren eigenen Prinzessinnen.
Bevor er losgezogen war, hatten die Älteren ihm immer wieder eingeschärft, dass er es schaffen musste. Als würde sein Leben davon abhängen, dass er dieses Mädchen vor welcher Gefahr auch immer retteten.
Doch niemand hatte gesagt, dass der Weg voller Steine war, dass er immer wieder die Orientierung verlieren würde, dass er immer wieder zu erschöpft waren, um auch nur einen Schritt weiter zu gehen. Er war in einer Welt voller Licht und Blumen gestartet, doch schon bald war er in einem Wald voller Dunkelheit angekommen.
Er hatte keine Ahnung, wer diese Prinzessin sein würde, was für ein Mensch sie sein würde. Er wusste nicht, welcher Gefahr sie gegenüberstehen würde, die sie selbst nicht würde besiegen könnte.
Gleichzeitig fragte er sich, warum jeder von ihm erwartete, dass er stärker war als die Prinzessin. Waren wirklich alle von ihnen so schwach, dass sie gerettet werden mussten? Gerade hatte er manchmal eher das Gefühl, dass er gerettet werden musste. Doch er durfte nicht aufgeben, schließlich hatte er eine Mission zu erfüllen. Außerdem war er ein Junge - er durfte nicht weinen, nicht schwach sein, nicht aufgeben. Das hatten ihm die Älteren oft genug eingepredigt.
Sein Weg war lang, und er fand Mädchen, die seine Hilfe brauchten. Egal, wer es war, er versuchte, ihr zu helfen. Dabei vergaß er schon bald seine eigentliche Mission - er wollte den Menschen helfen, nicht nur nach dieser "großen Liebe" suchen. Er wollte ihnen helfen, weil es sich richtig anfühlte - ihnen nur zu helfen, um herauszufinden, ob sie die richtigen waren, war falsch.
Doch niemand von ihnen blieb bei ihm. Sie stießen ihn von sich weg, nachdem er ihnen geholfen hatte, betrogen und verletzten ihn.
Er wurde schwächer. Doch er wusste, dass er es nicht durfte. Die Worte hatten sich in sein Gedächtnis eingebrannt - nicht weinen, nicht schwach sein, nicht aufgeben. Er musste weitergehen, dann würde er irgendwann finden, wonach er suchte. Ganz sicher.
Er traf auf die kleine Gruppe. Die kleine Gruppe mit der Anführerin, die das dunkelrote Kleid und die schwarze Krone trug. Alle Prinzessinnen, denen er begegnet war, hatten pinke Kleider getragen, manche von ihnen zerrissen von der Zeit im Wald, aber trotzdem konnte man gut erkennen, dass sie aus den Schlössern kamen. Ihre Kronen waren hell und glänzten.
Auch aus dieser Gruppe trugen noch manche der Mädchen rosaliche Kleider, doch allen sah man an, dass sie lange in diesem Wald gelebt hatten.
Keines dieser Mädchen wirkte, als müsste es gerettet werden. Und doch schloss er sich der Gruppe an, in der Hoffnung, dass sie ihm Schutz bieten konnten, solange er Kraft tankte. Natürlich wusste er, dass es Schwäche war, die ihn dazu brachte, und dass er das nicht hätte zulassen sollen. Doch es würde ohnehin niemand erfahren, was er hier getan hatte, wenn es noch lange so weiter ging - denn dann würde er hier nicht mehr lebend herauskommen.
Die Anführerin von ihnen wirkte nach außen stark. Doch es war nicht zu übersehen, dass ihre Haut von Narben übersät war. Zumindest war es das für ihn. Aber sie wirkte nicht, als ob ihr das etwas ausmachen würde. Sie kämpfte für ihre Freunde.
Er bewunderte sie dafür. Er hatte es fast nicht einmal geschafft, für sich selbst zu sorgen, und sie schaffte es, sogar noch auf andere aufzupassen.
Er wusste, dass die Prinzen dafür bestimmt waren, die Prinzessinnen zu retten. Doch er konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendwann einen Prinzen geben würden, der es schaffen würde, stärker zu sein als sie und irgendetwas zu besiegen, das sie nicht auch besiegen konnte.
Doch je mehr Zeit er mit ihr verbrachte, umso mehr fiel ihm auf, dass all die Narben nicht ganz verheilt waren. Sie versteckte sie, glaubte, dass sie sie schwach darstehen lassen würden - und das durfte sie nicht, denn das würde die anderen verunsichern.
Sie gab den Wunden nie genug Zeit zum Heilen.Die größte Gefahr, die sie besiegen musste, war sie selbst. Er wusste, dass er das nicht für sie tun konnte. Doch ab dem Moment, als er das realisierte, wusste er, dass er ihr dabei helfen würde, dass er sie unterstützen würde und ihr in Zukunft die Ruhe und Zeit verschaffen würde, damit neue Wunden heilen können. Denn ihm war auch klar, dass sie ihre Beschützerrolle vermutlich nie wieder ablegen würde.
Und dank ihr wurde ihm klar, dass all die Rollen, die ihnen zugeteilt wurden, keine Rolle in der Dunkelheit der Welt keine Rollen spielten. Und mit ihr zusammen fand er selbst hier in der Dunkelheit Schönheit.
Der Traum der bunten Wiesen, der hellen Farben, der riesigen Schlösser - er war ein Traum. Das wusste er jetzt. Doch in dieser Dunkelheit erschuf er mit ihr zusammen ein noch viel schöneres, eigenes Reich, in dem sie ihr eigenes Licht entzündeten und das von da an der sichere Ort für sie wurde.

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Gedankenwelt
AléatoireDies ist ein Einblick in all die Gedanken, die mich Tag täglich im Leben begleiten, und auch in ein paar Träume. !Achtung! !TW! Beschreibung von Selbstverletzung und Suizidgedanken in manchen Kapiteln! (sind einzeln gekennzeichnet) Teilweise Texte...